Heißes Blut. Un-su Kim

Heißes Blut - Un-su Kim


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gab es viele schlagbereite Typen, es gab die Gangster aus den anderen Vierteln, die ausländischen Gangs – Russen, Chinesen, Japaner, Südostasiaten –, die Schmuggler, Drogendealer, Hehler, Betrüger, Spieler, Söldner und pensionierten Polizisten. Hinter jedem lukrativen Geschäft lauerte eine Falle. Kurzum, eine Pfeife wie Dodari hatte in diesem Dschungel keine Überlebenschance.

      Für Vater Son wäre es ideal gewesen, wenn Huisu sich bereit erklärt hätte, nach seinem Tod unter dem neuen Eigentümer Dodari als treu ergebener Manager im Hotel weiterzuarbeiten. Aber welcher Trottel hätte akzeptiert, unter so einem Chef zu arbeiten? Vater Son kannte Huisus Antwort. Oft sagte er: »Huisu, wenn es mich nicht mehr gibt, geh davon aus, dass die Hälfte des Hotels dir gehört. Gemeinsam werdet ihr das schaffen, du und Dodari.« Für Huisu waren solche Worte nichts als heiße Luft. Vater Son hatte kein Interesse daran, ihm das Hotel zu vererben. Wahrscheinlich hatte Yangdong recht: Das Mallijang gehörte seit achtzig Jahren dem Son-Clan, und er, Huisu, hatte vom Blut dieses Clans nicht einen einzigen Tropfen in sich. Für Vater Son war er nur ein treuer, zuverlässiger Angestellter. Der Gedanke machte ihn traurig. Nicht weil sein Name nicht in Vater Sons Testament stehen würde, sondern weil er in Guam für alle Zeiten ein Gangster unter vielen bleiben würde – im Gegensatz zu Dodari, diesem Versager, der vom gleichen Blut war wie der Alte.

      Huisu zündete sich eine Zigarette an und betrachtete den schönen weißen Sandstrand, der in der Aprilsonne glitzerte. Es war die angenehmste und zugleich vergänglichste Jahreszeit, die einzige Zeit, in der man das Meer in Ruhe und ohne jeden Blutgeruch genießen konnte.

      Genau in diesem Moment sagte Dodari, sturzbetrunken und mit verwaschener Stimme: »Hör mal, Großer Bruder, ist Ami nicht der Sohn von Insuk?«

      Als Huisu den Namen hörte, erstarrte er. Schweigend, mit versteinertem Gesicht griff er nach seinem Wodkaglas und leerte es in einem Zug.

      »Woher kennst du Insuk? Sie ist doch älter als du, oder?«, antwortete Vater Son an Huisus Stelle.

      »Also, außer den nordkoreanischen Geheimagenten kennt die in Guam ja wohl jeder. War die Schlampe nicht ’ne berühmte kinzaku?«

      »So ein Quatsch«, schimpfte Vater Son. »Weißt du überhaupt, was das heißt, kinzaku?«

      »Was? Aber klar doch. Eine kinzaku ist doch ’ne Edelnutte, oder? So was wie Kleopatra, Yang Guifei, Xi Shi … Die haben tolle Lippen, aber untenrum sind die Lippen noch toller, super stramm. Ich hab schon ein paar von diesen kinzakus gevögelt.«

      Huisu runzelte die Stirn.

      Vater Son sah es und versuchte, Dodari zu bremsen. »Halt den Mund. Ami kommt gerade aus dem Gefängnis. Stell dir mal vor, wie er reagieren würde, wenn er wüsste, dass der Name seiner eigenen Mutter hinter seinem Rücken in den Schmutz gezogen wird.«

      »Na und? Soweit ich weiß, ist er aber gerade nicht hier und kann uns nicht hören. Und man kann auch den König in den Schmutz ziehen, wenn er’s nicht hört, oder etwa nicht? Und außerdem, beim Trinken braucht man fünf Sachen, mit denen man angeben kann, und fünf Sachen, mit denen man Leute runtermacht, das gibt dem Alkohol erst den richtigen Geschmack«, lallte Dodari.

      Huisu schenkte sich nach, trank das Glas wieder aus, ohne abzusetzen, und schenkte sich abermals nach. Vater Son sah schweigend zu, während Dodari weiterschwadronierte.

      »Wobei, als ich Insuk gefickt habe, war die gar nicht so ’ne tolle kinzaku, wie’s immer heißt. Das Gesicht ist ziemlich hübsch, stimmt schon, aber untenrum war’s lascher, als ich dachte. Vielleicht ein bisschen strammer als der Durchschnitt, okay, aber nix, weshalb man sagen könnte, die ist ’ne megacoole kinzaku. Also, ’ne echte kinzaku ist auch nicht unbedingt stramm, das ist eher so ein Gefühl, als ob du von ’nem schwarzen Loch verschluckt wirst. Und bei Insuk hast du das Gefühl halt nicht.«

      Wieder füllte Huisu sein Glas und leerte es in einem Zug.

      »Schnauze, habe ich gesagt.« Vater Sons Stimme klang eisig.

      »Was denn? Mann, Onkel, immer geht’s gegen mich. Insuk ist doch kackegal, die ist doch nur ’ne Nutte. Und Männer reden halt über Frauen, wenn sie trinken, ist doch so, oder? … Oh … Ach ja … Scheiße, stimmt ja, stimmt ja … Hab total vergessen, dass Insuk deine erste große Liebe war, Großer Bruder, als du noch klein warst. Ah, die erste Liebe, so kostbar, so süß! Okay, ich hör schon auf. Sorry, Großer Bruder. Die erste Liebe ist wirklich was Kostbares, und das muss man respektieren.«

      Huisu stand auf, packte die Wodkaflasche und holte weit aus, als wollte er sie auf Dodaris Schädel niedergehen lassen. Fast im selben Moment sprang Vater Son auf und hielt mit für einen Siebzigjährigen erstaunlicher Kraft Huisus Arm fest.

      »Lass es, Huisu, schlag unseren Dodari nicht! Unser Dodari hatte eine schwere Kindheit, hat so früh seine Mama und seinen Papa verloren! Bitte, schlag unseren Dodari nicht!«, rief er, den Tränen nahe.

      Sturzbetrunken zog Dodari weiter vom Leder und hielt Huisu dabei seinen besoffenen Kopf hin: »Los, komm schon, mach mich fertig! Nicht mal dafür hast du Eier, Mann, hinter ’ner abgehalfterten Schlampe herlaufen, das kannst du, aber sonst auch nichts. Du beschissenes kleines Arschloch machst doch eh immer nur einen auf dicke Hose. Wer bist du eigentlich, dass du mich so verachtest?«

      Dodari hörte und hörte nicht auf. Speichel lief ihm aus dem Mund. Die Flasche in Huisus Hand zitterte. Plötzlich, wie aus dem Nichts, stand Gangcheol hinter ihm, schnappte sich seinen Arm, riss ihn herunter und verdrehte ihn auf Huisus Rücken. Mit der anderen Hand packte er ihn am Genick. Mühsam konnte der verblüffte Huisu den Kopf zu ihm hindrehen. Gangcheol starrte ihn mit Drohmiene an. Doch schon hatte sich Huisu mit einer schnellen Drehbewegung befreit und trat Gangcheol mit voller Wucht in die Kniekehle. Man hörte Knochen knacken, und Gangcheol brach zusammen, worauf Huisu die Flasche, die er immer noch in der Hand hielt, auf seinem Schädel zertrümmerte. Gangcheols armer Kopf und Huisus Hand bluteten los.

      Währenddessen hatte Vater Son seine Arme um Dodari geschlungen, der so betrunken war, dass er den Ernst der Lage immer noch nicht erfasste und weiterlalllte: »Warum krieg ich eigentlich immer alles ab? Scheiße aber auch, ich bin doch nicht der Einzige, der mit ihr geschlafen hat! Alle in Guam haben mit der geschlafen, Manga, Cheolki, Danka und sogar mein eigener Onkel, verdammt! Die ist ’ne richtige Nutte!«

      Vater Son gab ihm eine schallende Ohrfeige. »Was redest du da? Ich habe nie mit Insuk geschlafen, ich doch nicht!«

      Blut tropfte von Huisus Hand auf den Terrassenboden, wo sich eine rote Lache um Gangcheol gebildet hatte. Das Flimmern des Meeres in der Aprilsonne wurde von der Markise der Hotelterrasse reflektiert. Beim Anblick der Landschaft überkam Huisu eine abgrundtiefe Traurigkeit. Er starrte auf seine Hand, zog eine Glasscherbe aus der Wunde und warf sie auf den Boden. Durch den Tumult alarmiert, kam Mau aus dem Hotelfoyer herbeigelaufen.

      »Großer Bruder Huisu, Sie bluten ja wie verrückt, wir müssen sofort die Blutung stoppen!«, rief er aufgeregt.

      »Schon gut, schon gut. Kümmer dich lieber um den Saustall hier und ruf das Krankenhaus an«, erwiderte Huisu mit einem Blick auf den am Boden liegenden Gangcheol.

      »Du solltest wirklich ins Krankenhaus gehen, Huisu«, sagte Vater Son.

      »Es tut mir leid, Chef, ich habe zu viel getrunken.« Respektvoll beugte Huisu den Kopf vor Vater Son.

      »Egal, ist nicht schlimm. Wenn man betrunken ist, macht man Dummheiten, und man prügelt sich … so ist das Leben. Mach dir nichts draus«, winkte Vater Son ab.

      »Ich gehe mal ein bisschen frische Luft schnappen.«

      »Bevor du irgendwo hingehst, fährst du ins Krankenhaus. Wenn du in diesem Zustand noch mehr trinkst, ruinierst du wirklich deine Gesundheit.«

      Huisu nickte noch einmal, als wollte er sagen: Ich habe verstanden.

      Als er sich umdrehte, legte ihm Vater Son sachte eine Hand auf die Schulter. »Noch etwas, Huisu. Auch wenn es vielleicht unpassend ist, jetzt wieder damit anzufangen, aber ich möchte, dass es in dieser Sache keinen Zweifel gibt.«

      »Wovon


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