Haushaltsnahe Dienstleistungen für Familien. Mareike Bröcheler

Haushaltsnahe Dienstleistungen für Familien - Mareike Bröcheler


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Alltag: Haushalts- und sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Arbeit von und in Familienhaushalten

      Die Arbeit des Alltags sowie die Strukturen privater Haushalte, in denen sie stattfindet, sind u. a. durch die Haushaltswissenschaften, Alltagssoziologie, Frauen- und Geschlechterforschung untersucht und definiert worden. In diesem Kapitel gilt es daher, zunächst den Gegenstandsbereich privater Haushalte und Familienhaushalte zu definieren (Kapitel 2.1) und dann die Arbeit des Alltags anhand ausgewählter Theorien konzeptionell zu untermauern (Kapitel 2.2), bevor der Fokus im folgenden Kapitel auf eben jene Arbeiten in Familienhaushalten gelegt wird.

      Abbildung 1: Das Familien- und Haushaltssystem nach von Schweitzer

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      Quelle: Eigene Darstellung nach von Schweitzer 1991: 142

      Je nach Anteil der eigens verrichteten hauswirtschaftlichen Aktivitäten, der „Versorgungs-, Pflege- und Erziehungsleistungen“ (von Schweitzer 1991: 135), sowie im Umkehrschluss je nach Anteil der über den Markt beschafften Güter oder Dienstleistungen, lassen sich unterschiedliche Haushaltsstrukturtypen differenzieren: Selbstversorger-, Dienstleistungs- und Vergabehaushalt. Die meisten heutigen Haushalte industriell geprägter Gesellschaften stellen Formen eines Dienstleistungshaushaltes dar, in dem ein nicht unwesentlicher Teil an Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs (bspw. Lebensmittel, Kleidung, Versicherungen) eingekauft wird (vgl. von Schweitzer 1983, 1991). Zum Zwecke der Daseinsvorsorge sind Privathaushalte zudem in ein Verbundsystem eingebettet, in dem sie durch andere private Haushalte, bedarfswirtschaftliche, personale Versorgungsbetriebe (etwa Heime), erwerbswirtschaftliche Betriebe (etwa Caterer, Wäschereidienste, Haushaltsservice) sowie verschiedenste Institutionen und Organisationen ergänzt werden (vgl. von Schweitzer 1991; Bottler 1997).

      Aus soziologischer Perspektive handelt es sich bei privaten Haushalten auf einer Makroebene zunächst um ein deskriptives Merkmal für statistische Untersuchungen und Auswertungen sozialer Phänomene, während auf der Ebene einer Mikrosoziologie allen voran Kaufmann den Haushalt definiert und eine „Theorie der Haushaltstätigkeit“ (Kaufmann 1999) entwickelt hat (vgl. Thiessen 2004). Im Kern stehen dabei nach Kaufmann die Bemühungen um das Schaffen und Aufrechterhalten von Sauberkeit und Ordnung, da das Sich-Reinigen des Menschen (und seiner Umgebung) in zivilisierten Kulturen sein grundlegendes Handlungsmotiv ist (vgl. Kaufmann 1999). Der Haushalt ist bei Kauffmann daher unmittelbar an die Hausarbeit gebunden.

      In der vorliegenden Arbeit steht mit den Familienhaushalten eine besondere Form privater Haushalte im Fokus, weshalb Familien und deren Haushalte hier zunächst ebenfalls zu beschreiben sind. Die heute oftmals proklamierte „Pluralisierung von Lebensformen“ beschreibt die quantitativen Veränderungen von Haushalts- und Lebensmodellen – ohne und mit Kind(ern). Bei den familialen Lebensformen (d. h. jenen mit Kindern) unterliegt die über weite Teile des 20. Jahrhunderts wahrgenommene Dominanz der ,,Normalfamilie“ (Kernfamilie aus Elternpaar mit biologischen Kindern, meist verheiratet) als Ergebnis von Trennungen, Scheidungen, Wiederverheiratung, steigenden Zahlen von Alleinerziehenden sowie unverheirateten Paaren oder gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften mit Kindern einem Bedeutungsverlust. Die Variabilität familialer Lebensformen spiegelt stets den soziokulturellen Kontext einer Gesellschaft wider und unterliegt natürlicherweise einem steten Wandel. So gab es auch in vorindustriellen Gesellschaften vielfältige Lebensformen, jedoch mit dem Unterschied einer geringeren gesellschaftlichen Anerkennung, etwa von unehelichen oder gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Veränderte rechtliche Rahmenbedingungen, wohlfahrtsstaatliche Neuerungen oder veränderte Wertvorstellungen, Lebensentwürfe und Lebensverläufe (bspw. Bildungsexpansion, Erwerbstätigkeit von Frauen und Müttern) bedingen und ermöglichen diese dynamischen Prozesse gleichermaßen (vgl. Meier 2000; Nave-Herz 2014; Nave-Herz 2015; Krack-Roberg, Rübenach, Sommer et al. 2016).


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