C -Die vielen Leben des Kohlenstoffs. Dag Olav Hessen

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im hedonistischen Sinne, sondern in Form der Möglichkeit, die eigenen Ziele zu verwirklichen).

      Priestley gewann sein CO2 durch Gärung, welche ja an sich auch ein Verbrennungsprozess ist - der finale Schritt der Zellatmung von Hefezellen: Hier werden Zucker und Stärke unter Luftabschluss in CO2 umgewandelt. Darüber hinaus brachte er CO2 jedoch nicht mit Feuer in Verbindung - mit Ausnahme seiner Beobachtung, dass große Mengen CO2 Feuer erstickten.

      Die Bläschen im Bier – und auch in Schweppes-Getränken – werden im Volksmund Kohlensäure genannt, obwohl Kohlenstoff erst dann eine schwache Säure bildet, wenn er sich mit Sauerstoff zu CO2 und dann mit Wasser verbindet.

      Auch beim »Sauerstoff« allein ist es trotz des Namens mit der Säurewirkung nicht weit her. In der Kohlensäure bindet der Kohlenstoff die beiden H-Atome und den Sauerstoff des Wassers zusätzlich zu den beiden Sauerstoff-Atomen, die es im CO2 bereits gab (siehe Abb. 2).

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       Abbildung 2: H 2 CO 3 , wahrscheinlich die häufigste und wichtigste Säure der Welt, wenngleich auch eine der schwächsten.

      Es entsteht ein Gleichgewicht zwischen CO2, Wasser und Kohlensäure: CO2+H2O=H2CO3.

      Sauer reagiert diese Verbindung, weil sie die beiden Wasserstoffatome als Protonen (H+) freisetzen kann – was chemisch gesehen die Haupteigenschaft einer Säure ist.

      C, O und H können unendlich viele Verbindungen eingehen, aber genau diese Reaktion ist die wichtigste, nicht zuletzt für Wasser. Sie liefert den Grund dafür, dass Süßwasser im Gleichgewicht mit dem CO2 in der Luft schwach sauer reagiert. Und sie trägt wesentlich zur Page 34Übersäuerung der Meere bei, da mehr CO2 in der Luft dazu führt, dass auch im Wasser mehr H2CO3 produziert werden kann. Aber dazu kommen wir später noch.

      Zur selben Zeit beobachtete Priestley, dass Pflanzen in einer geschlossenen Kammer und unter Beleuchtung die Luft von CO2 »reinigen« können. Nachdem die Pflanzen ihre Arbeit erledigt hatten, konnte in der Kammer eine Kerze brennen und ein Tier atmen. Auch Priestley unternahm Versuche mit der Erhitzung von Quecksilberoxid und verzeichnete ebenfalls das Freiwerden von Sauerstoff. Er veröffentlichte seine Ergebnisse 1775 und damit offiziell früher als Scheele. Ähnlich wie Scheele konsultierte Priestley den großen Lavoisier, aber ihm genügte ein Brief nicht, er reiste persönlich nach Paris und diskutierte seine Experimente vor Ort mit dem berühmten Page 36französischen Chemiker. Lavoisier hörte interessiert zu und unternahm sofort seine eigenen Versuche. Er verstand, dass Sauerstoff die Essenz des Feuers war. Die Flammen hatten keine mystische oder »essenzielle« Substanz, wie bis dahin angenommen. Er berechnete, dass die Atmosphäre zu 25 Prozent aus Sauerstoff bestand – beeindruckend nah an dem tatsächlichen Anteil von 21 Prozent. Doch hätte Lavoisier nicht großzügiger gegenüber Priestley sein und dessen Errungenschaften anerkennen sollen, ganz zu schweigen von Scheele, der trotz des Briefes aus dem Jahr 1774 nie erwähnt wird?

      Lavoisier behauptete, Scheeles Brief nie erhalten zu haben, obwohl dieser bekannterweise viele Jahre später im Nachlass seiner Frau gefunden wurde.

      Die Geschichte erinnert an den Brief, den Alfred Russell Wallace 80 Jahre später an Darwin schrieb, und von dem zunächst auch niemand Kenntnis gehabt haben wollte. In diesem Brief beschrieb Wallace dem weitaus bekannteren Naturwissenschaftler, der zu jenem Zeitpunkt mit dem Endspurt seines Opus Magnum Die Entstehung der Arten beschäftigt war, seine Evolutionstheorie. In diesem Fall wurde Wallace sein Teil der Ehre zuerkannt, aber es bestand auch keinerlei Zweifel daran, dass auch Darwin seit mehreren Jahren Indizien für dieselbe Theorie gesammelt hatte.

      Dennoch muss man Lavoisier zugutehalten, dass er unbestritten einer der Größten der Chemie war. Mit beeindruckendem Überblick listete er die Elemente auf, die die Bausteine aller Natur sind, und entdeckte im Gegensatz zu Scheele und Priestley, dass sich beim Ver brennungsprozess tatsächlich Sauerstoff mit Kohlen stoff verband, sodass, wenn CO2 in die Rechnung mit einbezogen wurde, eine Gewichtszunahme bei dem Reak tionsprodukt (dem Verbrannten) zu beobachten war, und keine Abnahme. 1789 – im Jahr der Revolution – veröffentliche Lavoisier sein revolutionäres Chemiebuch. Er war zwar ein Visionär der Page 37Chemie, doch leider nicht der Politik. Er unterstützte das machthabende Regiment, lehnte allerdings das Angebot ab, Finanzminister König Ludwigs des XVI. zu werden. Trotzdem wurde er vom Sog der Revolution mitgerissen und am 5. Mai 1794, wie so viele andere, Opfer der Guillotine. Einer von Lavoisiers Zeitgenossen, der Mathematiker Joseph-Louis Lagrange, wohnte der Hinrichtung bei und bemerkte hinterher lakonisch, es habe nur einen Moment gedauert, seinen Kopf abzuschlagen, doch es werde sicher ein Jahrhundert oder mehr dauern, einen solchen zu erschaffen. Auch Scheele war kein langes Leben vergönnt, er starb im Jahre 1786, gerade einmal 43 Jahre alt, an einer Quecksilbervergiftung und wurde damit ein Opfer seiner eigenen Forschung.

      Priestley hingegen musste für seine Unterstützung der Revolution büßen, obwohl er auf der anderen Seite des Kanals lebte. Seine Argumente für Wissenschaft und Rationalität waren für viele starker Tobak, insbesondere weil er Theologe war, und er zog dadurch den Zorn des Bauernstandes auf sich. Als er auch noch seine Unterstützung der Französischen Revolution kundtat, lief das Fass über. Trotz seiner wissenschaftlichen Verdienste musste er 1791 in die USA fliehen, nachdem ein erzürnter Mob seine Kirche und sein Haus in Brand gesetzt hatte. Das Schicksal meinte es nicht gut mit dem Dreigespann, das das CO2 entdeckt


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