Plötzlich Prinzgemahl. Regina Mars

Plötzlich Prinzgemahl - Regina Mars


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das«, befahl sie Nat. Der packte die dicke Kerze, die sie vorhin gestohlen hatten, und hielt ihre Flamme so nah an den ersten Goldleuchter, wie er konnte. Gwenna setzte die Zange an den winzigen Nagel und wackelte ihn heraus. Blitzschnell. Sekunden später riss sie das Ding von der Wand und hetzte zum nächsten.

      »Schneller«, befahl sie.

      Nat beeilte sich, trotz des verdammten Korsetts hinterherzukommen. Es bestand wenig Gefahr, dass eine der Wachen sich hierher verirren würde. Die waren mit dem Ball beschäftigt. Aber falls doch … Die Zofe hatte diese Beute ausgemacht, weil hier auch an normalen Tagen nur zweimal täglich patrouilliert wurde.

      Die Leuchter wirkten armselig im Vergleich zu dem, was Nat auf dem Weg hierher gesehen hatte. Alleine das Gold in den Deckentafeln des Thronsaals musste Millionen wert sein. Aber es galt, vorsichtig zu sein. Besser eine halbe Million und lebend davonkommen als unglaublicher Reichtum und die Todesstrafe.

      Der Schmied würde die Leuchter einschmelzen, zu Goldmünzen verarbeiten und Gwenna und er würden ausgesorgt haben. Sie würden sich ein Haus kaufen. Ein richtiges Stadthaus, und sie würden nie wieder in das winzige Zimmer zurückkehren, in dem sie mehr hausten als lebten.

      Sie huschten von Leuchter zu Leuchter. Gwenna benutzte die Zange und Nat hielt die Kerze. Kurze Zeit später waren sie am letzten Leuchter angekommen.

      Nat sah sich um. Schwärze weit und breit, nur ihre Lampe …

      Verdammt. Am Ende des Gangs wurde es plötzlich minimal heller. Flackerndes Licht leckte an der mit Seide bespannten Ecke …

      Nat pustete die Kerze aus und hielt gleichzeitig Gwenna den Mund zu, die protestieren wollte. Zum Glück kapierte seine Schwester schnell. Stumm presste sie sich neben ihm an die Wand des dunklen Gangs. Leider war er nicht mehr ganz so dunkel wie vorhin.

      Da hinten näherte sich tatsächlich etwa Helles. Leise Schritte, verhalten, als würde jemand sich Mühe geben, jeden Laut zu vermeiden. Nat brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass es sich um zwei Paar Füße handelte, die fast unhörbare Geräusche auf dem Teppich machten. Es wurde heller. Wer auch immer den Hauptgang entlangging, würde bald ihren kleinen Seitengang kreuzen. Stück für Stück schälte sich das Rot der Wände aus der Finsternis. Die leeren Stellen, an denen die Leuchter hätten sein müssen. Das Licht kam immer näher …

      Erst, als es bereits einen Zipfel von Nats langem Kleid erhellte, blieb es stehen. Nat spürte seinen eigenen Herzschlag in seinem Ohr pochen. Spürte Gwennas warmen Arm an seinem. Ihre feuchte Hand schob sich in seine. So hatten sie früher gestanden, wenn ihre Mutter …

      »Schnell, mein Herr«, flüsterte eine weibliche Stimme. »Beeilt Euch.«

      Fast wie Gwenna vorhin. Es kam ihm vor wie eine Zeitverschiebung, als würden sie beide gleich wieder um die Ecke biegen und anfangen, die Leuchter abzumontieren … nur, dass die Geräusche, die von drüben erklangen, eindeutig nicht von einem Geschwisterpaar stammten. Hoffentlich.

      Stoff raschelte. Viel Stoff. Wohl ein Rock, der hochgeschoben wurde. Unterdrücktes Stöhnen. Und dann das immer schneller werdende Klatschen von Haut auf Haut.

      Trotz ihrer brenzligen Lage musste er grinsen. Und er wusste, dass Gwenna nur mit Mühe ein Kichern zurückhielt. Dem Himmel und den Lüften sei Dank. Keine Wachen. Nur ein Paar, das eine ruhige Ecke für sein geheimes Stelldichein gesucht hatte. Ein sehr schnelles Stelldichein. Schon hörten sie ein tiefes Keuchen und dann … Stille. Gefolgt von hastigem Kleiderrascheln und noch hastigeren Schritten. Das Licht verließ den Gang und sie standen im Dunkel.

      »Schnellschießer«, flüsterte Nat. Gwenna kicherte leise.

      Sie holten den letzten Leuchter von der Wand, knoteten die Beute unter ihren Röcken fest und waren schon wieder auf dem Weg zurück. Zum Ballsaal. Durch stufenweise heller werdende Gänge schlichen sie an Wachen vorbei, bis das Geräusch der Gespräche und der klirrenden Gläser lauter wurde. Dann strafften sie die Schultern, hoben die Köpfe und stolzierten die Flure entlang, als hätten sie schon immer hierher gehört. Keine der Wachen, die nun an jeder Tür standen, schenkte ihnen einen zweiten Blick.

      »Wir sollten gleich abhauen«, sagte Gwenna leise, als sie schon fast im Saal waren. »Tun wir so, als wäre dir schlecht und du wolltest heim.«

      »Aber es gibt bald Essen.« Nat grinste. »Lass uns wenigstens noch ein paar Taubeneier futtern.«

      »Na gut. Aber höchstens drei.«

      Jetzt, wo das Schlimmste überstanden war, wirkte sie ruhig und gelassen. Nat war stolz auf seine große Schwester. Sie hielt sich so würdevoll und elegant wie jedes der adligen Mädels, die um den Trottel von einem Prinzen herumgestanden hatten.

      Der war auch noch da. Strahlend schön und blöd wie zuvor suhlte er sich in der Bewunderung seiner Verehrerinnen, als sie den Saal betraten. Nat war vorhin so aufgeregt gewesen, dass er nicht alles wahrgenommen hatte. Dabei hatte er noch nie so einen gigantischen Saal gesehen. Nie so einen reich geschmückten mit dermaßen vielen Leuten. Selbst in die Hahnenkampfarena in der Altstadt passten nicht so viele Menschen. Und trotzdem stach dieser Prinzenidiot aus der Menge heraus wie eine Mohnblume aus einem Kornfeld.

      Nat gönnte sich einen letzten Blick auf dessen hübsches Gesicht. Aus der Ferne konnte er seine Augenfarbe nicht erkennen, aber er hatte vorhin gesehen, dass sie blau waren, wie diese kleinen Blumen, die auf der Stadtmauer …

      Mist, der Kerl schaute ihn direkt an. Wenn der noch eine blöde Bemerkung machte, würde Nat … die Klappe halten und weiter gehen. So dumm war er nicht, dass er sich nochmal mit dem anlegen würde. Eigentlich wäre es ganz gut, doch direkt abzuhauen. Irgendwie war ihm unwohl. Es fühlte sich an, als würden unzählige Bienen über seine Haut krabbeln und er wusste nicht, warum.

      »Verschwinden wir«, flüsterte er Gwenna zu. Mist, die Menge umschloss sie schon wieder. Eingezwängt zwischen gepuderten Protzköpfen, würde es ewig dauern, die Kutsche zu erreichen. Parfüm- und Schweißgeruch stiegen ihm in die Nase.

      »Er schaut dich an«, zischte Gwenna ihm zu. Ihre Wangen schienen gerötet unter der ganzen Schminke. »Wieso?«

      »Weiß ich doch nicht.« Nat drehte dem fiesen Kerl den Rücken zu. Gwennas Gesicht nahm einen leicht panischen Ausdruck an. »Was ist? Was macht er jetzt?«

      »Er kommt auf uns zu!« Ihre Augen waren schreckgeweitet.

      »Was?« Nat traute sich nicht, sich umzudrehen. Er spürte das Gewicht der gestohlenen Leuchter unter dem Rock. Spürte die Panik in seinem Bauch. Sah Gwennas geliebtes Gesicht. Sie war ihm so, so wichtig, auch wenn er ihr das nie gesagt hätte, weil sie ihn bis ans Ende seines Lebens damit aufgezogen hätte …

      Er packte ihre Arme.

      »Wir müssen uns trennen. Und falls du als Erste an der Kutsche bist, dann: Fliegt los.«

      »Aber …« Sie biss sich auf die Lippen. Schien protestieren zu wollen, tat es aber doch nicht. »Na gut. Ich … Wir schaffen das, Nat.«

      Schon hatte sie ihre Röcke gerafft und war losgehastet. Sie verschwand im Meer der Gepuderten. Ein Kloß wanderte Nats Hals hoch, noch während er ebenfalls sein Kleid packte und sich umwandte.

      Und direkt vor dem Prinzen stand.

      Ein überschwängliches Strahlen zauberte Grübchen in dessen Wangen. Seine Augen brannten auf Nat nieder und er öffnete die Arme.

      »Meine Geliebte!«, rief er.

      Was?

      6. Hochzeitsglocken

      Solan wusste auch nicht, warum er sich umentschieden hatte. Warum er beschlossen hatte, dass Doraliy mit den wilden Augen die Richtige für sein Vorhaben war. Bauchgefühl. Intuition. Und schließlich war er ein Genie, also hatte er garantiert recht.

      Kaum war er zurück in den Saal getreten, hatte er nach ihr gesucht. Aber gefunden hatte er nur seine lästigen Verehrerinnen. Beziehungsweise sie ihn. Sie klebten an ihm wie Lindwurmeier an einem Felsen.

      »Wir


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