Das Ding – Der Tag, an dem ich Donald Trump bestahl. Jurgen Neffe

Das Ding – Der Tag, an dem ich Donald Trump bestahl - Jurgen  Neffe


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      Jeder, der einmal in einer ähnlichen Lage war, wird meine Ratlosigkeit verstehen. Sosehr ich mein Gehirn unter Druck setze, es verweigert mir jeglichen Hinweis, wie ich dem Vernehmungsbeamten gerecht werden könnte. Also setze ich meine Schilderung fort, als sei nichts gewesen.

      »Ich zeigte auf ein ganz und gar nicht prächtiges, mit tonrotem Klinker verkleidetes Hochhaus, drei Blocks entfernt, und sagte: ›Ich habe auch einen ganz ordentlichen Ausblick.‹ Trump kannte das Gebäude, ersparte sich aber Kommentare zu dessen Qualität. Dort läge meine Wohnung, fügte ich an, im zweiundvierzigsten Stock, fast auf Augenhöhe mit seiner. Darüber nur Sauna, Fitnessraum und ein Indoor-Pool mit Sonnenterrasse im Außenbereich. Sobald er das vernahm, stieg ich spürbar in seinem Ansehen.«

      »Allmählich langweilen Sie mich«, fällt mir Bob ins Wort. »Haben Sie nichts Wesentliches mitzuteilen?« Mir ist danach zumute, zu schweigen, doch schließlich gebe ich mir einen Ruck:

      »Er war längst wieder bei seinem Lieblingsthema und pries minutenlang die unschlagbaren Vorzüge und einzigartige Innengestaltung seines dreistöckigen Penthouse an …« – »Sie reden jetzt vom Trump Tower, richtig?« – »Absolut. Angeregt durch seine Beschreibungen fragte ich ihn, ob er mir seine Wohnung dort nicht auch einmal zeigen könnte. ›Eine glänzende Idee‹, gab er zurück, ›wir müssen nur vorher ein wenig aufräumen.‹ Humor hat er also auch. Dachte ich damals. Man kann sich bei ihm aber nie sicher sein, ob er etwas ernst meint oder sich nur einen Spaß erlaubt.«

      Mein Gegenüber beugt sich vor. »Ich hoffe, Sie erlauben sich keinen Scherz mit mir. Da kann ich ziemlich humorlos werden.« – »Im Gegenteil. Er sagte noch, normalerweise zeige er seine Wohnung nur Monarchen, Regierungschefs, Stars und Champions. Alle seien sich einig, das sei die großartigste Wohnung in New York, vielleicht sogar auf der ganzen Welt.« – »Das haben Sie doch jetzt erfunden. Warum sollte er ausgerechnet Ihnen Zugang zu seinen Privaträumen gewähren?«

      Ich lasse ihn mit seiner Frage allein. Er verlangt die Wahrheit, aber wenn er sie hört, hält er sie für eine Lüge. Sobald ich aber lüge, nimmt er mir das als Wahrheit ab. Ich schaue ihn an, er sieht an mir vorbei, als erwarte er erst gar keine Antwort. Der Sekundenzeiger seiner Armbanduhr gibt mehr über ihn preis als sein versteinertes Pokergesicht.

      Bob ist ohnehin gerade nicht bei der Sache. Er lässt sich von einer Stubenfliege ablenken, die es irgendwie in diese hermetische Welt geschafft hat. Sie umschwirrt uns, das ungleiche Paar am Vernehmungstisch. Ihr auf und ab schwellendes Summen legt sich wie das Motorengeräusch kreisender Kampfflieger in alten Kriegsfilmen über das Rauschen aus den Lüftungsschlitzen.

      Das Tier landet auf meiner Hand. Wahrscheinlich das einzige Wesen in diesem Raum, das seine Entscheidungen selbstständig trifft. Es trippelt bis zu meiner Daumenspitze vor. Ich spüre das Kitzeln auf der Haut und lasse es gewähren. Delaney wird unruhig. Unsere Blicke treffen sich. Sein Mienenspiel bekommt etwas Dringliches. Zuschlagen!, befiehlt es.

      Ich denke gar nicht daran. Schon steigt die Fliege wieder auf und saust durch die Lüfte, als genieße sie ihre Unabhängigkeit. Dann macht sie den Fehler ihres Lebens. Sie landet auf der Tischplatte vor Bob und geht spazieren. Er bringt seine Hand in Stellung. Das Opfer hat sich nichts vorzuwerfen. Es bemerkt nur zu spät, dass ihm gleich der Himmel auf den Kopf fallen wird. Es hebt zwar noch ab. Einen Wimpernschlag später ist es platt. So findet sein Eintagsfliegenleben ein jähes Ende.

      Ein sicherer Jäger, das muss ich dem Officer lassen. Per Rückhand wischt er die kleine Leiche mit ausladendem Schwung vom Tisch. Sein Ausdruck des Triumphes, daran lässt er keinen Zweifel, soll mir als Warnung dienen.

      Das Telefon läutet. Der Beamte nimmt ab, drückt den Hörer fest auf seine Ohrmuschel. Er sagt »Ja« und noch mal »Ja«, legt auf und dann, an mich gerichtet: »Das Treffen im Trump International am Columbus Circle fand am Nachmittag des 12. Februar 1997 statt, korrekt?« – »Da wissen Sie mehr als ich. Wer merkt sich schon solche Daten?« – »Wir.«

      Mir ist, als hätte sich in mir ein Federbett aufgeschüttelt, und nun schwebten die Flocken zu Boden. »Ja richtig, es war ein Nachmittag.« Ich schließe wieder die Augen. »Wir fuhren mit dem Fahrstuhl in die Lobby zurück. Dort zog er alle Blicke auf sich. Wildfremde Menschen riefen seinen Namen. Ein einziges Nicken und Winken und Hallo. Ein paar Angestellte formten eine Reihe, um uns zu verabschieden.« Bob runzelt die Stirn.

      Ich: »Er schaute mich mit seinen blitzblauen Augen geradeheraus an.« – Bob: »Ja, das kann er« – Ich: »›Sie gefallen mir‹, sagte er. ›Ich werde Ihnen auch meine anderen Häuser in New York zeigen, die besten, schönsten und luxuriösesten der ganzen Stadt.«

      »Und?« Das Grinsen des Beamten lässt nur eine Deutung zu: Er nimmt mich nicht ernst. »Ich war mir gerade nicht sicher, ob ich so viel Zeit mit einem Selbstdarsteller verbringen wollte, der nur über sich und seine einzigartigen Errungenschaften reden konnte.« – »Wissen Sie was? Das Gleiche habe ich gerade über Sie gedacht.«

       3 KÖNIG VON NEW YORK

      Seine Häuser hatte ich vorher, bei unserem ersten Zusammentreffen, schon einmal versammelt gesehen, ohne sie allerdings entsprechend zu würdigen. Sie rahmten, als Dekoration aus Sperrholz oder Hartpappe, seine Geburtstagstorte.

      Ich wurde Zeuge, wie er mit prallen Backen fünf schlanke, weiße Kerzen ausblies. Dabei beugte er sich über eine ausgestanzte Superman-Figur, der man seinen Kopf aufgesetzt hatte. Auf die Brust war statt des gerahmten »S« ein rotes Dollarzeichen auf den gelben Grund gemalt.

      Der Jubilar trug zu seinem Fünfzigsten einen auffällig dunkelblauen Anzug, vermutlich wie üblich von Brioni, dazu eine rotschwarz gestreifte Krawatte auf weißem Hemd. Blendend sah er aus, und so schien es ihm auch zu gehen. Er hatte auch allen Grund zur guten Laune. Vor Kurzem hatte er es nach sechsjähriger Verbannung wieder auf die Forbes-Liste der reichsten Amerikaner geschafft.

      Ich verglich ihn mit dem Dreijährigen, dessen Foto auf die Einladungskarte gedruckt war. Schon damals der breite Schädel, am bulligsten unterm Dach, das sein entschlossenes Gesicht fast klein erscheinen ließ. Darüber das gescheitelte Blond, mittig noch beim Kind mit seinen zarten Zügen, in die ein hartes Mienenspiel im Laufe der Jahrzehnte die bekannten Formen und Falten eingeschrieben hat. Die engelhaft aufgeschwungenen Brauen, in jenen Tagen schon buschig, aber noch nicht ins Bedrohliche von heute verfinstert. Und dann die Augen, denen das Leben über die Zeit jeden Ausdruck von Arglosigkeit ausgetrieben hat. Ich sah, wie aus einem weichen, dicklippigen Bubenmäulchen ein ironisch frech verspielter, harter, angriffslustiger Mund werden kann.

      Die Einladung hatte ich bei meinem Dienstantritt unter Dutzenden anderen vorgefunden. Sie war ursprünglich an meinen Vorgänger adressiert. Sein Name war durchgestrichen und meiner per Hand darübergesetzt. Sie war also nicht an mich persönlich gerichtet, sondern an meine Funktion.

      Korrespondenten bedeutender Blätter können täglich zwischen etlichen Möglichkeiten wählen, ihre Abende mit fremden Menschen zu verbringen, indem sie die Veranstaltungen bekannter Menschen besuchen. Meine Büromanagerin und ihre Mitarbeiterinnen, erfahren im New Yorker Event-Geschäft, waren sich einig, der Geburtstag sei der attraktivste Termin an diesem Abend.

      Dort habe ich dann viel über die Stadt und jene Sorte ihrer Bewohner gelernt, die auf solchen Einladungslisten stehen. Und über die unerbittlichen Regeln, die das gesellschaftliche Leben im örtlichen Establishment fast so streng bestimmen wie die Etikette im achtzehnten Jahrhundert.

      Meine Begleiterin trug ein helles wehendes Sommerkleid, sie sah bezaubernd aus. Frauen genießen an solchen Abenden bei der Garderobe einen unschätzbaren Vorteil, gemessen an der strengen Kleiderordnung für Männer. Ich hatte mich für den schwarzen Zweiteiler aus gekämmter Baumwolle entschieden. Meine handgefertigten Schuhe aus poliertem schwarzem Leder trage ich zu solchen Anlässen seit meiner Zeit in London, wo sie zur Grundausstattung des Gentleman gehören.

      Ich band meine weinrote Fliege, die sich bestens mit dem gestärkten Kragen meines blütenrein weißen Hemdes vertrug. Im Spiegel sah ich einen Mann, den man problemlos auf die


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