Das Ding – Der Tag, an dem ich Donald Trump bestahl. Jurgen Neffe

Das Ding – Der Tag, an dem ich Donald Trump bestahl - Jurgen  Neffe


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ohne Knechte.

      Während einer abendlichen Fahrt auf der Fähre von Staten Island zurück nach Manhattan hatte ich mich beim Anblick der beleuchteten Statue mit der goldenen Fackel aus ganz profaner Neugier gefragt, wer eigentlich für das Licht der Lady zuständig war. Tags drauf rief ich beim National Park Service an. Die Pressedame am anderen Ende nannte mir einen Namen. Ich erkundigte mich, ob ich den Mann einmal treffen könnte.

      Damit nahm eine Entwicklung ihren Lauf, die mein Bild von New York und Amerika vom Kopf auf die Füße stellte. In ihrem Zentrum stand das Verhältnis dreier Männer, die einander wie Sonne, Mond und Erde umkreisten, ohne sich je näher zu kommen, als es die Gesetze der Schwerkraft zwischen Menschen erlaubten: Donald, Charlie und dazwischen meine Wenigkeit.

      »Charlie wie?«, fragte ich nach. Ich hatte den Namen vorher noch nie gehört und ließ ihn mir buchstabieren. »DeLeo«, sagte die Frau und fragte erstaunt zurück: »Den kennen Sie nicht?« Ich verneinte. »Dann müssen Sie ihn unbedingt kennenlernen. Er weiß mehr über Liberty als wir alle zusammen.« Außerdem sei er eine Berühmtheit, weit über die Grenzen New Yorks bekannt.

      Ihn im Internet zu finden war seinerzeit allenfalls ein paar Insidern vorbehalten. Suchmaschinen lagen noch so weit in der Zukunft, dass wir allein schon mit dem Wort nichts hätten anfangen können. Erst die Kollegen aus der Hamburger Dokumentation entdeckten ihn in ihrem verschlagworteten Pressearchiv.

      Charlie war tatsächlich eine kleine Berühmtheit in New York und ein wenig sogar darüber hinaus. Kein A-Promi wie Trump. Eher C oder noch weiter hinten im Alphabet. Aber schon öfter in der Zeitung und ein paarmal sogar im Fernsehen gewesen. Seine Geschichte las sich wie der Gegenentwurf zum American Dream der Tellerwäscher, die sich zu Millionären emporgearbeitet haben sollen.

      Diesen Traum haben sich ohnehin wohl nur irgendwelche Werbefritzen einfallen lassen, um ihn den kleinen Leuten als Ansporn vor die Nase zu halten wie dem Hund die berüchtigte Wurst. Ich habe mir einmal hundert zufällig ausgewählte Kurzbiografien amerikanischer Multimillionäre schicken lassen. Nicht einer hatte je in der Hitze enger Restaurantküchen Geschirr abgewaschen.

      Charlie gehörte zu den Leuten, die von Berühmtheit träumen, ohne dabei an Reichtum zu denken. Dennoch waren gewisse Parallelen zwischen seinem und dem Lebenslauf des Immobilienunternehmers unübersehbar. Auch Charlie hatte sich, wie The Donald, seine eigene Marke geschaffen. Allerdings nicht unter seinem Namen, sondern im Namen einer Funktion, die es offiziell nicht gab. Instinktiv hatte er die Regeln des Ruhms verinnerlicht und den Medien einen jener Begriffe geliefert, nach denen sie ständig gieren.

      Zu seiner Jobbeschreibung beim Park Service, so las ich, gehörte es, neben dem Sauberhalten der Gehwege und Rasenflächen die Glühbirnen in der Krone und um die Fackel der Lady zu überprüfen und gegebenenfalls zu erneuern. Das brachte ihn eines Tages auf eine Idee mit Folgen für sein gesamtes weiteres Leben: Er begann, sich »Keeper of the Flame« zu nennen.

      Ein Geniestreich der Selbstvermarktung, wie sie auch der Tycoon in seinem Turm so unvergleichlich beherrschte. Die Presse wurde auf den »Hüter der Flamme« aufmerksam. Damit begann Charlies Märchen, das meiner Geschichte über Trump das nötige Gegengewicht verleihen sollte.

       5 NACH WASHINGTON

      Keine zwei Wochen nach der Sause im Trump Tower stellte mir mein Vorzimmer ein Gespräch von dort durch. Ich entschuldigte mich bei der Anruferin, bislang noch nicht auf das freundliche Angebot ihres Chefs eingegangen zu sein. Der Stress mit dem Einrichten der Wohnung, wissen Sie, Kontoeröffnung, Behördengänge, Sozialversicherungsnummer und jede Menge Akkreditierungen. Das alles hätte mich noch voll im Griff.

      Ich sagte nicht, dass ich bereits mit Arbeit eingedeckt war, mit Verve für meine ersten Artikel recherchierte und mir das Projekt Trump für ruhigere Zeiten aufbewahrt hatte. Dieses Thema, wenn es denn eines wäre, war zeitlos. Der mögliche Protagonist eines Porträts würde mir sicher auch nicht davonlaufen.

      Die burschikose Frauenstimme, sie hatte sich mit ihrem vollständigen Namen und dem Zusatz »Trump Organisation« gemeldet, zerstreute meine Skrupel. Sie kenne das von ihrem Boss, der immer gleichzeitig mit vielen Dingen beschäftigt sei. Die Zusammenarbeit mit der Presse liege ihm jedoch sehr am Herzen. Deshalb habe er sie gebeten, einen Zeitpunkt zu vereinbaren, ihn in seinem Büro für ein erstes Vieraugengespräch aufzusuchen.

      Sie schlug mehrere Tage und Uhrzeiten vor, ich ging meinen Kalender durch, wir fanden einen gemeinsamen Termin ungefähr vier Wochen später. Sie blieb auch freundlich, als ich die Vereinbarung dann kurzfristig verschieben musste. Mir war etwas dazwischengekommen, was sich andere Berichterstatter so bald nach ihrer Ankunft am Einsatzort vielleicht wünschen. Mir bereitete es vor allem Stress.

      Zwei Tage vor Eröffnung der Olympischen Spiele in Atlanta, ich war in meiner sechsten Woche, ging eine Schreckensnachricht um die Welt. Ein Jumbojet der Fluggesellschaft TWA war kurz nach dem Start vom Kennedy-Airport in gut tausend Meter Höhe explodiert. Zweihundertdreißig Menschen verloren ihr Leben, darunter hundertzweiundvierzig Amerikaner.

      Als einziger Journalist unseres Blattes vor Ort, ohne jede Erfahrung mit derartigen Situationen, musste ich reagieren. Ich begab mich per Taxi in die Nähe der Unglücksstelle an der Küste vor Long Island, wo ersten Berichten zufolge Trümmerteile, Gepäckstücke und Leichen im Meer trieben.

      Dort traf ich auf einen Pulk von Pressevertretern, die einen Anwohner namens O’Reilly umringten. Der Bootsbesitzer habe, so hörte ich von den Kollegen, als Erster die Absturzstelle erreicht. Um ihn herrschte ein einziges Gedränge. Fernsehkameras waren eingeschaltet, Aufnahmegeräte wurden hochgehalten, Fotografen setzten ihn wie einen Prominenten dem stroboskopischen Feuer ihrer Blitzlichter aus. Unversehens war der Mann, der die Aufmerksamkeit genoss, in die Rolle eines Augenzeugen gerutscht, obwohl er erst Stunden nach dem Absturz eingetroffen war. Wir hatten ja sonst keinen. Er erzählte ein ums andere Mal die gleiche, seine einzige Geschichte mit immer neuen Ausschmückungen. Ob sie stimmte, wusste nur er. Er sei einer der Ersten gewesen, der mit seinem Boot die Absturzstelle erreicht hatte, eine halbe Stunde von der Küstenwachtstation East Moriches entfernt.

      »Ich dachte, ich könnte noch jemanden retten«, sagte der Mann. Die Hoffnung erlosch, als er die Flammen aus brennendem Kerosin erblickte, die von der spiegelglatten Meeresoberfläche meterhoch ausschlugen. Hilflos musste er zusehen, wie Leichen ins Feuer trieben. Er schaffte es gerade noch, eine tote Frau aus dem Wasser zu ziehen.

      Ich hielt die O-Töne fest, erkannte aber, dass ich hier die nötigen Informationen für meinen Bericht nie zusammenbekommen würde. Am Freitagmorgen musste ich einen Text in meine Redaktion kabeln. Wir hatten Mittwochnachmittag.

      Also fuhr ich auf schnellstem Weg zurück in mein Büro und schaltete die Live-Übertragung ein. Jede Anstalt hatte andere Quellen, aber alle zeigten O’Reilly. Meine Mitarbeiterinnen sammelten und sortierten, was aus den Nachrichtentickern kam. Eine hörte Radio und stenografierte mit. Der Druck nahm zu und mit ihm der Berg an neuen, teils widersprüchlichen Informationen auf meinem Schreibtisch. Minütlich kamen neue hinzu.

      Ich hatte für die nächsten Tage eigentlich andere wichtige Termine im Kalender. Am kommenden Nachmittag sollte ich im Trump Tower dessen Eigentümer treffen. Die Dame mit der festen Stimme zeigte angesichts der Ereignisse Verständnis für meine Bitte um Verschiebung. Am Freitagvormittag hatte ich eine Verabredung, die ich weder absagen wollte noch konnte – ein Treffen mit Präsident Clinton im Weißen Haus.

      Als in der Nacht die Nachrichtenflut endlich etwas abebbte, ging ich heim, um ein wenig Ruhe zu finden. Am Donnerstagmorgen, zurück im Büro, sah ich mich erneut von einer gewaltigen Welle an Nachrichten und Neuigkeiten überrollt. Alle Gazetten hatten den Absturz auf der Titelseite, kein Blatt widerstand der Verlockung, über einen Anschlag zu spekulieren, jedes hatte andere Sachverhalte zusammengetragen.

      Mehrere Augenzeugen hatten berichtet, zur fraglichen Zeit am Himmel über Long Island einen Feuerschweif gesehen zu haben. Das sprach für die These eines Abschusses durch eine Rakete. Keine der Radarmessstationen hatte jedoch eine solche Flugbewegung registriert.

      Ich versuchte,


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