Das Ding – Der Tag, an dem ich Donald Trump bestahl. Jurgen Neffe

Das Ding – Der Tag, an dem ich Donald Trump bestahl - Jurgen  Neffe


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      Die beiden Söhne aus erster Ehe, einer diesseits, der andere jenseits der Pubertät, schienen mit ihren blauen Anzügen und auffälligen Krawatten dem Daddy nacheifern zu wollen. Der ältere hört nach seinem Vater auf den Namen Donald, der jüngere heißt Eric. Die fünfzehnjährige Tochter, damals noch ziemlich pausbackig, trägt als erstgeborenes Mädchen den Namen ihrer geschiedenen Mutter Ivana, in der verniedlichten Form Ivanka.

      Die drei machten den Eindruck, fast körperlich fassbar, dass sie den Patriarchen gleichermaßen achteten wie fürchteten. Seine Geburtstagsfeier schienen sie als Prüfung zu verstehen. Immer wieder sah ich sie zu ihm hinüberblicken, als suchten sie in seiner Körpersprache das Lob. Wenn sie es entdeckten, und sei es nur in einem knappen Kopfnicken, übertrug sich ihre Entspannung unwillkürlich aufs Publikum.

      Mühelos beherrschte der Jubilar die Szenerie wie ein Fixstern, um den sich alles dreht. Bereitwillig nutzte er jede Gelegenheit, mit Gästen für die Fotografen zu posieren. Neben ihm wirkte jeder irgendwie klein und zweitrangig. Selbst Leute wie sein Unternehmerfreund George Steinbrenner, Besitzer der New York Yankees, des legendären Baseballteams, schienen zu schrumpfen.

      Unter den Gästen befand sich auch ein alter Mann, der ein wenig verloren wirkte, oft ganz allein herumstand oder von einem Stuhl aus dem Geschehen folgte. Es war Trumps Vater Fred. Der Sohn zeigte allem Anschein nach kein ausgesprochenes Interesse, seinen Erzeuger in den Mittelpunkt zu rücken oder mit ihm abgelichtet zu werden.

      Die Lieblingsspeise des Geburtstagskindes, Fleischbällchen nach schwedischer Art, war bereits restlos verzehrt, als ein langer Tisch in den Saal geschoben wurde. Darauf verbarg sich unter einem feuchtweißen Tuch ein prall gehäuftes Etwas, auf dem präzise eingehaltenen Zeitplan als »Höhepunkt des Buffets« angekündigt.

      Da griff ein Dutzend weißer Handschuhe das Laken und hob es über den Gipfel des Haufens hinweg. Was sahen wir? Langusten satt. Wie auf einen Kasernenpfiff nahm die erlauchte Gästeschar von allen Seiten Kurs auf die Tafel. Im Nu war sie vollständig umstellt, die vordersten Reihen hart bedrängt von den Nachrückenden.

      Überreste der Meerestiere flogen im Bogen aus der Menschentraube nach draußen und lagen verstreut auf dem Boden. Die ersten Satten machten Nachrückern Platz. Das ging eine Weile so. Plötzlich verlief sich die Versammlung und machte den Blick frei auf einen vollkommen leer gefegten Tisch.

      Noch einmal erhob der Gastgeber das Glas, und die Umstehenden taten es ihm nach. Nur dass in seinem Kelch kein Champagner perlte, sondern gefärbtes Sprudelwasser. Der Mann, hatte ich mir sagen lassen, trank nie Alkohol. Er rauchte auch nicht, und statt Kaffee trank er jeden Tag literweise Diet Coke. Dazu Snacks und Fast Food in jeder Form und großer Menge.

      Wie trinkfreudig war dagegen seine angeheiratete Verwandtschaft aus den Südstaaten. Wir trafen auf die muntere Truppe im Souterrain des Gebäudes. Erst auf dem Weg nach unten wurde uns klar, dass wir von der Götzenkomödie dieser Party bislang nur das inszenierte Paradies vor Augen gehabt hatten. Ein Himmelreich der Hypokrisie, wo die Schönen und Reichen und Wichtigen eine Show bedienten, in der jeder seine Rolle zu spielen wusste.

      Ich gehöre zu den Leuten, die auf ein Leben im Reich Gottes pfeifen, solange die irdische Hölle so viel Lebendigkeit zu bieten hat wie an den Tischen der Verwandtschaft aus Georgia. Nach der perfekt inszenierten Herrlichkeit großbürgerlichen Spießertums im goldverliebten Atrium war ich gerne bereit, ihnen ihren provinziellen Stammtischgeist nachzusehen.

      Keiner trug die oben angesagte Kluft. Stattdessen wurde man dem noblen Anlass mit Hüten gerecht, ausladend und oft schreiend bunt bei den Damen, auffallend breite Krempen bei den Herren, die ihre Kopfbedeckung auch bei Tisch nicht abnahmen. Ihren Südstaatenstolz unterstrichen sie mit grellen Krawatten, hellen Farmeranzügen und blank gewienerten, oft reich verzierten Cowboystiefeln.

      Die Kleider der Frauen, nicht eine in Schwarz oder Weiß, betonten die Üppigkeit ihrer Formen, statt sie zu überspielen. Wären sie mit der Rolltreppe in die Oberwelt gefahren, wäre sicher ein Raunen durch die versammelten Charaktermasken gegangen, die ihre figürlichen Makel mittels eines erheblichen Aufwands an ausgleichender Garderobe zu verbergen suchten.

      So ausgelassen, wie sie drauf waren, dachten die Leute im Souterrain gar nicht daran, sich von blasierten New Yorker Reichen die Stimmung verderben zu lassen. Sie rückten zusammen, um uns in ihre Runde aufzunehmen. Ein schräges Völkchen, das uns da einlud auf einen reif gelagerten schottischen Whisky mit Eis, wie sie ihn sonst wohl eher selten serviert bekamen. Ihr New Yorker Verwandter stammt mütterlicherseits aus Schottland ab, von einer kaum bevölkerten Hebrideninsel.

      »Alles für lau«, rief eine rundliche Dame. Selbst die Tickets für den Flug von Atlanta und die Hotelrechnungen gingen aufs Haus. Ihre gestärkten, blond gefärbten Locken quollen unter einem Sommerhut hervor, der eher für die Siegerehrung bei einem Rodeo gemacht war als für die angesagteste Sause im verfluchten New York. »Wie kann man hier leben wollen?«, fragte einer, dem ich uns als Neubewohner zu erkennen gab. »Wir Leute aus dem Süden wissen, wohin wir gehören.«

      Wir wussten das in dem Augenblick auch, meine Begleiterin und ich. Als wir uns auch noch als Raucher zu erkennen gaben, brachen die Dämme zwischen Fremdheit und Freundschaft für eine Nacht. Hier unten sprach keiner über den Superman mit dem Dollarzeichen auf der Brust.

      Wie der berühmte Verwandte aus New York sein Geld verdiente, war ihnen gleichwohl nicht fremd. Mister Maples, Marlas Vater, wurde im heimischen Branchenverzeichnis ebenfalls als Immobilienunternehmer geführt. Als Elvis-Darsteller verdiente er sich ein wenig dazu. Das erfuhren wir von einem Herrn, der mit seiner Zigarre verwachsen schien und mit seiner überbordenden Hutkrempe die Plätze neben sich frei hielt.

      Derjenige, der für den ganzen Spaß aufkam, hatte sich den Angereisten offenbar vorher nur einmal kurz gezeigt und eine kleine Ansprache gehalten. Sein Herz schlage zwar heute für New York, aber wie ihres auf immer für Amerika. Dann war die Erscheinung aus der Glitzerwelt wieder dorthin verschwunden, und hier unten im Dämmerlicht ging die Fete fröhlich weiter.

      Sie fingen an zu singen, und ich musste schlucken. Das Lied war ihrem Verwandten gewidmet, auf dessen Programmzettel sie nicht einmal erwähnt waren. Die Melodie war eingängig, wir fielen ein in den Refrain: »He is the King, the King, the King of New York. He buys what he likes and he likes what he buys.«

      Gleich im Anschluss stießen sie mit frischen Getränken an und begannen, ziemlich laut und reichlich durcheinander über Politik zu reden. Niemand konnte da ahnen, einmal der Familie eines echten Präsidenten zugerechnet zu werden, und dann noch eines Mannes, der sich zum Kaiser von Amerika aufschwingen wollte. »Verdammte Politik«, johlte einer. »Es lebe der gesunde Menschenverstand.« Da tobte die verbliebene Menge am Großtisch, den wir aus kleineren zusammengeschoben hatten.

      Die Aschenbecher quollen über. Eigentlich herrschte in dem Gebäude striktes Rauchverbot. Die Organisatoren mussten vorsorglich die Rauchmelder hier unten ausgeschaltet und die Entlüftung auf Höchststufe gestellt haben. Der Getränkeservice lief bis zum Ende. Mit unserem Wein waren meine Begleiterin und ich fast allein. Die anderen tranken nun durchweg Hoch- und immer Höherprozentiges, anfangs mit viel, dann mit immer weniger Eis.

      Als wir uns schließlich verabschiedeten, war es schon spät. Im hell erleuchteten Atrium räumten Scharen fleißiger Helfer die Reste der Party auf. Die High Society hatte sich längst verzogen. Wir traten hinaus auf die Fifth Avenue, nun ohne Scheinwerfer und roten Teppich. Da sagte die Frau an meiner Seite: »Lass uns zu Fuß gehen. Der Asphalt ist noch warm.«

      Schon trug sie ihre Schuhe in der Hand. Ich entledigte mich meiner englischen Fußbekleidung nebst Socken. Wir gingen beschwingt mitten auf der sechsundfünfzigsten Straße barfuß nach Hause. Dabei sangen wir immer wieder den Refrain auf den König von New York. Bald dichteten wir das Lied quietschfidel um und landeten schließlich beim »Clown with a Crown« mit dem »Smile from his Bile«, dem Lächeln aus der Galle …

      Das war der Moment, in dem sich in mir der heimliche Spleen für meinen weiteren Aufenthalt in der Metropole entwickelte. Ich wollte herausfinden, wer in diesem Gemeinwesen, das sich als Hauptstadt der Welt verstand, den Titel »König von New York« wirklich verdiente. Meine Begleiterin war mit von der Partie.


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