Das Ding – Der Tag, an dem ich Donald Trump bestahl. Jurgen Neffe

Das Ding – Der Tag, an dem ich Donald Trump bestahl - Jurgen  Neffe


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in der Regel nüchtern urteilende Menschen. Sie lieferten mir Argumente sowohl für Probleme mit der Technik als auch für eine Terrorattacke.

      Für die Version eines Anschlags sprach nicht zuletzt die unterschwellig grassierende, allgegenwärtige Angst. Schon lange vor der Katastrophe des 11. September 2001 hatten die Sicherheitsbehörden vor einer Terrorattacke erschreckenden Ausmaßes gegen die USA gewarnt.

      Am Morgen des Absturzes war sowohl in London als auch in Washington in den Büros der saudi-arabischen Zeitung al-Hayat ein einschlägiges Telefax eingegangen. Das Schreiben enthielt zwar keine spezifischen Drohungen, kündigte aber an, »dass etwas geschehen wird, was die Amerikaner überraschen wird«. In New York stand in jenen Tagen überdies ein mutmaßlicher irakischer Terrorist vor Gericht. Die Anklage warf ihm und zwei Gesinnungsgenossen vor, sie hätten geplant, gleichzeitig elf amerikanische Flugzeuge über dem Pazifik zu sprengen.

      Beim Flug TWA 800 handelte es sich außerdem nicht um eine Allerweltsverbindung. Der tägliche Service verband New York und Paris. Die beiden verstehen sich als Schwesterweltstädte, vereint im Geist ihrer Revolutionen im späten 18. Jahrhundert, verstärkt durch die Freiheitsstatue als Geschenk der Franzosen an die Amerikaner. Wer ein Passagierflugzeug in der Luft zerstören wollte, hätte sich kein symbolträchtigeres Ziel auswählen können als die Titanic der Lüfte, wie der havarierte Jumbo bald genannt wurde.

      Immer wieder fiel ein Name: Lockerbie. Über dem schottischen Städtchen war kurz vor Weihnachten 1988 eine Maschine gleichen Typs der Fluggesellschaft Pan Am, Flug 103, in der Luft explodiert und abgestürzt. Zweihundertneunundfünfzig Insassen verloren ihr Leben, darunter hundertneunzig US-Bürger. Bis dahin die höchste Zahl an Zivilisten, die Amerika bei einem Terroranschlag verloren hatte.

      Weniger als ein Pfund Semtex hatte gereicht, den Jet zu zerreißen. Der Plastiksprengstoff steckte in einem Radiorekorder und dieser in einer Tasche, die in Frankfurt eingecheckt worden war. So etwas, warnten Experten, könnte jederzeit wieder passieren.

      Später wurden libysche Terroristen für die Tat verantwortlich gemacht. Der Untersuchungsbericht zum Absturz des TWA-Jets ging kaum ein Jahr nach dem Unglück jedoch von technischem Versagen aufgrund einer tragischen Verkettung ungünstiger Umstände aus. Das konnte in dem Augenblick aber noch niemand wissen.

      Gegen Abend packte ich mein Recherchematerial in eine Reisetasche und nahm ein Taxi zum Flughafen La Guardia. Nach meiner Ankunft in Washington fuhr ich zu meiner Unterkunft. Ein befreundeter Kollege, der lange in der Hauptstadt tätig war, hatte mir den Tipp gegeben und angedeutet, Bill Clinton habe dort schon öfter seinen Geburtstag gefeiert.

      Das Hotel, eine halbe Stunde Fußweg vom Amtssitz des Präsidenten entfernt, stand in keinem Verzeichnis. Es war von außen nicht als Herberge zu erkennen, sondern in unscheinbaren, im Innern miteinander verbundenen Reihenhäusern untergebracht. Es gab keinen Portier und auch keine Rezeption, wie man sie von gewöhnlichen Bettenhäusern kennt. Ich drückte den Klingelknopf neben der Eingangstür.

      Eine Dame im feinen Kostüm mit hochgesteckter Frisur begrüßte mich. Sie bat mich, ihr zu folgen, und geleitete mich durch das Labyrinth ihres verwinkelten Reichs. Wir gingen an gerahmten Fotos vorbei. Auf einem erkannte ich im Vorübergehen tatsächlich Bill und Hillary, die dem Fotografen zuprosteten, auf einem anderen Mick Jagger.

      Sie zeigte mir eine geräumige Küche, die als Frühstücksraum diente. Die Mahlzeit am Morgen werde gemeinsam am runden Tisch in der Mitte des Raums eingenommen, der mindestens fünfzehn Personen Platz bot. Das gehöre zur Tradition der Institution, bedeutende Menschen in ungezwungener Atmosphäre einander näherzubringen.

      Da die Höflichkeit gebot, der Dame nicht den Stolz auf ihr Haus zu nehmen, hörte ich ihr noch eine Weile halb abwesend zu. Unverdrossen führte sie mich durch Suiten mit luxuriösesten Badelandschaften, allesamt Unikate in Grundriss und Inneneinrichtung – von Teppichen über Wandgemälde und Skulpturen bis hin zu den Deckenleuchten.

      Ich ließ sie vorsichtig meine Ungeduld spüren und erklärte, bis zum Morgengrauen einen Artikel fertig schreiben zu müssen. Sie solle mir doch einfach ein Zimmer empfehlen und mir einen starken Kaffee bringen. Sie schlug die japanische Suite vor, in der wir gerade standen. Die verfüge als einzige sogar über ein Dampfbad.

      Da war ich in das abgefahrenste Hotel meines Lebens geraten, wo ich mich ursprünglich entspannt auf meinen Besuch im Weißen Haus vorbereiten wollte, und hatte keine Ruhe, es zu genießen. Die Hausherrin übergab mir zu allem Überfluss eine Aufstellung sämtlicher in meinem Raum befindlicher Gegenstände. Jede Zeile endete mit einem Dollarbetrag, viele vier-, manche fünfstellig. Bevor ich auch nur denken konnte, das diene im Fall von Beschädigungen möglichem Regress, erklärte sie, jedes einzelne Teil könne käuflich erworben werden. Sollte mir etwas zusagen, würde es fachgerecht verpackt an jeden Ort der Welt versandt.

      Ich versuchte sie höflich Richtung Tür zu lotsen. Sie wollte aber noch wissen, was mich in die Hauptstadt geführt habe. Das Unglück sei doch vor den Gestaden von New York passiert. Ich erzählte ihr von meinem anstehenden Besuch im Oval Office. Sie nickte wie eine, die das nicht zum ersten Mal hörte. Da hätten wir, Präsident und Korrespondent, ja ein wichtiges Thema zu besprechen. Sie meinte den Absturz, sprach aber von einem Anschlag und hatte sich bereits die Version zu eigen gemacht, das sei ein Angriff gegen Amerika.

      Ich hatte Schwierigkeiten, mich am Schreibtisch meiner Nippon-Suite auf meine Arbeit zu konzentrieren. Im Fernseher wurde weiterhin auf allen Kanälen vom Crash berichtet. Aus New York kam nichts wesentlich Neues. Also begann ich, meinen Text zu skizzieren. Dank O’Reilly stand der Einstieg bereits fest. Mit dem Zeitunterschied von sechs Stunden kam der Artikel rechtzeitig in Hamburg an.

      Im Morgengrauen legte ich mich kurz aufs Ohr und stellte mir vorsorglich den Wecker. Zu meiner Überraschung hatte das Weiße Haus meinen Termin noch nicht abgesagt. Vermutlich hatten sie ihn in der Aufregung des Tages übersehen, und ich würde erst bei meiner Ankunft von der Stornierung erfahren.

      Vor mir lag ein Tag, der sich anfühlte, als wäre der nächtliche Traum einfach weitergegangen. Darin hatte ich in einem geheimen Hotel gewohnt, das nur Menschen beherbergt, die im Rampenlicht der Öffentlichkeit standen. Bühnenkünstler, Intellektuelle, Politiker, Journalisten.

      Dann wachte ich in einer japanischen Suite auf, frühstückte mit den Mitgliedern einer jamaikanischen Reggae-Band an einem runden Tisch, und in der Luft hing fett der Duft von Dope. Für die Boyz war ich allein schon deshalb der Mittelpunkt, weil ich mich auf den Weg machte, den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu treffen.

       6 DIES IRAE

      Ich sitze wieder im vollen Warteraum. In all dem Getuschel um mich herum schwirrt mir der Kopf. Die Stunden im Ungewissen nagen an mir. Schon verschwimmen Wunsch und Wirklichkeit zum Verschnitt aus beiden Welten. Hier meine, dort ihre. Ich schlage die »Deutschstunde« auf und suche die erste freie Seite mit Platz zwischen den Zeilen.

      »Ich möchte hierbleiben«, lässt Lenz dort seinen Siggi über die Klause schreiben, in der er seine Strafarbeit zu Papier bringen muss, »allein in dieser Zelle, die mir wie ein wippendes Sprungbrett vorkommt, auf das sie mich geschickt haben, ich muß runter, ich muß springen und tauchen, einmal und noch einmal, so lange, bis ich alles hochgebracht habe, die Dominosteine der Erinnerung sozusagen, die ich auf meinem Tisch ansetzen möchte, Stück für Stück.«

      Ich wäre so gerne wieder einmal für mich allein, gerne auch in einer Klause, ein paar Momente nur, um mich zu sammeln. Da werde ich erneut in das bequemere der zwei Vernehmungszimmer geführt. Das Gepolsterte tut mir gut. Brenda wirkt ebenfalls entspannt.

      »Sie verstehen, dass wir zuerst nach Dokumenten gesucht haben, in denen der Name Trump vorkommt. Es ist ja unser Präsident, dem Sie etwas vorbeibringen wollten.« – »Oh, ja, das verstehe ich gut. Ich würde genauso vorgehen.« – »Kurz vor Ihrer Abreise erscheint der Name in einer Mail an Ihre Agentur. Da geht es um den Vorschlag für ein neues Buchprojekt, wenn wir das richtig deuten.«

      Kaum hat sie ihr »wir« ausgesprochen, bittet sie einen Mann ins Vernehmungszimmer und stellt ihn als »Übersetzer


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