Die Gentlemen-Gangster. Manfred Bomm

Die Gentlemen-Gangster - Manfred Bomm


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hatte sich das Scheinwerferlicht auf seltsame Weise gebrochen.

      Wieder befiel ihn jetzt der unbändige Zorn, der über ihn hereingebrochen war, als er die große Delle und den abgesplitterten Lack gesehen hatte.

      Er würde den Teufelskerl finden, der mit einem schweren Gegenstand auf das Blech eingeschlagen hatte. Dazu brauchte er keine Polizei. Außerdem würde dies nur zu Ermittlungen führen, die er vermeiden wollte. Es kursierten schon viel zu viele Gerüchte über ihn. Meist steckte nur der pure Neid dahinter. Weil er mit seinem Geschäft erfolgreich war. Und er sich in allen gesellschaftlichen Kreisen bewegte.

      Hinter dem, was jetzt geschehen war, steckte zweifellos dieser Lukas, dieser unangenehme Amerikaner, hämmerte es durch seinen Kopf. Immer und immer wieder. Vermutlich wollte ihn der Kerl mürbe machen. Aber Geschäft war Geschäft.

      Er musste hart bleiben und deshalb sein Gelände nun endlich mit den modernsten Überwachungsanlagen sichern lassen.

      Er versuchte, das traumatische Erlebnis abzuschütteln, und gab an der Wählscheibe seines Telefons eine sechsstellige Nummer ein. Während der Rufton an sein Ohr drang, nahm er sich vor, mit der geplanten Installation von Überwachungseinrichtungen auch gleich den altmodischen Wählscheibenapparat durch ein modernes Tastentelefon ersetzen zu lassen.

      »Ja?«, holte ihn eine hauchende Frauenstimme aus diesen Gedanken zurück.

      »Hi«, gab er sich locker, »ich bin’s. Bist du heute Abend auch wieder dran?«

      »Och«, machte sie keck. »Das solltest du wissen. Heute ist mein freier Abend.« Ein Lachen war zu hören. »Heut zieh ich mich nur für dich aus.«

      Er war ob solcher Direktheit jedes Mal wieder aufs Neue perplex.

      »Machen wir wieder Fotos in der Garage?«, fragte sie, bevor er etwas antworten konnte. »Dann zieh ich mir was Aufregendes an – zum Ausziehen.«

      41

      August Häberle freute sich, endlich mal wieder draußen in der Provinz ermitteln zu dürfen. In Bopfingen, am Fuße des Ipfs im äußersten Osten Baden-Württembergs geboren, war er auf Empfehlung seines damaligen Boxtrainers statt zur Bundeswehr zur Bereitschaftspolizei gegangen, bei der er wenig später die Begeisterung für die Arbeit der Kriminalpolizei entdeckt hatte, obwohl er viel lieber Seemann geworden wäre. Die Gelassenheit und Ruhe für die raue See hätte er bestimmt mitgebracht. Längst hatte er auch gelernt, dem Volk aufs Maul zu schauen. Und er wusste, wie zurückhaltend gerade die Menschen auf dem Land waren, »wenn der Herr Kommissar etwas wissen will«, pflegte er oft im Kollegenkreis zu sagen. Viele Menschen scheuten sich, »so richtig etwas zu Protokoll zu geben.«

      Dass er gutem Essen nicht abhold zu sein schien, war ihm durchaus anzusehen. Gerade dies machte ihn zum Gemütsmenschen, der Vertrauen und Optimismus ausstrahlte. Nur unterschätzen durfte man ihn nicht, wenn er so dasaß, die kräftigen Arme verschränkt: Er war aktiver Judoka.

      Helmut Reinicke, der Installationsmeister, musterte den Kriminalisten von oben bis unten. Er saß ihm in einem der Büros bei der Polizeidirektion Göppingen gegenüber und umklammerte die Lehne des Stuhls. Rein äußerlich, so dachte Reinicke, würde er’s mit Häberle locker aufnehmen können. Beide waren sie von kräftiger Gestalt. Doch Häberle riss ihn aus solchen Gedanken: »Ich hab gelesen, was Sie vor einem Jahr meinem Kollegen Biegert gesagt haben. Leider sind wir keinen Schritt weitergekommen. Deshalb fragen wir noch einmal alle, die im Umfeld der Bank zu tun hatten, ob ihnen inzwischen nicht doch etwas eingefallen ist, was im Nachhinein verdächtig erschienen sein könnte.«

      »Verdächtig?«, echote Reinicke und wippte mit den Beinen. »Das ist jetzt über ein Jahr her.«

      »Manchmal kommt man erst später drauf, dass da irgendetwas war: irgendjemand, der sich für das, was Sie während Ihres Auftrags in der Bank gesehen haben, besonders interessiert hat. Ich könnte mir auch vorstellen, dass Sie nach dem Überfall im Freundeskreis gesagt haben, schon mal im Tresorraum gewesen zu sein.«

      »Hinterher«, wiederholte Reinicke verständnislos. »Ein Täter wird sich ja nicht hinterher bei mir informieren.«

      »Das nicht. Aber vielleicht hat man drüber diskutiert, und irgendjemand hat etwas gesagt, aus dem man schließen könnte, dass er vielleicht mehr weiß, als er wissen sollte.«

      »Ne, tut mir leid. Mehr als das, was ich damals Ihrem Kollegen gesagt habe, weiß auch ich nicht. Und dass es inzwischen 1000 Gerüchte in der Stadt gibt, werden Sie ja mitbekommen haben. Plötzlich wird alles, was passiert, mit dieser Sache in Verbindung gebracht. Das muss für die Betroffenen ziemlich schlimm sein.«

      »Ist es auch«, bekräftigte Häberle. »Da werden inzwischen Menschen, die ein schreckliches Schicksal erlitten haben, gerüchteweise verdächtigt, mit den Sparkassenräubern unter einer Decke zu stecken.«

      Reinicke verschränkte die Arme, als wolle er auf Distanz gehen. »Wenn Sie das so sehen, dann werde ich doch auch verdächtigt – oder sehe ich das falsch?«

      »Was die objektive Seite anbelangt, sehen Sie das falsch«, beruhigte Häberle. »Aber was die Leute schwätzen, ist natürlich subjektiv. Fast scheint es so, dass jeder, der mal im Bankgebäude gearbeitet hat oder den Herrn Seifritz kennt, als potenzieller Täter infrage kommen könnte. Bis dahin, dass man an den Angaben der Opfer selbst zweifelt.« Häberle sah auf die Unterlagen, die er von den Kollegen aus Göppingen erhalten hatte. »Wir haben uns berichten lassen, Sie seien eine Zeit lang mit einer Angestellten der Kreissparkasse liiert gewesen.«

      Reinicke umklammerte wieder die Armlehne des Stuhls. »Ja – und? Das war kein Geheimnis. Was wollen Sie mir damit sagen?«

      »Gar nichts. Ist nur eine Frage. Reine Routine. Wir interessieren uns leider immer noch, wer welchen Kontakt zur Sparkasse hatte. Ich geh mal davon aus, dass es Ihnen und der Dame nichts ausmacht, wenn Sie mir sagen, um wen es sich handelt.«

      »Wieso sollte mir das etwas ausmachen? Und wenn Sie so fragen, wissen Sie’s vermutlich eh schon. Ihr Informant wird doch den Namen genannt haben, oder?«

      Reinicke runzelte die Stirn. »Tutto con calma, Herr Häberle. Alles mit der Ruhe.«

      »Tutto – was?«, stutzte Häberle.

      »Tutto con calma«, wiederholte Reinicke. »Immer mit der Ruhe. Habe ich bei meinen Urlauben an der Adria gelernt.«

      Häberle nahm es nickend zur Kenntnis, ließ sich aber nicht ablenken:»Sie wollten mir den Namen der Dame sagen«, beharrte Häberle.

      »Offenbach, Heidi«, brummte Reinicke missmutig. »Sie arbeitet aber inzwischen nicht mehr bei der Sparkasse. Und zwischen uns ist nichts mehr. Wir haben uns damals kennengelernt, als ich in der Tiefgarage den Rohrbruch behoben habe. Das haben wohl einige in der Sparkasse mitgekriegt.« Er machte eine abweisende Handbewegung. »Aber das ist ja schon über ein Jahr her.«

      42

      Kirstin war wirklich verrückt. Schon wie sie aus ihrem Mercedes-Cabrio stieg, im kurzen Kleid, tief ausgeschnitten, und auf Blaubarts Büro zu stöckelte, ließ erkennen, dass sie mit ihren weiblichen Reizen nicht geizte. Natürlich war sie es gewohnt, diese in Nachtklubs zur Schau zu stellen. Außerdem genoss sie die lüsternen Blicke der Männer. Sie fand es anregend und prickelnd, sich nackt zu präsentieren. Schon gar in einer Kleinstadt, in der es nur diesen einen Nachtklub gab, von einigen halblegalen Rotlichtkneipen vielleicht abgesehen. Kirstin wusste natürlich, dass sich im Luna zahlungskräftige Kundschaft aufhielt, obwohl es um kaum mehr ging als Striptease und die körperliche Nähe an der Sektbar.

      Blaubart kam ihr an diesem lauen Abend entgegen, umarmte und küsste sie und machte ihr Komplimente. »Du hättest es als Model auf die Titelseiten der Männermagazine geschafft.«

      »Oder auf Autozeitungen«, ergänzte sie lächelnd und streichelte seine strohblonden Haare« »Du magst doch scharfe Kurven und elegante Formen.«

      Blaubart schluckte. »Ich hab ein paar tolle neue Kisten da«, presste er hervor und hatte Mühe, sich auf ihre Fotowünsche zu konzentrieren.


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