Die Gentlemen-Gangster. Manfred Bomm

Die Gentlemen-Gangster - Manfred Bomm


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»Sei doch du mal ehrlich: Nur Insider wissen schließlich, wozu Autos auch taugen.« Er warf dem Angesprochenen einen provokanten Blick zu, ohne ihn bloßstellen zu wollen. Deshalb beeilte er sich, einen anderen Aspekt anzusprechen: »Ihr solltet auch mal auf unsere amerikanischen Freunde achten. Nicht jeder GI ist ein strammer Soldat. Vergesst nicht, wir haben permanent rund 3.000 Amerikaner in der Stadt.«

      »Was willst du uns damit sagen?«, hakte Heiko Emmerich nach.

      »Dass sich darunter nicht nur Ehrenmänner befinden, Heiko. Es ist wie in jeder Bevölkerungsschicht: Ein gewisser Prozentsatz ist kriminell.«

      »Na ja«, winkte Häberle ab, »falls Sie auf unseren Fall anspielen, kann ich Sie beruhigen: Die drei Gangster haben allesamt schwäbisch oder leicht badischen Dialekt gesprochen.«

      Blaubart konterte: »Aber woher wollen Sie denn wissen, dass es nur diese drei Gangster gegeben hat? Wenn Sie nicht mal eine Spur von denen haben, könnten doch ohne Weiteres noch einige im Hintergrund gestanden sein.«

      »Was bei dieser Vorgehensweise zu befürchten ist«, ergänzte Banker Zumwinkel und erntete kräftiges Kopfnicken der meisten anderen Stammtischler. Nur Häberle zeigte keine Regung.

      48

      Ein weiteres Dreivierteljahr später – man schrieb inzwischen 1984 – gab’s zwar im Kriminalfall nichts Neues, dafür aber bei der örtlichen Tageszeitung: Der bisherige Redaktions-Vize Manfred Grüninger übernahm die Redaktionsleitung von Doktor Wolfgang Schmauz, der in den Ruhestand ging. Schmauz war mehr als 30 Jahre lang der Chef gewesen. Schon ab 1948 hatte er als junger Mann die Lokalredaktion verstärkt, nachdem ihm, wie damals nach dem Krieg üblich, ein amerikanischer Presseoffizier auf den Zahn gefühlt hatte.

      Dass er nun die Aufklärung des großen Sparkassenraubs nicht mehr journalistisch begleiten konnte, bedauerte er in diesen Tagen des Abschieds.

      Der Fall wurde zwar keinesfalls zu den Akten gelegt, wie Soko-Leiter Zeller bei Anfragen immer wieder betonte, aber sogar bei der Göppinger Bevölkerung schien die Erinnerung an den spektakulären Überfall langsam zu verblassen.

      Noch immer trat Kirstin im Luna auf, denn sie hatte hartnäckig allen Versuchen widerstanden, sich tiefer ins Rotlichtmilieu einschleusen zu lassen. Zwar hatte der Amerikaner einmal sogar mit Gewaltanwendung gedroht, doch Blaubart war energisch dagegen vorgegangen. Mittlerweile hatte er sich mit Lukas darauf geeinigt, sich auf andere Geschäfte zu konzentrieren. Immerhin schien der Amerikaner beste Beziehungen nach Osteuropa zu haben, was wiederum den Argwohn von Blaubart geweckt hatte. Einmal hatte er sogar eine Nachfrage riskiert: »Diese Geschäfte Richtung Osten vereinbaren sich mit deinem Job bei der Armee?«

      »Das lass mal meine Sorge sein«, hatte Lukas geantwortet und angemerkt: »Die im Osten sind nicht nur das Reich des Bösen.«

      Daran musste Blaubart aber denken, als er am 22. März 1984 die örtliche Tageszeitung aufschlug und im Lokalteil die Schlagzeile las: Seit 17 Jahren für die DDR spioniert: In Florida schnappte die Falle zu.

      Seit über einem Jahr, so hieß es in dem großen Bericht, sei jeder Schritt eines Mannes überwacht worden, der nun in Tampa/Florida dem amerikanischen FBI ins Netz gegangen war. Es handelte sich um einen 43-Jährigen, der in einer Göppinger Nachbarstadt eine Kfz-Werkstatt betrieben hatte. Eine Kfz-Werkstatt, hallte es in Blaubarts Kopf nach. Die folgenden Sätze verschlang er mit rasendem Puls. Demnach war der Mann aus der DDR übergesiedelt und hatte mehrfach seinen Wohnsitz gewechselt. Zuletzt habe er in einer kleinen Ortschaft bei Göppingen in einem Dreifamilienhaus eine Wohnung gemietet gehabt. Seinem Geständnis zufolge sei er 17 Jahre lang Spion für den Osten gewesen.

      Weiter hieß es im Text: Über seine Kfz-Werkstatt, die er seit fünf Jahren in einem ehemaligen Firmenkomplex bei Göppingen betrieb, knüpfte er Kontakte zu US-Soldaten, die sich ihre Fahrzeuge gerne bei ihm reparieren ließen. Mehrfach sei er in den vergangenen Jahren mit der Pakistan Airline von Frankfurt nach New York geflogen. Noch vor einigen Monaten hatten die Ermittler offenbar große Anstrengungen unternommen, um festzustellen, ob sich im Pass des Mannes auch Ostblockstempel befanden.

      Der Göppinger Lokaljournalist Georg Sander hatte offensichtlich aufwendig recherchiert, denn im Text hieß es weiter: Auch wenn die Kontakte des Mannes möglicherweise nicht bis zu hohen Offizieren reichten, hatte er über die Angehörigen der US-Streitkräfte die Möglichkeit, sich über Ausrüstung, Aufmarschpläne, Waffensysteme und Kasernenanlagen zu informieren. Zur Frage, in welche Kategorie der mutmaßliche Ost-Agent einzustufen sei, äußerte sich ein Kenner der Szene gestern so: ›Daran, dass er internationale Verbindungen hatte, lässt sich erkennen, dass er keinesfalls ein kleiner Fisch ist.‹

      Blaubart überflog den Artikel noch einmal, doch das Gelesene steigerte seine innere Unruhe noch mehr. Natürlich war mit dem Spion nicht Lukas gemeint, aber es konnte doch durchaus sein, dass es Zusammenhänge gab. Beide waren Amerikaner – und beide hatten mit Fahrzeugen zu tun. In Blaubart machte sich eine aufwühlende Ahnung breit: Sollte womöglich auch er in ein Spionagenetzwerk involviert werden? Er, der sich mit den amerikanischen Fahrzeugen seit Langem in den Kreisen der in Göppingen stationierten 1. Infanteriedivision bewegte und gleichzeitig Kontakt in die Kommunalpolitik pflegte? Und hatte man auch mit Kirstin etwas im Schilde geführt?

      Blaubart faltete die Zeitung zusammen, steckte sie in eine Schreibtischschublade und blieb nachdenklich sitzen. Am besten würde es wohl sein, mit Lukas gar nicht darüber zu reden, sondern im Umgang mit ihm vorsichtig zu sein und auf alles zu achten, was er sagte und wollte.

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