Die Gentlemen-Gangster. Manfred Bomm

Die Gentlemen-Gangster - Manfred Bomm


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könnte man sagen. Sie haben sich in der Sparkasse kennengelernt?«

      »Rein zufällig, wie das manchmal so kommt. Ich war in der Tiefgarage, und er war mit einem Kollegen gerade dabei, dort mit dem Geldtransporter rauszufahren.«

      »Wie lange ist das her?«

      »Das kann ich Ihnen ganz genau sagen: Es war am Montag, dem 21. Juni 1982.«

      Die Antwort kam für Häberle überraschend schnell: »Das wissen Sie so genau?«

      »Ja, es war Sommersonnwende. Wir haben uns morgens in der Tiefgarage getroffen, und er hat gefragt, wo ich die kürzeste Nacht des Jahres verbringen werde. Das war total witzig. Dann haben wir uns für den Abend in einer Pizzeria verabredet.«

      »Ausgerechnet zur kürzesten Nacht«, grinste Häberle nun auch.

      »Nicht so, wie Sie denken«, lächelte die junge Frau, während die Bedienung das Bestellte brachte.

      Häberle konstatierte: »Dann haben Sie ihn also erst ein Vierteljahr nach dem Überfall kennengelernt, wenn ich das richtig nachgerechnet habe.«

      »Das sehen Sie absolut richtig. Wir hatten uns nie zuvor gesehen. Keine Chance also, ihm Details aus der Sparkasse zu verraten – falls Sie darauf spekuliert haben.«

      Häberle nippte an seinem Espresso und wurde ernst: »Und Herr Reinicke? Wie war das mit dem?«

      Aus Heidis Gesicht verschwand der Glanz. »Helmut? Hat man Ihnen auch davon erzählt?«

      »Herr Reinicke war auch ein …«, Häberle überlegte eine passende Formulierung, »… eine Tiefgaragen-Bekanntschaft?«

      »Wie sich das anhört«, empörte sich Heidi jetzt. »Das mit Herrn Reinicke war nur von kurzer Dauer. Kein halbes Jahr. Er war zwar nett und zuvorkommend, aber nicht auf meiner Wellenlänge.«

      »Sie haben sich getrennt?«

      Heidi wurde misstrauisch und stocherte mit dem Trinkhalm in der aufgeschäumten Milch. »Muss ich jetzt rechtfertigen, mit wem ich zusammen war?«

      »Müssen Sie nicht. Aber Herr Reinicke gehört halt auch zu jenem Personenkreis, über den wir uns ein Bild verschaffen müssen.«

      »Er gehört auch zu dem Puzzle, wie ich«, gab sich Heidi jetzt leicht verschnupft.

      »So könnte man es sagen, ja.«

      Heidi rang sich wieder ein Lächeln ab. »Wolfgang, also Herr Nolte, ist ein ganz anderer Typ.«

      »Sie haben die Beziehung mit Herrn Reinicke beendet«, rekapitulierte Häberle.

      »So ist es. Einer nach dem anderen, wenn Sie so wollen«, grinste sie und hob eine Augenbraue.

      »Noch eine sehr persönliche Frage«, riskierte Häberle einen weiteren Vorstoß. »Eine Frage, die Sie mir nicht beantworten müssen.«

      »Fragen Sie ruhig.«

      »Erwarten Sie Nachwuchs?«

      Heidis feine Gesichtszüge wurden kantig. »Entschuldigen Sie, aber halten Sie diese Frage für angebracht?«

      47

      Je mehr Zeit verstrich, desto seltener traf sich die Sonderkommission. Zeller fühlte sich dennoch von den regelmäßigen Anrufen der Göppinger Journalisten genervt, auch wenn die Abstände zwischen den telefonischen Nachfragen immer größer wurden. Häberle, der in einer Göppinger Vorortgemeinde wohnte, ließ jedoch auch in seiner Freizeit nichts unversucht, auf Volkes Stimme zu lauschen. Schließlich wäre es ein riesiger beruflicher Erfolg, bekäme ausgerechnet er den entscheidenden Hinweis auf die Bankräuber oder auf ein mögliches kriminelles Geflecht innerhalb der Stadt. Als aktiver Sportler, der er in der Judo-Abteilung der Turnerschaft war, hatte er vielfältige Beziehungen und traf gelegentlich mit den Honoratioren der Stadt zusammen, von denen die meisten auch in Vereinskreisen verkehrten.

      Die Klubhäuser ersetzten oftmals das, was in früheren Zeiten die Stammtische in den vielen längst verschwundenen schwäbischen Gasthäusern waren. Der Sommer war bereits weit fortgeschritten und die Urlaubszeit für viele schon vorbei, als sich Häberle in einem der Vereinsheime mit einem kurzen »Hallo« an einen ovalen Tisch setzte, an dem er bekannte Gesichter erspäht hatte. Er bestellte ein Weizenbier und lauschte der heftigen Diskussion über Gott und die Welt, vor allem aber über Helmut Kohl, der voriges Jahr im September nach dem Zerbrechen der Bonner SPD/FDP-Koalition ins Amt gekommen war. »Ich sag euch: Dem Helmut Schmidt und seinen Genossen hat die seltsame Haltung zum NATO-Doppelbeschluss das Genick gebrochen«, meinte Fahrlehrer Hans Siebeneicher emotional aufgeheizt.

      »Da geht noch einiges ab«, prophezeite die einzige Frau am Tisch, die Juwelierin Analena Heuberg: »Wartet ab, was im Oktober erst los ist, wenn die Friedensinitiativen es schaffen, eine Menschenkette von Stuttgart bis Neu-Ulm zu organisieren. Das wird ein gigantisches Signal gegen die Aufrüstung. Da wird Kohl dran zu knabbern haben.«

      Heiko Emmerich, der im Tennisoutfit gekommen war und sich einen delikaten Wurstsalat munden ließ, war als Verantwortlicher der Industrie- und Handelskammer um Mäßigung bemüht: »Der Wirtschaft tut ein Mann wie Kohl sicher gut. Warten wir ab, was sich entwickelt, vor allem, ob er es schafft, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.«

      »Die Politik kann keine Arbeitsplätze beschaffen«, unterbrach ihn Siebeneicher energisch und wandte sich bewusst an Analena Heuberg, die Frau, die ihm überaus attraktiv erschien, jedoch bei diesen abendlichen Treffen seine Annäherung nicht erwiderte. »Die Frau Heuberg wird keine zusätzliche Juwelierin einstellen, nur weil jetzt Helmut Kohl an der Regierung ist«, keifte er, ohne eine Antwort zu erhalten.

      Häberle verfolgte das Gespräch gelassen, obwohl es ihm nicht gefiel, zwischen der Ulmer Goldschmiedin und dem Autohändler Blaubart zu sitzen, der ihm aber schon bei früheren Zusammentreffen nicht sonderlich sympathisch erschienen war. Er hatte sogar schon mal recherchiert, ob Vorstrafen gegen ihn registriert waren. Erstaunlicherweise hatte es keine gegeben. Er nahm einen Schluck Weizenbier und stellte insgeheim fest, dass er in dieser erlauchten Runde zu den Jüngsten gehörte. Doch aufgrund seines sportlichen Engagements und seines Berufs war er angesehen und von allen akzeptiert.

      Wie immer, wenn er in unregelmäßigen Abständen an diesem Stammtisch auftauchte, zu dem man sich einmal monatlich nach der Arbeit traf, galt das Interesse dem Fall, wie der Bankraub des vergangenen Jahres kurz genannt wurde. Arno Zumwinkel, der ebenfalls als äußerst sportlich galt, zumal er im Oktober vorigen Jahres am New York Marathon teilgenommen hatte, machte deutlich, wie sehr ihm als Banker die Geiselnahme am Herzen lag: »Kriegt ihr denn die Sache nicht gebacken? Oder waren die Täter wirklich solche Profis, dass ihr auf Granit beißt?«

      Häberle fühlte sich an seiner Ehre gepackt. »Es vergeht keine Woche, in der wir nicht irgendeine Spur verfolgen. Außerdem hoffen wir noch immer auf einen entscheidenden Hinweis aus der Bevölkerung.«

      »Von uns womöglich«, höhnte Niels Adamus, der wieder sein blaues Poloshirt trug, dessen Aufschrift ihn sogar in der Freizeit als Vertreter der Handwerkskammer auswies. Leutselig wandte er sich an Häberle: »Mensch, Herr Kommissar, Ihnen ist hoffentlich bewusst, dass wir alle, wie wir hier sitzen, in großer Sorge sind, halb Göppingen könnte darin verwickelt sein.«

      Häberle konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass einige gehaltvolle Getränke die Stimmung dieser Herrschaften angeheizt hatte. Nicht schlecht, dachte er. Vielleicht konnte er dem einen oder anderen ein paar interessante Worte entlocken. »Ich weiß nicht, wie hier über die Vorkommnisse des vergangenen Jahres gedacht wird«, begann er und wurde sogleich von Siebeneicher unterbrochen: »Wer wird denn da noch an Zufälle glauben, wenn ganze Familien ausgelöscht werden und jemand im Bodensee mit dem Auto untergeht und ertrinkt?« Und ironisch an Blaubart gewandt: »Ich hoffe, es war kein Auto von dir.«

      Blaubart, der als Einziger am Tisch vornehm gekleidet war und rein äußerlich gar nicht zu den Freizeitsportlern passen mochte, zuckte mit einer Wange und sagte energisch: »Meine Autos rollen nicht von der Fähre.«

      Siebeneicher gab sich erneut vorlaut: »Deine Autos eignen


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