Die Ansiedler in Kanada. Фредерик Марриет

Die Ansiedler in Kanada - Фредерик Марриет


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ist tot, erzählte uns Martin Super. Wodurch starb er denn, Hauptmann Sinclair?“ fragte Mrs. Campbell.

      „Er wurde von einem Indianer getötet. Seit vielen Jahren hatte er mit uns Frieden gehalten und bezog von der Regierung eine gute Pension. Aber aufs neue schien sein Haß gegen die Engländer loszubrechen, und in einer Ratsversammlung der Indianer machte er den Vorschlag, uns wieder anzugreifen. Nachdem er gesprochen, stieß ihm ein Indianer das Messer in die Brust. Ob dies nun geschah, um einer Privatrache zu genügen, oder um weiteres Ungemach durch den zu verhüten, der ihren Stämmen schon so viele Opfer gekostet hatte, läßt sich schwer bestimmen. Soviel steht fest, daß mit ihm ein großer Teil aller Feindseligkeiten der Indianer gegen die Engländer zu Grabe getragen worden ist.“

      „Vielen Dank, Hauptmann Sinclair, für Ihre freundliche Berichterstattung“, rief Mary Percival. „Mir war Pontiacs Geschichte höchst interessant.“

      „Pontiac war ein Charakter, an dem man viel bewundern und viel beklagen muß, doch wir dürfen diesen Indianer nicht zu hart beurteilen. Zum Befehlen war er geboren, er besaß großen Mut und viel Geschick für seine Unternehmungen, abgesehen davon, daß er der keineswegs leichten Aufgabe gewachsen war, alle Stämme der Indianer vereinigt zu halten. Daß er es versuchte, uns aus dem Lande zu vertreiben, als dessen Herrscher er sich (und zwar mit Recht) betrachtete, ist nicht zu verwundern, besonders da unsere Eingriffe sich täglich mehrten. Sein größter Charakterfehler bleibt das Verräterische, doch müssen wir in Betracht ziehen, daß die ganze Kriegsführung der Indianer auf List beruht.“

      „Aber daß er das Fort angriff, nachdem er so großmütig freigelassen worden war, obwohl man seine Absichten kannte, bleibt doch eine Niedrigkeit von ihm“, bemerkte Mrs. Campbell.

      „Was wir als Großmut ansehen, erschien ihm vermutlich als Schwäche und Torheit. Wäre Pontiac erschossen worden, so wäre er tapfer gestorben; da Major Gladwin es nicht für geboten hielt, ihm das Leben zu nehmen, hielt er sich deswegen nicht verpflichtet, uns im Besitze seiner Ländereien zu lassen. — Die Falschheit, welche die Indianer bei ihrer Kriegsführung für erlaubt und geboten halten, liegt sonst nicht in ihrem Charakter. Zu jeder anderen Zeit ist an der Gastfreundschaft und Treue der Indianer nicht zu zweifeln, sobald er sich für Ihre Sicherheit verbürgt.“

      Zwei Stunden vor Sonnenuntergang erreichten sie die Stelle, wo sie die Nacht zubringen wollten. Nachdem sie gelandet, mußten einige Soldaten das Zelt auf einem dürren Hügel aufstellen, während andere Holz zum Feuer sammelten. Martin Super trug die Betten an das Land und schlug sie mit Alfreds und Henrys Hilfe auf. Hauptmann Sinclairs Feldsack enthielt alles, was zur Teebereitung erforderlich war, und nach kaum einer halben Stunde stand der Kessel auf dem Feuer. Sobald die Damen an dieser Erfrischung teilgenommen, zogen sie sich für die Nacht zurück. Hauptmann Sinclair stellte Schildwachen auf, und hierauf legten sich die übrigen Soldaten nieder, die Füße gegen ein großes Feuer gewandt, das von mehreren Baumstämmen unterhalten, viele Yards hoch emporflackerte. — Nach kurzer Zeit war alles in Schlaf versenkt.

      Die Nacht verlief ohne Störung und am nächsten Morgen schifften sie sich wieder ein. Vor Abend erreichten sie die Stadt Montreal, wo sie sich einen Tag über aufhalten sollten. Mr. Campbell machte hier noch einige Einkäufe. Er hatte auch die Absicht, zwei kanadische Pferde zu kaufen, doch ließ er auf Hauptmann Sinclairs Rat den Gedanken fahren. Derselbe bedeutete ihm, daß die Tiere während des ersten Jahres wenig Nutzen bringen, wohl aber große Kosten verursachen würden, da er noch kein Futter für sie habe. Ferner würden im nächsten Jahre, wenn man die Besatzung im Fort Frontignac ablöste, die Offiziere ihre Pferde gern zu geringeren Preisen abgeben, als er in Montreal dafür zahlen müßte.

      Da die Auswanderer einen Empfehlungsbrief an den Gouverneur besaßen, wurde ihnen viel Aufmerksamkeit erwiesen. Die Gesellschaft in Montreal bestand größtenteils aus Franzosen, trotzdem besuchten sie viele Einwohner aus Höflichkeit, oder um ihre Neugierde zu befriedigen. Die französischen Damen zogen ihre Schultern in die Höhe und riefen: „Est-il possible?“ als sie hörten, daß die Familie Campbell in eine so entfernte Gegend gehen und sich dort ansiedeln wollte. Hauptmann Sinclair erbot sich, noch einen Tag in Montreal zu bleiben, falls Mr. Campbell es wünsche; doch trug dieser Verlangen, sein Ziel bald zu erreichen. Am folgenden Morgen schifften sie sich daher wieder ein und hatten nun eine Strecke von dreihundertundsechzig Meilen gegen den Strom zu steuern und Stromschnellen zu überwinden.

      Sechzehn Tage waren sie mancher Gefahr und vieler Mühe ausgesetzt, während sie des Nachts durch Mosquitoschwärme geplagt wurden, bis sie glücklich bei der Festung Frontignac landeten. Dort wurden sie von dem Kommandanten empfangen, den der Gouverneur von Quebec schriftlich gebeten hatte, ihnen nach Möglichkeit zu dienen. Nachdem der Kommandant, Oberst Forster, Mr. Campbell und den Seinen die Zimmer angewiesen hatte, waren sie zum erstenmal seit längerer Zeit wieder allein beisammen. Nach kurzem Gespräch sagte Mr. Campbell:

      „Liebe Frau und liebe Kinder! Es hat dem Allmächtigen gefallen, uns sicher über das stürmische Meer zu führen, unseren Mut zu stärken, indem er uns unerwartet Freunde zur Hilfe schickte, und jetzt sind wir nur noch wenige Meilen von unserem Bestimmungsort entfernt. Wir dürfen uns aber nicht der Hoffnung hingeben, daß Gefahren und Schwierigkeiten nun für uns beendet sind, im Gegenteil, ich muß gestehen, daß ich den Beginn derselben erst jetzt erwarte. Viel Entbehrung, Mühe und Gefahr ist noch zu erdulden, ehe wir in Behaglichkeit und Sicherheit sein werden. Vertrauen wir aber der gütigen Vorsehung, die uns bisher gnädig beschützte, und lassen wir unseren Mut nicht sinken. Es ist seit langer Zeit das erstemal, daß wir allein beisammen sind, darum wollen wir diese Gelegenheit ergreifen, um Gott für seine vielfach bewiesene Güte zu danken und ihn um seinen ferneren Schutz anzuflehen. Wir müssen inne werden, daß dieses irdische Leben nur eine Pilgerschaft ist, und wenn uns Schmerz und Betrübnis treffen, es von ihm so gewollt und zu unserm Besten bestimmt ist. Es ist unsere Pflicht, niemals den Mut zu verlieren oder im Leiden zu verzagen, sondern auf die Güte und Macht dessen zu vertrauen, der uns von allem Übel befreien kann.“ — Mr. Campbell kniete im Kreise seiner Familie nieder und ließ in einem Gebet seinen Dank für alle empfangene Gnade und seine demütige Bitte um ferneren Beistand ausströmen. Seine Worte waren so beredt, daß seiner Frau und seinen Nichten Tränen die Wangen netzten, und als er schwieg, waren die Herzen aller so bewegt, daß sie sich zur Ruhe begaben, ohne weitere Worte zu wechseln.

      IX.

      Bald nach sieben Uhr fanden sich unsere Freunde auf dem Walle der Festung zusammen und schauten auf die Landschaft. Vor ihnen zur Linken breitete sich der See, er lag in völliger Ruhe, und die kleinen Inseln, die sich in der Nähe des Ufers befanden, schienen in ihrem grünen Blätterschmuck über dem Wasser zu schweben. Im Westen erstreckten sich die zum Fort gehörigen Lichtungen, deren Hintergrund die fernen Wälder bildeten. Auf dem urbar gemachten Lande graste eine Herde Rinder durch einen Schlangenzaun abgegrenzt. Hier und dort erhob sich ein Blockhäuschen zum Schutze für die Tiere, und etwa eine halbe Meile entfernt befand sich ein kleines Fort, von hohen Palisaden umgeben, das als Zufluchtsort für die Viehhirten zur Zeit eines Überfalles dienen sollte. In der Nähe dieses Forts ergoß ein reißender Strom, der über die Ufer getreten war, seine Wasser in den See, nachdem er sich seinen Lauf durch das Gesträuch, Buchenwald und Ulmen gebahnt hatte, von denen er umsäumt war. Hell schien die Sonne — die Spechte flogen von Baum zu Baum; der geringelte Eisvogel schoß über dem fließenden Strome auf und nieder, und die zirpenden und kreischenden Stimmen verschiedener Vögel ließen sich von allen Seiten vernehmen.

      „Ach, ist es hier nicht wundervoll“, rief Mrs. Campbell, „es kann gewiß kein so großes Ungemach sein, in einer Gegend zu leben, wie diese hier ist.“

      „Wenn es immer so wäre, vielleicht nicht, Madam“, entgegnete Oberst Forster, der sich der Gesellschaft genähert hatte. „Aber Kanada im Monat Juni ist sehr verschieden von dem Kanada im Monat Januar. Ich muß einräumen, daß mir das Leben hier in diesem Fort, wo wir abgeschnitten von der Welt sind, eintönig erscheint, die Winter sind lang und streng, um unsere Geduld zu erschöpfen; aber der Soldat muß seine Pflicht tun, gleichviel ob unter der Tropensonne, oder in den hiesigen eisigen Wildnissen. Es kann kein sehr angenehmes Leben sein, wenn selbst die Mitteilung einer nahenden Gefahr für uns ein angenehmes Gefühl wird, der Erregung wegen, die sie verursacht.“


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