Lebensborn e.V. - Tatsachenroman. Will Berthold

Lebensborn e.V. - Tatsachenroman - Will Berthold


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Sie glaubte an die Bewegung. Aber seitdem sie beim Lebensborn war, bewegte sich in ihrem armen Kopf zuviel . . .

      1939 entstand diese seltsame Organisation mit dem unauffälligen Status eines eingetragenen Vereins, dessen Führung Himmler persönlich übernommen hatte. Er rechnete sich aus, daß im Zweiten Weltkrieg Hunderttausende, wenn nicht Millionen junger Männer fallen würden. Er zog sie von der Summe der gleichaltrigen Frauen ab, die zwangsläufig nicht mehr heiraten konnten. Die Bilanz war der Kinderverlust.

      Das brachte ihn auf den Gedanken: die Toten des Zweiten Weltkriegs sollten zuerst noch ihre ›biologische Pflicht‹ erfüllen. Es sollte, nach Himmler, zumindest kein Blondschopf mehr unter dem Birkenkreuz eingegraben werden, bevor der Gefallene nicht Vater geworden war. Die Zeugung der reinen nordischen Rasse freilich blieb das Endziel des Lebensborns, der jetzt eben aus dem Stadium der Planung heraustrat.

      Das SS-Rasse- und Siedlungshauptamt wollte deshalb das Notwendige mit dem Nützlichen verbinden und schickte sich an, eine Art Rassensteuerung zu betreiben. Die Versuche, die der ahnungslose Pfarrer Gregor Mendel mit Pflanzen angestellt hatte, verpflanzten die Machthaber des Dritten Reiches einfach auf Menschen. Mit allen Mitteln. Vielleicht beleuchtet nichts deutlicher die Bewegung als der Lebensborn: der Sieg der Ignoranz über die Intelligenz. Die Auflösung des Anstandes in Wahnsinn.

      Für die unsauberen Ziele erfand man als Afterwissenschaft die Rassenhygiene. Ein Herr Günther wurde zum Propheten der Dummheit und lieferte die Würze zu dem braunen Plan.

      Selbst in der Hilfsschule konnte man lernen, daß sich das deutsche Volk aus einem Schmelztiegel von Völkern im Laufe der Jahrhunderte gebildet hatte. Mit diesem geschichtlichen Prozeß wollten nunmehr Männer à la Westroff-Meyer kurzen Prozeß machen. Sie schickten sich an, eine ›neue Rasse‹ mit den gleichen Mitteln zu schaffen, wie man einem morschen Apfelbaum einen frischen Ast aufpfropft . . .

      »So«, sagte der SS-Sturmbannführer, »fertig für heute.«

      »Wo ist denn eigentlich das Heim Z?« fragte Schmidtchen.

      »In Polen«, antwortete er, »vorläufig . . . wir werden es bald nach Oberbayern verlegen . . .«

      »Und die Mädchen sind . . . einfach so . . . so bereit?«

      »Wie meinen Sie das?« fragte Westroff-Meyer scharf.

      »Na, ich denke . . . ich meine . . . die Kinder . . .«

      »Die Kinder?« fragte er mit gehobenen Augenbrauen.

      »Was sind das . . . für Mütter . . . die ihre Kinder . . .«

      Der Sturmbannführer schwoll an. Seine fleischigen Ohrläppchen wurden rot.

      »Schänden Sie nicht das Opfer dieser deutschesten aller Frauen!« brüllte er.

      Er knallte die Tür zu, wuchtete über den Gang.

      Wir haben noch eine harte Erziehungsarbeit vor uns, dachte er . . .

      2. KAPITEL

      Er spürte den Ruck nicht mehr, mit dem sich der Fallschirm geöffnet hatte. Aber nach ein paar Sekunden kam Oberleutnant Klaus Steinbach zu sich, pendelte nach links, nach rechts. Eine Fangleine hatte sich über die weiße Seide gezogen. Und der Fallschirm glitt mit erhöhter Geschwindigkeit als ›Brötchen‹ zur Erde; statt mit fünf Metern Fallgeschwindigkeit sauste er mit acht bis zehn nach unten.

      Dem jungen Offizier war es gelungen, in 3000 Meter Höhe, Sekunden vor der Explosion, aus der brennenden Me auszusteigen. Er sah nach unten, und die Welt schaukelte vor seinen Augen.

      Ein Wäldchen. Der Wind trieb ihn nach rechts, auf die Bäume zu. Ein Hochspannungsmast. 200 Meter unter ihm. Ein paar Sekunden glitt er auf gleicher Höhe nach unten. So lange stellte er sich vor, wie er an den Drähten zu einem Klumpen zusammen-, schmoren würde. Er zappelte hilflos an den Leinen. Er bäumte sich dagegen.

      Dann klatschte er in einen Strauch. Die Äste zerschnitten ihm das Gesicht. Sein Fuß schmerzte höllisch. Er versuchte sich zu bewegen. Nichts zu machen. Er konnte nicht mehr aufstehen. Das Gelenk war verstaucht oder gebrochen. Er konnte nur kriechen.

      Nach ein paar hundert Metern gab er es auf, legte sich auf den Rücken, spürte die noch warme Septembersonne, umfaßte mit einem Blick den wolkenlos blauen Himmel der Normandie, döste ein, erwachte wieder am späten Nachmittag, hatte fürchterlichen Hunger, konnte sich noch immer nicht rühren.

      Seitdem liegt er Stunde um Stunde. Der Knochensack klebt nicht mehr am Leib. Er friert. Kein Mensch zu sehen. Keine Spur von Orientierung. Der Bauer, der ihn hier findet, kann sein Mörder sein. Oder sein Helfer. Es gibt gute und schlechte Menschen in Frankreich. Aber alle hassen sie die Boches. Nach der Meinung des jungen Oberleutnants grundlos . . .

      Der Fuß schmerzt noch mehr. Das Gelenk ist verstaucht, nicht gebrochen, denkt er, sonst müßte mir viel übler sein. Er sieht die Sterne am nachtklaren Himmel. Er sucht mechanisch den Großen Bären, den Kleinen Bären, den Polarstem. Vielleicht sieht auch Doris, die längst beim weiblichen RAD ist, jetzt nach oben, überlegt er, und denkt jetzt an mich, wie ich an sie . . .

      Auf einmal ist ihm noch kälter. Jetzt erst wird ihm bewußt, wie dicht er am Ende vorbeigegangen ist.

      Am Morgen kommt ein Mistfuhrwerk. Der junge Oberleutnant ruft den Bauern an. Der Mann hält erschrocken, hilft dann dem Verletzten beim Aufsteigen. Geschafft, denkt Klaus. Mit vereinten Kräften kommt er über den Eingang der Mairie, findet ein Telefon, lacht schon wieder.

      Nach einer Stunde endlich ist der Adjutant Hauptmann Albrecht in der Leitung.

      »Mensch, Sie leben!« brüllt er, stellt die Ortschaft fest. »Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich schicke Ihnen einen Wagen.«

      So fein ist die Luftwaffe noch im Herbst des Jahres 1941.

      150 Kilometer sind es zum E-Hafen. Und jeden von ihnen spürt Klaus in seinem Bein. Ein französischer Zivilarzt hat ihn untersucht und verbunden. Es ist eine handfeste Stauchung, weiter nichts. Der Oberleutnant rechnet sich aus, daß er in vierzehn Tagen schon wieder fliegen kann.

      Die Kameraden haben seine Rückkehr ins Leben bereits gefeiert. Am nüchternsten wirkt noch der Kommodore, der am meisten getrunken hat. Er klopft Steinbach auf die Schulter.

      »Freut mich«, sagt er, »freut mich ganz außergewöhnlich!«

      Neben ihm steht der Adjutant.

      »Helfen Sie mir doch . . .«, wendet sich Berendsen an ihn, »da war doch etwas mit Steinbach . . . oder?«

      »Ja«, erwidert Hauptmann Albrecht, »Lebensborn . . .«

      Der Geschwaderchef setzt sich auf einen Stuhl neben Klaus.

      »Hören Sie mal«, beginnt er, »wie groß sind Sie?«

      »Einen Meter zweiundachtzig.«

      »Prima . . . HJ?«

      »Ja.«

      »Führer?«

      »Gefolgschaftsführer, Herr Oberstleutnant.«

      »Partei auch?«

      »Selbstverständlich, Herr Oberstleutnant.«

      »Noch ’ne Gliederung?«

      »Ja . . . NS-Fliegerbund.«

      »Na, Mensch. Sie sind in allem drin . . . da kommt’s Ihnen doch auf einen Haufen mehr oder weniger nicht mehr an?«

      »Wie meinen Herr Oberstleutnant?«

      »Es wird ein überzeugter Nationalsozialist gesucht . . . schön«, fährt der Kommodore grinsend fort. »Aber er muß auch noch groß und blond und was weiß ich sonst noch sein . . . Wollen Sie, Steinbach?«

      »Zu Befehl, Herr Oberstleutnant.«

      »Quatsch, nicht Befehl . . . freiwillig müssen Sie sich melden!«

      »Ich melde mich selbstverständlich freiwillig, Herr Oberstleutnant.«

      »Das


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