Der Reiniger. Inger Gammelgaard Madsen

Der Reiniger - Inger Gammelgaard Madsen


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Mann. Natürlich. Ihr kriegt den üblichen Anteil.“ Der Hehler wischte mit dem Handrücken unter der Nase entlang. „Aber ich kann nur zwei von euch gebrauchen. Das soll ein bisschen diskret sein. Du bist einer davon, Bjarke.“

      „Wieso gerade ich?“, protestierte Bjarke.

      „Du bist der Einzige von euch, der schon achtzehn ist und einen Führerschein hat. Ich habe das Auto besorgt. Kasper, du kommst mit. Du bist sicher der Stärkste.“

      Der Hehler sah alle vier abschätzend an, als hätte er ihren Körperbau bis jetzt noch nicht bemerkt. Anscheinend registrierte er den anklagenden Blick von Bjarke nicht, der sich selbstverständlich für den Stärksten hielt. Dass er der Aggressivste war, war etwas ganz anderes.

      Kasper stand bereitwillig auf und bürstete Dreck von der Hose. Wie immer, wenn der Hehler in der Nähe war, wirkte er nervös. Bertram wusste nicht, woher sie sich kannten, hatte aber keinerlei Zweifel, dass Kasper eine Heidenangst vor dem Mann hatte.

      „Was machen wir dann?“, fragte er und deutete mit dem Daumen auf Felix.

      Der Hehler sah ihn lange mit zusammengekniffenen, blutunterlaufenen Augen an. Gerüchten zufolge versoff er das Geld, das er bei ihren Einbrüchen verdiente. Aber so lange sie ihren Anteil bekamen, konnte er von Bertram aus damit machen, was zum Teufel er wollte.

      „Ihr könnt später helfen, wenn die Ware an den Käufer geliefert wird. Wir haben eine Bestellung von ein paar Designermöbeln, die in einer Lagerhalle in Hasselager stehen.“

      Der Hehler reichte Bjarke einen Zettel mit einer Adresse und dem Bild eines schwarzen Sessels. So einen hatten sie schon mal gestohlen. Der Hehler nannte ihn Das Ei. Bertram konnte an diesem Möbelstück nichts Besonderes erkennen und fasste es nicht, dass es um die 70.000 Kronen wert sein sollte. Der Hehler hatte den Blick nicht von ihm genommen.

      „Das ist echt 'ne schicke Jacke, die du dir da zugelegt hast, Junior. Zu Geld gekommen?“, fragte er.

      Ein kühler Wind stob wie ein verabredetes Spiel durch den Park und wirbelte welke Blätter auf. Bertram schauderte.

      „Ich … hmm, hab’ jedes Mal, wenn du uns bezahlt hast, ein bisschen was zur Seite gelegt“, murmelte er.

      Der Hehler nickte mehrfach mit hochgezogenen Augenbrauen, als glaubte er ihm nicht.

      „Dann kriegst du echt zu viel Lohn bei mir! Die sieht teuer aus.“

      „Eva Maja hat mir auch ein bisschen Taschengeld gegeben“, log er.

      „Eva Maja? Deine Mutter?! Was kann die mit kellnern in dieser düsteren Spelunke verdienen?“

      „Das ist keine Spelunke. Das ist ein feines Restaurant.“

      „Fein!“ Der Hehler schnaubte. „Da ist gar nichts fein, weder das, noch deine Mutter.“

      Er klopfte eine Zigarette aus der Schachtel und versuchte sie mit der Hand als Abschirmung gegen den Wind anzuzünden. Kasper eilte ihm sofort zur Hilfe.

      Der Hehler schaute immer noch Bertram an und pustete den Rauch aus beiden Nasenlöchern wie ein wütender Drache.

      „Ich soll dich übrigens von deinem Alten grüßen. Er vermisst dich.“

      Bertram konnte kein Wort sagen und schluckte ein paar Mal. Der Puls beschleunigte sich.

      „Du solltest dich echt schämen, Junge. Als ich eingesessen habe, hätte ich nicht überlebt, wenn meine Frau und meine Kinder mich nicht besucht hätten. Deine Mutter kommt ja auch nicht.“

      Bertram antwortete immer noch nicht und der Hehler schüttelte aufgebend den Kopf. Bjarke und Kasper folgten ihm, als er ging. Er wollte sie instruieren, wie sie in die Lagerhalle kämen. Bertram kannte die Routine.

      Felix hatte die Augen kaum vom Bildschirm abgewandt, obwohl der Hehler gekommen war. Er war ganz in seiner eigenen Welt. Plötzlich klatschte er eine Hand auf den Oberschenkel und fing laut zu lachen an.

      „Bäm! Ich hab’s echt geschafft! Niemand im Cyberspace kann sich vor Felix verstecken!“

      „Was hast du geschafft?“, fragte Bertram und lächelte über Felix’ Lachen. Es war selten, dass er seine Emotionen so offen zeigte.

      Felix drehte den Bildschirm zu ihm, aber Bertram verstand nichts von all den Zahlen und Codes, die er sah.

      „Was ist das?“

      Irritiert zog Felix sein Tablet zurück. Er tippte etwas ein und zeigte ihm den Bildschirm erneut.

      „Okay, verstehst du das hier besser?“

      „Äh, die Homepage eines Gymnasiums, was …“

      „Kapierst du denn gar nichts, Mann? Ich hab’ mich ins IT-System des Gymnasiums meines Bruders gehackt. Ich habe gerade seine Fehlstunden auf Null geändert.“

      Felix grinste wieder und Bertram schüttelte den Kopf.

      „Das finden die doch sicher schnell heraus? Du weißt schon, dass du dafür viele Jahre ins Gefängnis kommen kannst?“

      „Das findet niemand heraus. Nicht so, wie ich das gemacht habe. Ist ja auch nur zum Spaß.“

      „Ich mein’s ernst, Felix. Die sind bei der Polizei mittlerweile echt gut in so etwas. Wenn die rauskriegen, dass du das warst, dann …“

      „Dann was? Besuchst du mich dann auch nicht im Knast? Ich habe ja niemanden getötet wie dein Vater, oder …“, konterte Felix, bereute es jedoch sofort. „Nein, sorry, Mann. Ich versteh’ total, dass du deinen Vater nicht sehen willst, wenn er … und auch, dass deine Mutter es nicht will …“

      „Sprich verdammt nochmal nicht mehr über meinen Vater“, knurrte Bertram. „Oder über Eva Maja!“

      „Sorry.“

      Felix starrte auf das Wasser des Flusses, das träge vorbeiglitt. Seine Wangen brannten bis hoch zu der sonst blassen Stirn, die heute sichtbar war, weil er die schulterlangen blonden Haare in einem kleinen Knoten mitten auf dem Kopf gesammelt hatte. Bertram betrachtete sein Profil. Er sah aus wie ein Mädchen. Er war immer schon ein bisschen nerdig gewesen. Sie waren völlig gegensätzlich, aber komischerweise hatte er sich als erstes mit Felix zusammengetan, als er mit Eva Maja in den Wohnblock gezogen war, wo auch Kasper und Bjarke wohnten. Er und Felix gingen in die gleiche Klasse und waren fast zusammen aufgewachsen – mit gemeinsamem Grillen im Hinterhof im Sommer, wo es mehr nach Hasch als nach Grill-Qualm roch und die Männer in der Regel zu viel tranken und sich prügelten. Nicht selten kam ein Streifenwagen vorbei, wenn einige der anderen Bewohner genug von dem Lärm und den Unruhen hatten. Aber das Leben war damals trotzdem besser geworden, als er mit Eva Maja allein war.

      „Ich meine ja nur, Felix … Pass auf, dass der Hehler deine Fähigkeiten nicht entdeckt. Das wird er ganz sicher zu seinem Vorteil ausnutzen. Dann ist das nicht mehr nur zum Spaß.“

      „Was heißt hier Fähigkeiten, ich üb’ ja bloß“, murmelte Felix.

      Eine Ente schnappte etwas, das auf der Wasseroberfläche lag, und schwamm weiter. Die Sonne brannte auf den Rücken der Lederjacke. Bertram streifte sie ab.

      Sie schwiegen eine Weile. Felix warf einen Bierdeckel nach einer Ente, die ihn gleich schlucken wollte. Sie lachten beide.

      „Bist du dir ganz sicher, dass nichts in den Taschen ist?“, fragte Felix dann und schielte auf die Jacke. „Wenn in einer davon ein Handy liegt, kann es zu dir zurückverfolgt werden. Hast du die Innentaschen gecheckt? So eine Jacke kann viele haben.“

      Bertram nickte, suchte aber trotzdem nochmal. Eigentlich hatte er nur die Außentaschen kontrolliert, als er vom Restaurant weggelaufen war. Die Jacke hatte über einer Stuhllehne gehangen, als er Eva Maja bei der Arbeit aufgesucht hatte, um ein bisschen Geld fürs Abendessen zu kriegen, das sie ihn gebeten hatte einzukaufen. Er sollte auch etwas dafür tun, zu Hause zu wohnen, sagte sie die ganze Zeit. Es war niemand an dem Tisch gewesen, auf dem lauter leere Tassen und Gläser herumstanden,


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