Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
»Sachte, sachte, Meister«, rief der Majordomo, »ich habe eben einen Nagel als Stopper über der Klinke eingeschlagen, seht Ihr, damit nicht Meister Tu-nur-wenig hereinrennen und zu einem anderen Kampf ansegeln kann; denn meiner Berechnung nach werde ich ohnehin bald ein armer Teufel sein, da man mir meine Spanier abmelken wird, als ob ich den Schuft gepeitscht hätte. Haltet mit Eurem Schiff im Wind und legt ein wenig bei; die Passage soll bald gelichtet sein.«
Die Schläge eines Hammers bewiesen, daß es der Hausmeister ernstlich meinte, und in kurzer Zeit gab das Schloß nach, worauf sich die Tür auftat.
Benjamin war augenscheinlich emsig darauf bedacht gewesen, von dem Geld, das er schon als verfallen betrachtete, soviel wie möglich in seinem eigenen Interesse zu retten; denn er hatte während des Nachmittags und Abends seinem Lieblingsfaß im ›Kühnen Dragoner‹ so wacker zugesprochen, daß er sich jetzt in jenem Zustand befand, den die Matrosenpoesie mit dem Ausdruck ›halb über See‹ bezeichnet, was in ehrlichem Deutsch ›halb betrunken‹ bedeutet. Der alte Seemann ließ sich durch die Wirkungen des Branntweins nicht leicht aus dem Gleichgewicht bringen; denn seinem eigenen Ausdruck nach war er »zu niedrig aufgetakelt, um nicht in allen Wettern Segel führen zu können«; gleichwohl konnte über seine gegenwärtige Stimmung, die er selbst eine ›schlammige‹ nannte, kein Zweifel obwalten. Sobald er bemerkte, wer die Besuchenden waren, zog er sich nach der Seite des Gemachs zurück, wo seine Streu lag, und ohne sich durch die Anwesenheit seiner jungen Gebieterin stören zu lassen, setzte er sich, indem er eine ganz nüchterne Miene annahm, auf derselben nieder und drückte seinen Rücken fest gegen die Wand.
»Wenn Ihr meine Schlösser in dieser Weise zu verderben gedenkt, Herr Pump«, begann der Schließer, »so will ich Euch einen Stopper, wie Ihr es nennt, an die Beine legen, der Euch das Aufstehen von Eurem Bett verleiden soll.«
»Warum so, Meister?« brummte Benjamin »Ich habe heute schon, mit den Fersen vor Anker liegend, eine Bö ausgehalten und brauche keine zweite. Was ist’s denn Arges, wenn ich dasselbe tue wie Ihr? Laßt außen Eure Riegel weg, und ich verspreche Euch, daß Ihr auch innen keine Hemmkette finden sollt.«
»Ich muß um neun Uhr abschließen«, sagte der Kerkermeister »und jetzt sind’s zweiundvierzig Minuten über acht.«
Er stellte die kleine Kerze auf einen rohen Fichtentisch und entfernte sich.
»Lederstrumpf«, begann Elisabeth, sobald sich der Schlüssel im Schloß wieder umgedreht hatte, »mein guter Freund Lederstrumpf. Die Gefühle des Dankes führen mich zu Euch. Ach, hättet Ihr Euch doch der Haussuchung unterworfen, würdiger, alter Mann; denn da das Erlegen eines Hirsches nur eine Kleinigkeit ist, so wäre alles gut abgelaufen – –«
»Der Haussuchung unterworfen?« fiel ihr Natty ins Wort, indem er das auf seinen Knien ruhende Gesicht erhob, ohne jedoch den Winkel, wo er sich niedergesetzt hatte, zu verlassen oder aufzustehen. »Meinen Sie denn, Frauenzimmerchen, ich würde ein solches Gewürm in meine Hütte lassen? Nein, nein, – ich hätte damals nicht einmal Ihrem eigenen süßen Antlitz die Tür geöffnet. Jetzt können sie meinetwegen unter den Kohlen und in der Asche suchen; sie werden nichts weiter finden als einen Haufen, wie man ihn bei jeder Pottaschebrennerei in den Bergen findet.«
Der alte Mann ließ sein Gesicht wieder auf die Hand sinken und schien in tiefe Schwermut verloren.
»Die Hütte kann wiederhergestellt und besser gebaut werden, als sie früher war«, versetzte Miss Temple, »auch werde ich, sobald Eure Haft zu Ende ist, Sorge dafür tragen, daß es geschehe.«
»Kann man Tote ins Leben zurückrufen, Kind?« entgegnete Natty bekümmert. »Kann man zu dem Ort gehen, wo man Vater, Mutter und Kinder hingelegt hat, um ihre Asche zu sammeln und sie wieder zu Männern und Weibern zu machen, wie früher? Sie wissen nicht, was es heißt, das Haupt mehr als vierzig Jahre unter dem Schutz derselben Holzstämme niederzulegen und den größten Teil seines Lebens dieselben Dinge um sich zu haben. Sie sind noch jung, mein Kind, aber Sie gehören unter die köstlichsten Geschöpfe Gottes. Ich habe für Sie eine Hoffnung gehegt, aber jetzt ist alles vorbei; der neueste Vorgang, zu dem übrigen gelegt, wird ihm für immer jeden Gedanken daran vertreiben.«
Miss Temple mußte das, was der alte Mann sagen wollte, besser verstanden haben als die übrigen Zuhörer; denn während Luise unschuldig und voll Mitleid über den Kummer des Jägers an ihrer Seite stand, wandte sie das Gesicht ab, um die Glut ihrer Wangen zu verbergen. Doch diese Bewegung währte, gleich dem Gefühl, das sie hervorgerufen hatte, nur einen Augenblick.
»Es gibt andere und sogar bessere Holzstämme«, fuhr sie fort, »und sie sollen für Euch, meinen alten Beschützer, herbeigeschafft werden. Eure Haft wird nicht lange dauern, und noch ehe sie abgelaufen ist, soll ein Haus für Euch dastehen, wo Ihr den Rest Eures harmlosen Lebens in Ruhe und Überfluß zubringen könnt.«
»Haus? Ruhe und Überfluß?« wiederholte Natty langsam. »Nun, Sie meinen es gut, Sie meinen es gut, und es tut mir recht leid, daß es nicht sein kann; aber er hat gesehen, wie man mich zum Gespött der Menge in den Stock steckte – –«
»Zum Teufel mit Eurem Stock«, rief Benjamin, indem er mit seiner Flasche, aus der er wiederholt tiefe Züge getan hatte, in der Luft herumfuchtelte, während er mit der anderen Hand Gebärden der Verachtung machte, »wer kümmert sich um solche hölzernen Strümpfe? Dieses Bein da, seht Ihr, ist auch eine Stunde lang wie ein Klüverbaum an seinem Ende in der Klemme gewesen, und ist es deshalb schlechter geworden, he? Kannst du mir sagen, um was es schlechter geworden ist, he?«
»Ich glaube, Ihr vergeßt, Herr Pump, wer zugegen ist«, bemerkte Elisabeth.
»Sie vergessen, Miss Lizzy?« versetzte der Hausmeister. »Soll mich der Teufel holen, wenn ich das tue. Sie vergißt man nicht so leicht wie die gute Prettybones in dem großen Haus dort. Ich sage Euch, alter Scharfschütze, sie mag wohl hübsche Knochen haben, aber von ihrem Fleisch kann nicht viel die Rede sein; denn seht Ihr, ihr Äußeres ist so ziemlich das eines Skeletts, welches von jemand anders einen Rock geborgt hat. Was die Haut ihres Gesichtes anbelangt, so hat sie ganz die Farbe eines neuen Toppsegels mit steif angelegtem Bolzentau, gut passend am Liek, aber alles schlaff und schlottrig im inneren Zeug.«
»Still – ich befehle Euch zu schweigen«, entgegnete Elisabeth.
»Gut, gut, Fräulein«, erwiderte der Hausmeister, »aber das Trinken werden Sie mir doch nicht verwehren wollen?«
»Es handelt sich jetzt nicht darum, was aus anderen werden wird«, sagte Miss Temple, zu dem Jäger gewendet »Ich wünsche, mit Euch von Eurer eigenen Zukunft zu sprechen, Natty. Es soll mein Geschäft sein, Sorge zu tragen, daß Ihr den Rest Eurer Tage in Ruhe und Überfluß zubringen könnt.«
»Ruhe und Überfluß?« wiederholte Lederstrumpf abermals. »Welche Ruhe hat ein alter Mann zu erwarten, der meilenweit über ein offenes Feld gehen muß, ehe er einen Schatten finden kann, der ihn gegen die sengende Sonne schützt? Und wie mögen Sie von Überfluß sprechen, wo man einen Tag unterwegs sein kann, ohne auf einen Bock zu stoßen oder etwas Größeres zu sehen als ein Wiesel oder allenfalls einen verirrten Fuchs? Ach! sogar die Biber werden mir sauer werden, die ich brauche, um die Strafe zu bezahlen; denn ich muß fast hundert Meilen bis an die pennsylvanische Grenze hinaufwandern, um welche zu treffen, da hierherum nichts der Art zu finden ist. Nein, nein – Eure Verbesserungen und Lichtungen haben diese schlauen Tiere aus dem Lande getrieben, und statt der Biberdämme, welche, nach Anordnung der Vorsehung, der Instinkt dieser Tiere schuf, führt ihr das Wasser mit Euren Mühldämmen durch die Niederungen, als ob der Mensch das Recht hätte, den Tropfen in seinem Lauf zu hemmen, den ihm Gottes Wille angewiesen hat. – Benny, wenn Ihr nicht ablaßt, Eure Hand so oft zum Mund zu führen, so werdet Ihr nicht zum Aufbruch bereit sein, wenn die Zeit kommt.«
»Hört, Meister Bumppo«, sagte der Majordomo, »kümmert Euch nicht um Ben. Wenn die Wache ruft, so stellt mich auf meine Beine und gebt mir die Höhe und Weite des Ortes an, wohin Ihr steuern wollt; ich steh’ Euch dafür, ich segle dann mit dem Besten von Euch um die Wette.«
»Die Zeit ist bereits gekommen«, versetzte der Jäger aufhorchend, »ich