Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
Sie errötete sogar ein wenig, als sie sich an den jungen Jäger wandte und mit dem Zauber weiblicher Anmut begann:
»Ich habe mein Glück nur versucht, um Zeuge von Lederstrumpfs Geschicklichkeit zu sein. Wollt Ihr den Vogel als einen kleinen Ersatz dafür annehmen, daß die erhaltene Beschädigung Euch hinderte, den Preis selber zu gewinnen?«
Den Ausdruck, womit der Jüngling dieses Geschenk annahm, wagen wir nicht zu beschreiben. Er schien sich dieser freundlichen Begegnung zu fügen, ungeachtet eines starken innern Dranges, das Gegenteil zu tun. Er verbeugte sich und nahm das Opfer schweigend von ihren Füßen auf.
Elisabeth reichte dem Schwarzen ein Silberstück als Entschädigung für seinen Verlust, was abermals seine Wirkung auf das Muskelspiel des Negers nicht verfehlte, und erklärte sodann ihrem Begleiter, daß sie nach Hause zu gehen wünsche.
»Warte noch ein Weilchen, Bäschen«, rief Richard. »Es walten in den Regeln bei dieser Belustigung Unsicherheiten ob, die ich füglicherweise beseitigen muß. Wenn ihr morgen ein Komitee an mich absenden wollt, meine Herren, so werde ich eine Schießordnung niederschreiben – –«
Er hielt etwas unwillig inne; denn in diesem Augenblick wurde eine Hand vertraulich auf die Schulter des Obersheriffs von – – gelegt
»Fröhliche Weihnachten, Vetter Dick«, sagte Richter Temple, der sich unbemerkt der Gesellschaft genähert hatte. »Ich muß ein wachsames Auge auf meine Tochter haben, wenn sich bei dir solche galanten Anfälle öfters wiederholen sollten. Ich bewundere deinen Geschmack, daß du eine Dame zu solchen Auftritten führen kannst.«
»Ihr Eigensinn ist schuld daran, Duke«, rief der enttäuschte Sheriff, der das Abgewinnen der ersten Begrüßung ebenso schmerzlich empfand wie mancher Mann ein viel größeres Unglück, »aber ich muß sagen, daß sie auf die unverfänglichste Weise von der Welt dazu gekommen ist. Ich ging mit ihr, um ihr die Verbesserungen zu zeigen, und wie sie den ersten Knall der Feuerwaffen hörte, ging es weiter durch den Schnee, als ob sie in einem Lager und nicht in einer Klosterschule ersten Ranges erzogen worden wäre. Ich denke, Richter Temple, solche gefährlichen Belustigungen sollten durch ein Gesetz verboten werden. Ja, ich weiß nicht, ob sie’s nicht vielleicht schon sind.«
»Nun, es ziemt dir als Sheriff des Bezirks, die Sache zu untersuchen«, entgegnete Marmaduke lächelnd. »Ich sehe, daß Beß sich ihres Auftrags entledigt hat, und will hoffen, daß er eine gütige Aufnahme fand.«
Richard ließ einen Blick auf das Paket fallen, das er in der Hand hatte, und der Unmut über die fehlgeschlagene erste Gratulation verschwand augenblicklich.
»Ah, Duke, lieber Vetter!« sagte er; »komm ein wenig beiseite, ich habe dir etwas zu sagen.«
Marmaduke willfahrte, und der Sheriff führte ihn nach einem etwas abgelegenen Gebüsch und fuhr fort:
»Erstlich, Duke, muß ich dir meinen Dank abstatten für deine freundliche Empfehlung bei dem Gouverneur, da ohne eine solche, wie ich wohl weiß, selbst das hervorstechendste Verdienst nur wenig fruchtet. Aber wir sind Geschwisterkinder – wir sind Geschwisterkinder, und du magst mich verwenden wie eines deiner Pferde – zum Reiten oder Fahren; ich bin ganz der deine. Auf diesen jungen Gefährten Lederstrumpfs muß man jedoch meiner unmaßgeblichen Ansicht nach ein wachsames Auge haben. Er hegt eine sehr gefährliche Vorliebe für Truthühner.«
»Überlaß ihn meiner Behandlung, Dick«, sagte der Richter, »er soll so viel davon haben, daß ihm der Appetit danach vergeht. Ich habe ein Wort mit ihm zu reden. Laß uns zurückgehen zu den Schützen.«
XVIII
Der Arme! Sie, die ihn gebar –
Böt’ hier er ihrem Blick sich dar,
So abgezehrt im dunklen Haar, –
Sie würde nicht ihr Kind erkennen.
Scott
Es tat der Unterredung, welche zwischen dem Richter Temple und dem Jäger stattfinden sollte, durchaus keinen Eintrag, daß der erstere seine Tochter beim Arme nahm und von der Stelle, wo er mit Richard gesprochen, auf den Ort zuging, wo der Jüngling, auf seine Büchse gestützt, stand und den toten Vogel zu seinen Füßen betrachtete. Auch die Schützengesellschaft ließ sich durch des Richters Anwesenheit nicht stören, sondern stritt sich laut um die Schußbedingungen, bei denen es sich um das Leben eines Vogels von weit geringerem Rang, verglichen mit dem vorigen, handelte. Lederstrumpf und Mohegan hatten sich zu ihrem jugendlichen Gefährten zurückgezogen, und trotz der unmittelbaren Nachbarschaft eines so großen Gedränges wurde das folgende Gespräch doch nur von den dabei Beteiligten vernommen.
»Ich habe Euch eine schlimme Beschädigung zugefügt, Herr Edwards«, begann der Richter, aber das plötzliche und unerklärliche Auffahren, womit der junge Mann diese unerwartete Anrede entgegennahm, ließ ihn eine Weile innehalten. Da keine Antwort erfolgte und die gewaltige Aufregung, die sich in den Zügen des Jünglings aussprach, allmählich wich, so fuhr Marmaduke fort: »Doch zum Glück steht es einigermaßen in meiner Macht, das was ich getan, wiedergutzumachen. Mein Vetter Richard Jones hat eine Anstellung erhalten, die mich für die Zukunft seiner Beihilfe berauben wird, obgleich ich eben jetzt eines Mannes, der mit der Feder gut umzugehen weiß, recht sehr bedarf. Euer Benehmen ist mir trotz Eures Äußeren ein hinreichender Bürge für Eure gute Erziehung, und ein verwundeter Arm wird dir vor der Hand wohl keine andere Beschäftigung erlauben (Marmaduke verfiel nämlich, wenn er warm wurde, leicht in die vertrauliche Sprache der Freundschaft, ohne daß er es merkte.) Mein Haus steht dir offen, junger Freund; denn in diesem neuen Lande findet der Argwohn keinen Boden, da es der bösen Begierde nur wenig Verführerisches bietet. Leiste mir – wenigstens für einige Monate – Beistand, und du sollst belohnt werden, wie es deine Dienste verdienen.«
Es lag weder in dem Benehmen noch in dem Anerbieten des Richters etwas, was das Widerstreben, wir möchten fast sagen: den Unmut rechtfertigen konnte, womit der Jüngling diese Worte anhörte. Nach einer gewaltsamen Anstrengung, sich zusammenzunehmen, erwiderte er endlich:
»Ich würde Ihnen, Sir, oder einem andern Manne gerne dienen, um mich ehrlich fortzubringen; denn ich will nicht verhehlen, daß ich vielleicht in einer noch bedrängteren Lage bin, als sich aus meinem Äußeren schließen läßt. Aber ich fürchte, daß solche neuen Verbindlichkeiten mich an einem wichtigeren Geschäft hindern könnten, weshalb ich Ihr Anerbieten ablehnen und mich, wie bisher, hinsichtlich meines Unterhalts auf meine Büchse verlassen muß.«
Richard nahm jetzt die Gelegenheit wahr, der jungen Dame, welche sich ein wenig in den Hintergrund gezogen hatte, zuzuflüstern:
»Siehst du, Bäschen Elisabeth; das ist der natürliche Widerwille eines Mischlings, den Zustand der Wildheit zu verlassen. Ich glaube in der Tat, ihre Vorliebe für das Vagabundenleben ist unabänderlich.«
»Du greifst da zu einem unsichern Gewerbe«, versetzte Marmaduke, der nichts von des Sheriffs Worten gehört hatte, »welches noch viel mehr Übles mit sich führt als die Not des Augenblicks. Glaube einem Mann, junger Freund, der mehr Erfahrung besitzt als du, wenn er dir sagt, daß das unstete Leben eines Jägers keine zeitlichen Güter bringt und den Mann ganz und gar von einem höheren, heiligeren Ziel abführt.«
»Nein, nein, Richter«, fiel Lederstrumpf ein, der bis jetzt unbemerkt oder doch unbeachtet geblieben war, »Sie mögen ihn meinetwegen in Ihr Haus mitnehmen, aber Sie müssen ihm auch die Wahrheit sagen. Ich habe vierzig Jahre in den Wäldern zugebracht und fünf Jahre gelebt, ohne eine größere Lichtung zu sehen als eine Windgasse in den Bäumen; und doch möchte ich wissen, wo Sie einen Mann in seinem achtundsechzigsten Jahr finden wollen, der ein ruhigeres Leben führte, trotz der neumodischen Verbesserungen und Jagdgesetze. Was außerdem die Ehrlichkeit, und das, was unter seinen Nebenmenschen Rechtens ist, anbelangt, so geb’ ich dabei dem langatmigsten Priester in Eurem Patent kein Haar nach.«
»Du machst eine Ausnahme, Lederstrumpf«, entgegnete