Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

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wie das Herz des Richters an solchen Dingen hängt, so sei es am besten, wenn ich das Dokument hier ausfertigen ließe. Zudem bin ich viel in den Wäldern wegen des Bauholzes und möchte mir daher Lederstrumpf nicht gerne zum Feind machen. Nun hat aber der Richter ein Gewicht in der Grafschaft, das ihn aller Besorgnisse überhebt.«

      Miss Temple wandte ihr Antlitz nach dem hartnäckigen Baukünstler und fragte: »Was hätte wohl ein ehrlicher Mann von dem alten Lederstrumpf zu besorgen?«

      »Ei Miss, es ist nicht schwerer, die Büchse auf eine Magistratsperson abzudrücken als auf einen Panther. Wenn übrigens der Richter die Vollmacht nicht geben will, so muß ich freilich heimgehen und sie selbst ausfertigen.«

      »Ich habe Euch mit Eurem Gesuch nicht abgewiesen, Sir«, versetzte Marmaduke, dem es mit einemmal klar wurde, daß sein Ruf der Unparteilichkeit auf dem Spiele stand. »Geht auf mein Arbeitszimmer, Herr Doolittle, ich will nachkommen und den Befehl unterzeichnen.«

      Richter Temple beschwichtigte die Gegenreden, welche Elisabeth nach Hirams Entfernung vorbringen wollte, dadurch, daß er die Hand auf ihren Mund legte und sagte: »Die Sache klingt schlimmer, als sie wirklich ist, mein Kind. Vermutlich hat Lederstrumpf einen Hirsch geschossen; denn die Jagdzeit ist nicht mehr fern, und wie du selber sagst, war er mit seinen Hunden aus, als er dir in einem so gelegenen Augenblick Hilfe brachte. Aber was ist’s auch, wenn man seine Hütte untersucht und das Tier darin findet, da du ja die Strafe aus deinem eigenen Beutel zahlen kannst, Beß. Ich sehe wohl, diese Harpyie will sich durch nichts als durch die dreizehneinhalb Dollar beschwichtigen lassen, und sicherlich ist mein Ruf als Richter mehr wert als diese Kleinigkeit.«

      Elisabeth ließ sich durch diese Versicherung vollkommen beruhigen, und ihr Vater entfernte sich, um das Hiram gegebene Versprechen zu erfüllen.

      Als Richter Marmaduke nach Vollziehung dieser unangenehmen Pflicht sein Arbeitszimmer verließ, traf er auf Oliver Edwards, der mit weiten Schritten und einem sehr aufgeregten Gesicht den Kiesweg vor dem Herrenhaus heraufkam. Sobald der Jüngling des Richters ansichtig wurde, trat er auf ihn zu und rief ihm mit einer Wärme, die er selten gegen Marmaduke an den Tag legte, entgegen:

      »Ich wünsche Ihnen Glück, aus dem Grunde meines Herzens wünsche ich Ihnen Glück, Richter Temple. Schon ein Augenblick des Zurückschauens auf ein solches Los wäre entsetzlich gewesen! Ich habe eben die Hütte verlassen, wo der alte Natty, nachdem er mir seine Skalpe gezeigt, gelegentlich auch der Rettung der Damen erwähnte. In der Tat, Sir, meine Worte vermögen nicht die Hälfte von dem auszudrücken, was ich« – der Jüngling hielt einen Augenblick inne, als erinnere er sich plötzlich, daß er vorgezeichnete Grenzen überschreite, und schloß mit großer Verlegenheit – »was ich bei dieser Gefahr für Miss Grant und – Ihre Tochter fühlte, Sir.«

      Marmadukes Herz fühlte sich jedoch zu weich gestimmt, um sich bei Kleinigkeiten aufzuhalten, und ohne die Verwirrung des andern zu beachten, entgegnete er: »Ich danke dir, ich danke dir, Oliver, du hast recht – schon der Gedanke an ein so entsetzliches Ende wäre unerträglich gewesen. Doch komm mit zu Beß; denn Luise ist bereits in die Rektorei zurückgekehrt.«

      Der junge Mann eilte voran, warf die Tür auf, an der seine Hast dem Richter kaum den Vortritt gestattete, und befand sich im Nu in Elisabeths Zimmer. Die abgemessene Kälte, die sich so oft in den Verkehr der Erbin mit Edwards mischte, war jetzt ganz verschwunden, und die drei ergingen sich zwei Stunden lang in der freien und ungezwungenen Weise alter und geschätzter Freunde. Richter Temple dachte nicht mehr an den Argwohn, den er während seines Morgenritts gefaßt, und die jungen Leute plauderten, lachten oder wurden traurig, je nachdem es der Augenblick mit sich brachte. Endlich griff Edwards – bereits zum dritten Male – nach dem Hut und verließ das Herrenhaus, um in gleich freundlicher Absicht die Rektorei zu besuchen.

      Inzwischen ging bei der Hütte ein Auftritt vor, der die wohlwollenden Absichten zugunsten Lederstrumpfs völlig vereitelte und mit einem Male die Harmonie zwischen dem Richter und dem Jüngling zerstörte.

      Sobald Hiram Doolittle die Haussuchungsvollmacht in der Tasche hatte, war es sein erstes Geschäft, einen geeigneten Vollstrecker aufzusuchen. Der Sheriff war abwesend, um in Person das Amt des Gerichtsboten zu versehen; sein im Dorf wohnender Gehilfe besuchte in der gleichen Absicht die verschiedenen Teile der Niederlassung, und der regelmäßige Konstabler des Fleckens hatte seine Stellung nur dem Mitleid zu danken, da er an einem Bein gelähmt war. Hiram beabsichtigte, den Bevollmächtigten als Zuschauer zu begleiten, ohne sich jedoch sehr danach zu sehnen, förmlich an dem Treffen teilzunehmen. Außerdem war es Sonnabend, und die Sonne warf bereits die Schatten der Fichten gegen Osten. Die gewissenhafte Magistratsperson wollte ihre Seele nicht mit der Sünde belasten, ein solches Geschäft am Sonntag vorzunehmen, und am Montag waren das Wildbret und alle Spuren des erlegten Hirsches wahrscheinlich schon längst verborgen und vernichtet. Da traf glücklicherweise sein Auge auf die umherschlendernde Gestalt Billy Kirbys, und der um ähnliche Auskunftsmittel nie verlegene Hiram sah mit einem Male einen Ausweg.

      Der in die Sache mitverflochtene Jotham, der auf Geheiß seines Beschützers das Gebirge verlassen hatte, aber unglücklicherweise Hirams Nervenschwäche teilte, wurde beauftragt, den Holzfäller nach der Wohnung des Friedensrichters zu bescheiden.

      Als Billy erschien, wurde er – freilich, nachdem er sich bereits gesetzt hatte – höflich eingeladen, einen Stuhl zu nehmen, und mit soviel Achtung behandelt, als befände er sich seinesgleichen gegenüber.

      »Richter Temple ist fest entschlossen, dem Jagdgesetz Kraft zu geben«, begann Hiram, nachdem die Höflichkeitspräliminarien vorüber waren, »und da wegen eines erlegten Hirsches eine Klage eingereicht worden ist, so hat er einen Haussuchungsbefehl ausgefertigt und mich rufen lassen, damit ich einen Vollstrecker desselben ausfindig mache.«

      Kirby, der keinen Begriff davon hatte, daß er von der Beratung einer Sache, in welcher er verwendet werden sollte, ausgeschlossen bleiben könne, warf seinen buschigen Kopf nachdenkend in die Höhe und begann nach kurzem Besinnen einige Fragen zu stellen.

      »Ist denn der Sheriff nicht zu haben?«

      »Er läßt sich nicht auffinden »

      »Und sein Gehilfe?«

      »Beide befinden sich an der Grenze des Patents.«

      »Aber ich sah erst vor einer Stunde noch den Konstabler durch den Flecken hinken.«

      »Ja, ja«, entgegnete Hiram mit gewinnendem Lächeln und einem schlauen Kopfnicken. »Aber für dieses Geschäft braucht man einen Mann, keinen Krüppel.«

      »Ei«, erwiderte Kirby lachend; »glaubt Ihr, der Bursche werde Widerstand leisten?«

      »Er ist zuzeiten etwas händelsüchtig und hält sich für den besten Ringer im Bezirk.«

      »Ich hörte ihn einmal dicktun«, fügte Jotham bei, »daß es zwischen den Mohawk-Ebenen und der pennsylvanischen Grenze keinen Mann gebe, der sich im Faustkampf mit ihm messen könne.«

      »Meint er?« rief Kirby, indem er seinen riesigen Körper wie ein in seinem Lager sich streckender Löwe vom Sitz aufrichtete. »Ich schätze wohl, daß er nie die Knöchel einer Vermonter Faust auf seinem Rückgrat gefühlt hat Aber von wem ist die Rede?«

      »Nun«, sagte Jotham, »es ist –«

      »Es ist gegen das Gesetz, einen Namen zu nennen«, fiel Hiram ein, »solange Ihr Euch nicht zum Dienst verpflichtet habt Ihr seid ganz der Mann, es mit ihm aufzunehmen, Bill, und wenn Ihr ein Stück Geld verdienen wollt, so sollt Ihr in einer Minute speziell beauftragt sein.«

      »Und wie ist’s mit dem Stück Geld?« versetzte Kirby, indem er seine breite Hand auf die Blätter eines Statutenbuchs legte, das Hiram aufgeschlagen hatte, um seinem Amt einen würdevolleren Anstrich zu verleihen. Der Holzfäller warf in seiner rauhen Weise die Blätter hin und her, als ob er sich über eine Sache besinne, in welcher er allerdings bereits einen Entschluß gefaßt hatte, und fügte bei: »Wird es einen auch für ein Loch im Kopfe schadlos halten?«

      »Ihr werdet damit zufrieden sein«, erklärte Hiram.

      »Ei,


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