Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

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glaube – ich glaube, ich habe mich dort besser benommen; denn sogar Miss Grant weinte, als ich ihr meine Teilnahme ausdrückte.«

      Elisabeth, schwieg einen Augenblick und bedeckte abermals die Augen mit ihrer Hand. Diese Erregung war jedoch nur vorübergehend; sie erhob ihr Antlitz aufs neue und fuhr lächelnd fort:

      »Ihr Freund Lederstrumpf ist nun auch der meinige geworden, Edwards, und ich dachte eben daran, wie ich ihm am besten einen Dienst leisten könnte. Vielleicht sind Sie, der Sie so gut mit seinen Gewohnheiten und Bedürfnissen bekannt sind, imstande, mir zu sagen – –«

      »Oh, gewiß –« rief der Jüngling mit einem Ungestüm, über den die Dame erschrak – »gewiß bin ich’s imstande, und Gott möge Ihren guten Willen belohnen! Natty ist so unklug gewesen, das Gesetz zu vergessen, und hat heute einen Hirsch getötet; ich glaube sogar, daß ich an der Straftat mitschuldig bin, da ich bei dem ganzen Vorgang teilgenommen habe. Bei Ihrem Vater ist eine Klage vorgebracht worden, und er hat eine Vollmacht zur Haussuchung –«

      »Ich weiß alles«, unterbrach ihn Elisabeth, »ich weiß alles. Der gesetzlichen Form mußte Genüge geschehen. Die Durchsuchung des Hauses war notwendig, um den Hirsch auffinden und die Strafe erkennen zu können. Aber ich muß Ihnen eine frühere Frage zurückgeben. Haben Sie so lange in unserer Familie gelebt, nur um uns nicht zu kennen? Sehen Sie mich an, Oliver Edwards! Erscheint Ihnen mein Äußeres wie das einer Person, die zugeben würde, daß ein Mann, der ihr eben erst das Leben gerettet hat, für eine so kleine Summe, wie diese Strafe ist, in einem Gefängnis schmachte? Nein, nein, Sir, mein Vater ist nicht allein Richter, sondern auch Mensch und Christ. Die Sache ist bereits vorher zwischen uns besprochen worden, und es soll dem alten Manne kein Leid geschehen.«

      »Welch eine Last von Besorgnissen wälzen Sie durch diese Erklärung von meiner Brust!« rief Edwards. »Er soll also nicht wieder beunruhigt werden? Ihr Vater will ihn beschützen? Ich habe Ihre Versicherung, Miss Temple, und muß es daher glauben.«

      »Sie sollen seine eigene haben, Herr Edwards«, entgegnete Elisabeth, »denn da kommt er eben.«

      Aber das Äußere Marmadukes, als er in das Zimmer trat, stand ganz im Gegensatz zu den schmeichelhaften Hoffnungen seiner Tochter. Seine Stirn war tief gefurcht und seine Miene verstört. Weder Elisabeth noch der Jüngling sprachen; sie ließen den Richter etliche Male im Zimmer auf und ab gehen, worauf er anfing:

      »Unsere Pläne sind vereitelt, Mädchen! Lederstrumpfs Starrsinn hat den ganzen Unwillen des Gesetzes auf sein Haupt herabgerufen, und es steht jetzt außer meiner Macht, ihn abzuwenden.«

      »Wieso? In welcher Weise?« rief Elisabeth. »Die Geldstrafe ist für nichts anzuschlagen, gewiß – –«

      »Ich erwartete nicht, – ich konnte nicht voraussetzen, daß ein alter freundloser Mann wie er es wagen würde, den Beamten der Gerechtigkeit Widerstand entgegenzusetzen«, fiel ihr der Richter ins Wort »Ich hoffte, daß er »ich der Strafe unterwerfen würde, und mit Bezahlung der Strafe wäre dem Gesetz Genüge geschehen; jetzt aber hat er seine ganze Strenge zu erwarten.«

      »Und welche Strafe könnte über ihn erkannt werden, Sir?« fragte Edwards, der sich bemühte, Festigkeit in den Ton seiner Stimme zu bringen.

      Marmaduke wandte sich rasch nach der Stelle um, nach welcher sich der Jüngling zurückgezogen hatte, und rief:

      »Ah, Sie hier? Ich habe Sie nicht wahrgenommen. Ich weiß nicht, was das Ende sein wird, Sir; denn ein Richter kann nicht entscheiden, bis er die Zeugen verhört und die Jury ihr Verdikt ausgesprochen hat. Jedenfalls können Sie übrigens versichert sein, Herr Edwards, daß geschehen wird, was das Gesetz heischt wenn ich auch eine augenblickliche Schwäche an den Tag gelegt haben mag, weil der unglückliche Mann meiner Tochter einen so ausgezeichneten Dienst erwiesen hat.«

      »Niemand bezweifelt meines Wissens den Gerechtigkeitssinn des Richters Temple«, entgegnete Edwards bitter, »aber reden wir ruhig von der Sache. Werden nicht die Jahre, die Gewohnheiten und insbesondere die Unwissenheit meines alten Freundes ihm gegen diese Anklage Schutz verleihen?«

      »Wie wäre das möglich? Diese Einreden mögen seine Schuld vielleicht mindern, aber können sie dieselbe austilgen? Läßt sich überhaupt ein geselliger Verband denken, junger Mann, wo man den Dienern der Gerechtigkeit mit bewaffneter Faust entgegentritt? Sollte ich nur deshalb die Wildnis gezähmt haben?«

      »Wenn Sie die Bestien gezähmt hätten, welche so kürzlich noch Miss Temples Leben bedrohten, Sir, so möchten Ihre Argumente allenfalls besser am Platze sein.«

      »Edwards!« rief Elisabeth – –

      »Ruhig, mein Kind«, unterbrach sie der Vater. »Der junge Mann ist ungerecht, ohne daß ich ihm Anlaß dazu gegeben hätte. Ich will Nachsicht mit deinen Worten haben, Oliver; denn ich weiß, daß du ein Freund Nattys bist, und deshalb hat dich dein Eifer für ihn zu weit geführt.«

      »Ja, er ist mein Freund«, rief Edwards, »und ich bin stolz auf diesen Titel. Er ist zwar einfach, ungelehrt, sogar unwissend, und man könnte ihm vielleicht Vorurteile zur Last legen, obgleich ich fühle, daß seine Ansicht von der Welt nur zu richtig ist. Aber er hat ein Herz, Richter Temple, das für tausend Fehler Ersatz leistet; er kennt seine Freunde und verläßt sie nie, und wenn es auch nur seine Hunde wären.«

      »Das ist allerdings ein lobenswerter Charakter, Herr Edwards«, entgegnete der Richter mit Milde, »ich bin aber nie so glücklich gewesen, seine Achtung zu gewinnen; denn gegen mich war er immer zurückstoßend, was ich ihm übrigens als Grille eines alten Mannes nachgesehen habe. Auch soll er, wenn ich ihm als sein Richter entgegentreten muß, wegen seines früheren Benehmens nichts von mir zu befürchten haben, ebensowenig wie seine kürzlich geleisteten Dienste sein Verbrechen mildern können.«

      »Verbrechen?« wiederholte Edwards. »Ist es ein Verbrechen, einen lauernden Spürhund von seiner Tür zu treiben? Verbrechen! O nein, Sir, wenn in dieser Sache ein Verbrechen vorgefallen ist, so kommt es nicht auf seine Rechnung.«

      »Auf wessen sonst, Sir?« fragte Richter Temple, indem er den aufgeregten Jüngling mit seiner gewohnten Ruhe ins Auge faßte.

      Diese Frage war mehr, als der junge Mann ertragen konnte. Bisher hatten seine Gefühle mehr in der Tiefe seiner Seele getobt, aber nun kam der Vulkan zum Ausbruch.

      »Auf wessen? Und das mir«, rief er. »Frage dein eigenes Gewissen, Richter Temple! Gehe hinaus zu dieser Tür und betrachte das Tal, den ruhigen See, diese schattigen Berge, und frage dein eigenes Herz, wenn du eines hast: woher kamen diese Reichtümer, dieses Tal, diese Berge, und warum bin ich ihr Besitzer? Ich sollte meinen, die Gestalten Mohegans und Lederstrumpfs, die verarmt und verlassen durch das Land ziehen, sollten dir allein schon den Anblick verleiden.«

      Marmaduke hörte diesen leidenschaftlichen Ausbruch anfangs mit hohem Erstaunen an; aber als der Jüngling geendet hatte, winkte er seiner ungeduldigen Tochter zu schweigen und erwiderte:

      »Oliver Edwards, du vergißt, vor wem du stehst. Ich habe gehört, junger Mann, daß du Ansprüche auf die Abkunft von den eingeborenen Eigentümern dieses Bodens gründest; aber sicherlich kann dir die Erziehung, die du erhalten, nichts nützen, wenn sie dich nicht gelehrt hat, die Rechte der Weißen anzuerkennen. Diese Ländereien sind mein Eigentum durch die Abtretung deiner Vorfahren, wenn es überhaupt mit deiner angeblichen Abkunft seine Richtigkeit hat, und ich rufe den Himmel zum Zeugen auf für den Gebrauch, den ich davon gemacht habe. Nach einer solchen Sprache müssen wir uns trennen. Ich habe dir zu lange Schutz in meinem Hause gegeben; aber jetzt ist die Zeit da, wo du es verlassen mußt. Komm auf mein Zimmer und ich will dir auszahlen, was ich dir noch schulde; auch soll dein jetziges Ungestüm deinem Glück nicht im Wege stehen, wenn du auf den Rat eines Mannes hören willst, der um so viele Jahre älter ist als du.«

      Das nicht zu bewältigende Gefühl, das einen so leidenschaftlichen Ausbruch des Jünglings herbeigeführt hatte, war entschwunden, und er sah Marmadukes sich entfernender Gestalt mit einer Leerheit in den Blicken nach, welche die Abwesenheit seines Geistes bekundete. Endlich faßte er sich und langsam im Zimmer umherblickend, bemerkte er Elisabeth, die noch immer mit


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