Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

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nachließen, wandte der Sheriff seine Augen abermals auf die Tafel, wo ihm noch weitere unerklärliche Hieroglyphen entgegentraten.

      »Was haben wir noch? Zwei boxende Männer? Hat ein Friedensbruch stattgefunden? Ja, so geht’s wenn ich dem Flecken nur einen Augenblick den Rücken zukehre – –«

      »Das ist der Richter und der junge Herr Edwards«, fiel ihm der Hausmeister ganz kavaliermäßig ins Wort.

      »Wie? Duke im Kampf mit Oliver? Was Teufels ist denn in euch alle gefahren? Hat sich doch in den letzten sechsunddreißig Stunden mehr zugetragen als in den verwichenen sechs Monaten zusammengenommen!«

      »Ja, so ist’s in der Tat, Squire«, entgegnete der Majordomo. »Ich habe einmal ein schmuckes Jagdschiff gesehen und ein Gefecht auf seinem Hinterteil, das nicht so viel in sein Logbuch brachte, wie ich hier auf dieser Schiefertafel habe. Es kam jedoch diesmal nicht zu Tätlichkeiten: sie haben nur ein bißchen das Maul gegeneinander gebraucht.«

      »Nur fort! nur fort!« rief Richard. »Es war wegen der Minen – ja, ja, ich sehe es, ich sehe es; hier ist ein Mann mit einer Haue auf seiner Schulter. Ihr hörtet also alles mit an, Benjamin?«

      »Ich weiß nicht, was sie für Mienen dabei machten, Squire«, erwiderte der Hausmeister, »aber so viel kann ich sagen, daß sie sich sehr offen gegeneinander aussprachen. Ich habe allerdings ein Stückchen davon mitangehört; denn die Fenster standen offen, und ich befand mich ganz in der Nähe. Aber das hier ist keine Haue, sondern ein Anker, den ein Mann auf der Schulter trägt; der andere Haken läuft auf dem Rücken herunter, freilich etwas zu nahe; das bedeutet, daß der Junge in See gestochen ist und seinen Hafen mit dem Rücken angesehen hat.«

      »So? Hat also Edwards das Haus verlassen?«

      »Ja.«

      Richard fuhr in dieser Weise fort, und nach einem langen und ausführlichen Verhör gelang es ihm, alles aus Benjamin herauszuholen – nicht nur das, was dieser von der stattgehabten Zwistigkeit wußte, sondern auch den Versuch, Nattys Hütte zu visitieren, und Hirams Niederlage. Der Sheriff war kaum im Besitz dieser Tatsachen, die Benjamin mit aller möglichen Rücksicht für Lederstrumpf berichtete, als er seinen Hut aufnahm, dem erstaunten Hausmeister befahl, die Türen zu schließen und zu Bett zu gehen, und das Haus verließ.

      Richard war schon eine Weile verschwunden, als Benjamin noch immer mit in die Seite gestemmten Armen und die Augen fest auf die Tür gerichtet dastand; endlich erholte er sich jedoch einigermaßen von seiner Verblüffung und schickte sich an, den erhaltenen Befehlen nachzukommen.

      Es ist bereits gesagt worden, daß das Bezirksgericht, über welches Marmaduke Temple den Vorsitz führte, am folgenden Morgen seine regelmäßige, periodische Sitzung abhalten sollte. Richards Begleiter waren Gerichtsdiener, die sowohl ihr durch die Sitzungen nötig gewordener Dienst als auch der Gefangenentransport nach dem Dorf gebracht hatte, und der Sheriff kannte ihre Gewohnheiten zu gut, um nicht überzeugt zu sein, daß er die meisten, wo nicht alle von ihnen, in dem Restaurationszimmer des Gefängnisses finden würde, wo sie die Eigenschaften des kerkermeisterlichen Branntweins besprachen. Er nahm daher seinen Weg durch die schweigsamen Straßen des Dorfes unmittelbar nach dem kleinen und unsicheren Gebäude, das alle Schuldner nebst einigen Verbrechern des Bezirks barg und wo für unkluge Prozeßkrämer Recht gesprochen wurde, die einfältig genug waren, zwei Dollars wegzuwerfen, um von ihren Nachbarn einen zu erhalten. Die Ankunft von vier Übeltätern unter der Bewachung von einem Dutzend Polizeibeamten war damals in Templeton ein Ereignis, und als der Sheriff bei dem Gefängnis anlangte, wies alles darauf hin, daß seine Untergebenen im Sinn hatten, die Nacht zu durchzechen.

      Der Wink des Sheriffs brachte zwei seiner Gehilfen an die Tür, die ihrerseits sechs oder sieben der Konstabler auswählten. Mit dieser Macht versehen, ging Richard durch das Dorf auf das Seeufer zu, ohne daß die Stille der nächtlichen Wanderung durch andere Laute unterbrochen wurde als hier und da durch das Bellen eines durch die gemessenen Schritte der Polizeimannschaft beunruhigten Kettenhundes oder durch das leise Gemurmel des Häufleins, das einige behutsame Fragen und Antworten hinsichtlich des Zwecks seiner Expedition wechselte. Als sie die kleine hölzerne Brücke, die über den Susquehanna führte, hinter sich hatten, bogen sie von der Straße ab und nach dem Felde ein, welches der Schauplatz des Sieges über die Tauben gewesen war. Von hier aus folgten sie ihrem Führer in das niedrige Fichten-und Kastaniengebüsch, das längs der Seeufer, wo der Pflug die Bäume noch nicht verdrängt hatte, aufschoß, und bald betraten sie den Wald selbst. Hier machte Richard halt und sammelte seine Schar um sich.

      »Ich habe euern Beistand aufgeboten, meine Freunde«, begann er leise, »um Nathanael Bumppo, gemeiniglich Lederstrumpf genannt, zu verhaften Er hat eine Magistratsperson tätlich mißhandelt und sich der Vollziehung eines Haussuchungsbefehls widersetzt, wobei er das Leben eines Konstablers mit seiner Büchse bedrohte. Mit einem Wort, meine Freunde, er hat das Beispiel einer Auflehnung gegen die Gesetze gegeben und ist somit gewissermaßen vogelfrei. Da noch außerdem der Verdacht anderer Vergehen gegen Privatrechte auf ihm lastet, so erachte ich es für meine Pflicht, kraft meines Amts als Sheriff besagten Bumppo noch in dieser Nacht festzunehmen und in das Bezirksgefängnis zu bringen, damit er zur Stelle sei, für diese schweren Anklagen in der morgigen Sitzung Rede zu stehen. Um dies zu vollziehen, meine Freunde und Mitbürger, bedarf es des Mutes und der Vorsicht – des Mutes, damit ihr euch nicht durch irgendwelche gesetzlose Versuche dieses Mannes, der uns vielleicht mit seiner Büchse Widerstand leistet, einschüchtern laßt; und der Klugheit, die hier besonders in Vorsicht bestehen muß, damit er nicht unserem plötzlichen Angriff entrinne; auch sind noch weitere gute Gründe vorhanden, die ich hier nicht zu erwähnen brauche. Ihr werdet daher seine Hütte umzingeln und auf meinen lauten Ruf »vorwärts« vordringen, seine Wohnung mit Gewalt öffnen und ihn zum Gefangenen machen, noch ehe der Verbrecher zur Überlegung Zeit findet. Verteilt euch daher zu diesem Zweck, während ich mit einem Gehilfen ans Ufer hinuntersteige, um diesen Punkt zu bewachen. Ich werde mich unter dem Damm vor der Hütte aufstellen, wohin alle Mitteilungen an mich persönlich zu ergehen haben.«

      Diese Rede, die Richard auf dem Herweg ausstudiert, hatte die Wirkung aller ähnlichen rhetorischen Produktionen – nämlich die, seinen Streitern die Gefahr des Unternehmens recht lebhaft zu Gemüte zu führen. Die Männer verteilten sich, indem sich die einen tiefer in den Wald zogen, um ohne Aufsehen zu ihren Posten zu gelangen, und die anderen vorwärts schritten, aber so langsam, daß der Zug recht wohl Ordnung halten konnte; überhaupt waren alle Vorkehrungen so getroffen, daß man den Angriff eines Hundes abschlagen oder aber einer Büchsenkugel ausweichen konnte. Es war ein Augenblick der ängstlichen Erwartung und des gespanntesten Interesses.

      Sobald der Sheriff glaubte, es sei nun Zeit genug verflossen, um es der Exekutionsmannschaft möglich zu machen, die angewiesenen Posten einzunehmen, unterbrach seine Stimme das Schweigen des Waldes, indem sie das Losungswort brüllte. Die Töne spielten unter den Bogen der Bäume in hohlen Kadenzen hin; aber als der letzte Laut verklungen war, ließ sich statt des erwarteten Hundegeheuls nichts anderes vernehmen als das Krachen einknickender, trockener Baumzweige unter den Füßen der vorrückenden Polizeibeamten. Doch auch dieses hörte, wie infolge allgemeiner Übereinkunft, bald auf, und nun gewannen bei dem Sheriff Neugierde und Ungeduld so vollständig die Oberhand über die Klugheit, daß Richard den Damm hinauf eilte und in einem Augenblick auf dem kleinen, gelichteten Grund vor der Stelle stand, wo Natty so lange gelebt hatte. Aber zu seinem größten Erstaunen sah er statt einer Hütte nichts als rauchende Trümmer. Das Exekutionspersonal sammelte sich allmählich um den Aschenhaufen und die glimmenden Holzblöcke, während eine schwache Flamme im Mittelpunkt des Brandplatzes, die noch Nahrung genug fand, um ihr zögerndes Leben zu fristen, ein bleiches Licht um sich goß, wenn sie in den vorübergehenden Strömungen der Luft aufflackerte und bald die erstaunt einander ansehenden Gesichter schauen ließ, bald dieselben wieder in nächtliche Dunkelheit begrub. Keine Stimme erhob sich, um zu fragen oder Verwunderung auszudrücken. Der Übergang von der Aufregung zur Täuschung war zu gewaltig, um Worten Raum zu geben, und selbst Richard verlor den Gebrauch eines Organs, das ihm nur selten den Dienst versagte.

      Die ganze Gruppe war noch in voller Verwunderung, als eine hohe Gestalt aus dem Dunkel in den Kreis trat und die heiße Asche nebst den hinsterbenden Funken mit dem Fuß niederdrückte:


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