Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

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Wohnung nicht betreten?«

      »Es ist zu einem ziemlichen Wortwechsel gekommen, aber ich habe die Vollmacht in der Tasche; sollte vielleicht der Gerichtshof Einsicht darin nehmen wollen?«

      »Zeuge«, unterbrach Richter Temple, »beantwortet die Frage: hat Euch der Beklagte den Eintritt in seine Hütte verboten oder nicht?«

      »Nun ja, ich dächte – –«

      »Wir wollen eine unumwundene Antwort«, fuhr der Richter mit Ernst fort.

      »Ja, er tat es.«

      »Und versuchtet Ihr, nach diesem Verbot einzudringen?«

      »Ja, aber ich hatte die Vollmacht in meiner Hand.«

      »Fahrt fort in Eurem Verhör, Herr Lippet.«

      Da jedoch der Anwalt sah, daß der Eindruck zugunsten seines Klienten war, so winkte er nur stolz mit der Hand, als wolle er die Einsicht der Jury nicht so weit in Zweifel ziehen, um eine fernere Verteidigung für nötig zu erachten, und versetzte:

      »Nicht doch, Sir; ich überlasse das Weitere Euer Gnaden; mein Amt ist hier zu Ende.«

      »Herr Distriktsanwalt«, sagte der Richter, »habt Ihr noch etwas beizufügen?«

      Herr Van der School entfernte seine Brille, legte sie zusammen, setzte sie abermals auf seine Nase, betrachtete die andere Klageschrift, die er in Händen hatte, und erwiderte sodann, über die Gläser seines optischen Werkzeugs nach der Schranke sehend:

      »Ich stehe, mit dem Wohlnehmen des Gerichtshofs, von einer weiteren Verfolgung der Sache ab.«

      Richter Temple stand auf und faßte die Anklage zusammen.

      »Meine Herren Geschworenen«, fuhr er fort, »ihr habt den Zeugen vernommen, und ich will euch nicht lange aufhalten. Wenn einem Diener des Gesetzes in Ausübung eines Befehls Widerstand geleistet wird, so hat er ein unbezweifeltes Recht, jeden Bürger zu seinem Beistand aufzufordern, und der Akt einer solchen Beihilfe steht gleichfalls unter dem Schutz des Gesetzes. Ich stelle es daher eurem Ermessen anheim, meine Herren, inwieweit, dem abgelegten Zeugnis zufolge, der Zeuge in einer solchen Eigenschaft betrachtet werden kann, und überlasse den Fall trotz seiner mangelhaften Form um so eher eurer Entscheidung, weil noch ein anderer Punkt klagbar geworden ist, der den unglücklichen Gefangenen eines weit schwereren Vergehens beschuldigt.«

      Der Ton von Marmadukes Stimme war sanft und gewinnend, und da seine Ansichten mit so augenscheinlicher Unparteilichkeit ausgesprochen waren, so ermangelten sie nicht, auf die Jury den geeigneten Eindruck zu üben. Die ernst aussehenden Grundbesitzer, welche dieses Tribunal bildeten, steckten, ohne die Loge zu verlassen, auf einige Minuten die Köpfe zusammen, worauf der Obmann aufstand und nach Pflichtiger Beobachtung der Formen des Gerichtshofs erklärte, daß der Angeklagte »nicht schuldig« sei.

      »Ihr seid von dieser Anklage entbunden, Nathanael Bumppo«, sagte der Richter.

      »Wie?« fragte Natty.

      »Man hat Euch hinsichtlich des Angriffs auf Herrn Doolittle für nicht schuldig erklärt.«

      »Nein, nein, ich will nicht in Abrede ziehen, daß ich ihn etwas rauh an den Schultern anfaßte«, entgegnete Natty, indem er mit großer Einfalt um sich blickte, »und daß ich – –«

      »Ihr seid freigesprochen«, fiel ihm der Richter ins Wort, »und es ist in der Sache nichts mehr zu sagen oder zu tun.«

      Ein Lichtblick der Freude zuckte über die Züge des alten Mannes, der nun den Fall begriff; er setzte hastig seine Mütze wieder auf den Kopf, warf die Schranke seines kleinen Gefängnisses auf und sprach nicht ohne Innigkeit:

      »Nun, ich muß es Ihnen nachrühmen, Richter Temple, daß das Gesetz nicht so hart gegen mich gewesen ist, als ich fürchtete. Ich hoffe, Gott wird Sie für die Freundlichkeit segnen, die Sie mir heute erwiesen haben«

      Aber der Stab des Konstablers verhinderte seine Entfernung, und Herr Lippet flüsterte ihm einige Worte ins Ohr, worauf der alte Jäger auf seinen früheren Sitz zurücksank, seine Mütze abnahm und mit einer Miene, in der sich Schmerz und Ergebung aussprachen, die Reste seiner dünnen grauen Locken niederstrich.

      »Herr Distriktsanwalt«, sagte Richter Temple, indem er tat, als sei er mit den Akten beschäftigt, »schreitet zu der zweiten Anklage.«

      Herr Van der School gab sich große Mühe, daß ja kein Teil der Darstellung, die er jetzt verlas, seinen Zuhörern entgehen möchte. Er beschuldigte den Gefangenen des Widerstandes gegen den Vollzug einer gerichtlichen Haussuchungs-Vollmacht durch Waffengewalt, wobei er, nach Maßgabe seines weitschweifigen Gerichtsstils, nebst vielem anderen auch den Gebrauch der Büchse angab. Hier handelte es sich in der Tat um eine ernstere Anschuldigung, als die einer gewöhnlichen Balgerei, weshalb denn auch die Zuhörer eine entsprechende Teilnahme an dem Resultat derselben an den Tag legten Der Gefangene wurde in der üblichen Form abermals aufgefordert, seine Einreden vorzubringen, und ihm zu diesem Ende von Herrn Lippet die Antworten zugeflüstert. Aber die Gefühle des alten Jägers waren durch einige Ausdrücke der Klageschrift gekränkt worden, und alle Vorsicht vergessend, rief er:

      »Das ist eine gottlose Lüge; ich verlange nach keines Menschen Blut. Selbst die spitzbübischen Irokesen würden mir nicht nachsagen, daß ich je nach eines Menschen Blut gedürstet hätte. Ich habe als Soldat, der seinen Schöpfer und seine Vorgesetzten ehrt, gefochten, aber nie meine Büchse auf jemand anders abgedrückt als auf einen Krieger, der wach und auf den Beinen war. Niemand kann mir nachsagen, daß ich auch nur einen Mingo in seinem Schlaf getötet hätte. Ich glaube, es gibt hier Leute, welche meinen, es gebe in der Wildnis keinen Gott!«

      »Nehmt auf Eure Einrede Bedacht, Bumppo«, sagte der Richter. »Ihr hört, daß Ihr angeschuldigt seid, Eure Büchse gegen einen Diener der Gerechtigkeit gebraucht zu haben Seid Ihr schuldig oder nicht schuldig?«

      Nattys gereizte Gefühle hatten sich inzwischen ausgetobt, und er ruhte einen Augenblick nachsinnend auf der Schranke, worauf er mit seinem schweigsamen Lachen das Gesicht erhob, und mit einem Wink nach der Stelle, wo der Holzfäller stand, entgegnete:

      »Glaubt Ihr wohl, Billy Kirby würde dort stehen, wenn ich von der Büchse Gebrauch gemacht hätte?«

      »Ihr stellt es also in Abrede«, sagte Herr Lippet, »Ihr erklärt Euch für nicht schuldig?«

      »Gewiß«, entgegnete Natty. »Billy weiß, daß ich gar nicht schoß: Billy, erinnert Ihr Euch noch des Truthahns vom letzten Winter? Ja, das war kein schlechtes Schießen, aber es geht nicht mehr so gut, als es sonst zu gehen pflegte.«

      »Tragt die Erklärung ›nicht schuldig‹ ein«, sagte Richter Temple, tief ergriffen von der Einfalt des Gefangenen.

      Hiram wurde abermals beeidigt, um in der zweiten Anklage Zeugnis abzulegen. Da er seinen früheren Irrtum eingesehen hatte, so ging er jetzt vorsichtiger zu Werk und berichtete mit großer Bestimmtheit und einer für einen solchen Mann erstaunlichen Gefeiltheit den Verdacht, der gegen den Jäger vorgelegen, die Anklage, die Erlassung der Vollmacht und Kirbys Beeidigung, was alles, wie er versicherte, in gehöriger Form Rechtens geschehen sei. Er fügte sodann bei, wie der Konstabler aufgenommen worden, und erklärte ausdrücklich, daß Natty auf ihn angelegt und ihn totzuschießen gedroht habe, wenn er es versuche, seinen Auftrag zu vollziehen. All dies wurde durch Jotham bestätigt, der ganz genau dasselbe berichtete wie die Magistratsperson. Herr Lippet leitete ein listiges Kreuz-und Querverhör zwischen diesen beiden Zeugen ein, was er geraume Zeit fortführte, aber endlich aufgeben mußte, weil durchaus kein Vorteil dadurch zu erringen war. Endlich forderte der Distriktsanwalt den Holzfäller vor die Schranken.

      Billy erstattete einen ungemein verwirrten Bericht über den ganzen Vorgang, obgleich er augenscheinlich die Wahrheit zu sagen beabsichtigte, bis ihm Herr Van der School durch einige direkte Fragen Beihilfe leistete:

      »Aus diesen Papieren erhellt, daß Ihr gesetzlich Eingang in die Hütte verlangtet; Ihr habt Euch daher wohl durch Furcht vor seiner Büchse und seinen Drohungen abhalten lassen?«

      »Ich


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