Die bekanntesten Theaterstücke. Heinrich von Kleist
Ruperts, so auch er.
SYLVESTER:
Jeronimus, mir wird ein böser Zweifel
Fast zur Gewißheit, fast. – Ich hätts entschuldigt,
Daß sie Verdacht auf mich geworfen, daß
Sie Rache mir geschworen, daß sie Fehde
Mir angekündigt – ja hätten sie
Im Krieg mein Haus verbrannt, mein Weib und Kind
Im Krieg erschlagen, noch wollt ichs entschuldgen.
Doch daß sie mir den Meuchelmörder senden,
– Wenns so ist –
GERTRUDE: Ists denn noch ein Zweifel? Haben
Sie uns nicht selbst die Probe schon gegeben?
SYLVESTER:
Du meinst an Philipp –?
GERTRUDE: Endlich siehst dus ein!
Du hast mirs nie geglaubt, hast die Vermutung,
Gewißheit, wollt ich sagen, stets ein Deuteln
Der Weiber nur genannt, die, weil sies einmal
Aus Zufall treffen, nie zu fehlen wähnen.
Nun weißt dus besser. – Nun, ich könnte dir
Wohl mehr noch sagen, das dir nicht geahndet. –
SYLVESTER:
Mehr noch?
GERTRUDE: Du wirst dich deines Fiebers vor
Zwei Jahren noch erinnern. Als du der
Genesung nahtest, schickte dir Eustache
Ein Fläschchen eingemachten Ananas.
SYLVESTER:
Ganz recht, durch eine Reutersfrau aus Rossitz.
GERTRUDE:
Ich bat dich unter falschem Vorwand, nicht
Von dem Geschenke zu genießen, setzte
Dir selbst ein Fläschchen vor aus eignem Vorrat
Mit eingemachtem Pfirsich – aber du
Bestandst darauf, verschmähtest meine Pfirsich,
Nahmst von der Ananas, und plötzlich folgte
Ein heftiges Erbrechen. –
SYLVESTER: Das ist seltsam;
Denn ich besinne mich noch eines Umstands –
– Ganz recht. Die Katze war mir übers Fläschchen
Mit Ananas gekommen, und ich ließ
Von Agnes mir den Pfirsich reichen. – Nicht?
Sprich, Agnes.
AGNES: Ja, so ist es.
SYLVESTER: Ei, so hätte
Sich seltsam ja das Blatt gewendet. Denn
Die Ananas hat doch der Katze nicht
Geschadet, aber mir dein Pfirsich, den
Du selbst mir zubereitet –?
GERTRUDE: – Drehen freilich
Läßt alles sich. –
SYLVESTER: Meinst du? Nun sieh, das mein
Ich auch, und habe recht, wenn ich auf das,
Was du mir drehst, nicht achte. – Nun, genug.
Ich will mit Ernst, daß du von Philipp schweigst.
Er sei vergiftet oder nicht, er soll
Gestorben sein und weiter nichts. Ich wills.
JERONIMUS:
Du solltst, Sylvester, doch den Augenblick
Der jetzt dir günstig scheinet, nützen. Ist
Der Totschlag Peters ein Betrug, wie es
Fast sein muß, so ist auch Johann darin
Verwebt.
SYLVESTER: Betrug? Wie wär das möglich?
JERONIMUS:
Ei möglich wär es wohl, daß Ruperts Sohn,
Der doch ermordet sein soll, bloß gestorben,
Und daß, von der Gelegenheit gereizt,
Den Erbvertrag zu seinem Glück zu lenken,
Der Vater es verstanden, deiner Leute,
Die just vielleicht in dem Gebirge waren,
In ihrer Unschuld so sich zu bedienen,
Daß es der Welt erscheint, als hätten wirklich
Sie ihn ermordet – um mit diesem Scheine
Des Rechts sodann den Frieden aufzukünden,
Den Stamm von Warwand auszurotten, dann
Das Erbvermächtnis sich zu nehmen.
SYLVESTER: – Aber
Du sagtest ja, der eine meiner Leute
Hätts in dem Tode noch bekannt, er wäre
Von mir gedungen zu dem Mord.
(Stillschweigen.)
JERONIMUS:
Der Mann, den ich gesprochen, hatte nur
Von dem Gefolterten ein Wort gehört.
SYLVESTER:
Das war?
JERONIMUS: Sylvester:
(Stillschweigen.) Hast du denn die Leute,
Die sogenannten Mörder nicht vermißt?
Von ihren Hinterlaßnen müßte sich
Doch mancherlei erforschen lassen.
SYLVESTER (zu den Leuten): Rufe
Den Hauptmann einer her!
JERONIMUS: Von wem ich doch
Den meisten Aufschluß hoffe, ist Johann.
SYLVESTER:
'S ist auch kein sichrer.
JERONIMUS: Wie? Wenn er es nicht
Gestehen will, macht mans wie die von Rossitz,
Und wirft ihn auf die Folter.
SYLVESTER: Nun? Und wenn
Er dann gesteht, daß Rupert ihn gedungen?
JERONIMUS:
So ists heraus, so ists am Tage. –
SYLVESTER: So?
Dann freilich bin ich auch ein Mörder.
(Stillschweigen.)
JERONIMUS:
Aus diesem Wirrwarr finde sich ein Pfaffe!
Ich kann es nicht.
SYLVESTER: Ich bin dir wohl ein Rätsel?
Nicht wahr? Nun, tröste dich, Gott ist es mir.
JERONIMUS:
Sag kurz, was willst du tun?
SYLVESTER: Das beste wär
Noch immer, wenn ich Rupert sprechen könnte.
JERONIMUS:
– 's ist ein gewagter Schritt. Bei seiner Rede
Am Sarge Peters schien kein menschliches,
Kein göttliches Gesetz ihm heilig, das
Dich schützt.
SYLVESTER: Es wäre zu versuchen. Denn
Es wagt ein Mensch oft den abscheulichen
Gedanken, der sich vor der Tat entsetzt.
JERONIMUS: