Die bekanntesten Theaterstücke. Heinrich von Kleist
Schuft in meinen Augen doch, um wie
Viel mehr in deinen. – Zwar ein Schuft, wie du
Es meinst, der bin ich nicht. – Doch kurz und gut,
Glaubt was ihr wollt. Ich kann mich nicht entschuldgen,
Mir lähmts die Zung, die Worte wollen, wie
Verschlagne Kinder, nicht ans Licht. – Ich gehe,
Nur so viel sag ich dir, ich gehe nicht
Nach Rossitz, hörst du? Und noch eins. Wenn du
Mich brauchen kannst, so sags, ich laß mein Leben
Für dich, hörst du, mein Leben. (Ab.)
GERTRUDE: Hör, Jerome!
– Da geht er hin. – Warum riefst du ihm nicht?
SYLVESTER:
Verstehst du was davon, so sag es mir.
Mir ists noch immer wie ein Traum.
GERTRUDE: Ei nun,
Er war gewonnen von den Rossitzschen.
Denn in dem ganzen Gau ist wohl kein Ritter,
Den sie, wenns ging, uns auf den Hals nicht hetzten.
SYLVESTER:
Allein Jeronimus! – Ja, wärs ein andrer,
So wollt ichs glauben, doch Jeronimus!
's ist doch so leicht nicht, in dem Augenblick
Das Werk der Jahre, Achtung, zu zerstören.
GERTRUDE:
O 's ist ein teuflischer Betrug, der mich,
Ja dich mißtrauisch hätte machen können.
SYLVESTER:
Mich selbst? Mißtrauisch gegen mich? Nun laß
Doch hören.
GERTRUDE: Ruperts jüngster Sohn ist wirklich
Von deinen Leuten im Gebirg erschlagen.
SYLVESTER:
Von meinen Leuten?
GERTRUDE: O das ist bei weitem
Das Schlimmste nicht. Der eine hats sogar
Gestanden, du hättst ihn zu Mord gedungen.
SYLVESTER:
Gestanden hätt er das?
GERTRUDE: Ja, auf der Folter,
Und ist zwei Augenblicke drauf verschieden.
SYLVESTER:
Verschieden? – Und gestanden? – Und im Tode,
Wär auch das Leben voll Abscheulichkeit,
Im Tode ist der Mensch kein Sünder. – Wer
Hats denn gehört, daß ers gestanden?
GERTRUDE:
Ganz Rossitz. Unter Volkes Augen, auf
Dem öffentlichen Markt ward er gefoltert.
SYLVESTER:
Und wer hat dir das mitgeteilt?
GERTRUDE: Jerome,
Er hat sich bei dem Volke selbst erkundigt.
SYLVESTER:
– Nein, das ist kein Betrug, kann keiner sein.
GERTRUDE:
Um Gotteswillen, was denn sonst?
SYLVESTER: Bin ich
Denn Gott, daß du mich frägst?
GERTRUDE: Ists keiner, so
O Himmel! fällt ja der Verdacht auf uns.
SYLVESTER:
Ja, allerdings fällt er auf uns.
GERTRUDE: Und wir,
Wir müßten uns dann reinigen?
SYLVESTER: Kein Zweifel,
Wir müssen es, nicht sie.
GERTRUDE: O du mein Heiland,
Wie ist das möglich?
SYLVESTER: Möglich? ja, das wärs,
Wenn ich nur Rupert sprechen könnte.
GERTRUDE: Wie?
Das könntest du dich jetzt getraun, da ihn
Des Herolds Tod noch mehr erbittert hat?
SYLVESTER:
's ist freilich jetzt weit schlimmer. – Doch es ist
Das einzge Mittel, das ergreift sich leicht.
– Ja recht, so gehts. – Wo mag Jerome sein?
Ob er noch hier? Der mag mich zu ihm führen.
GERTRUDE:
O mein Gemahl, o folge meinem Rate. –
SYLVESTER:
Gertrude – Laß mich – das verstehst du nicht.
(Beide ab.)
Dritte Szene
Platz vor den Toren von Warwand.
AGNES (tritt in Hast aus.)
Zu Hülfe! Zu Hülfe!
JOHANN (ergreift sie): So höre mich doch, Mädchen!
Es folgt dir ja kein Feind, ich liebe dich,
Ach, lieben! Ich vergöttre dich!
AGNES:
Fort, Ungeheuer, bist du nicht aus Rossitz?
JOHANN:
Wie kann ich furchtbar sein? Sieh mich doch an,
Ich zittre selbst vor Wollust und vor Schmerz
Mit meinen Armen dich, mein ganzes Maß
Von Glück und Jammer zu umschließen.
AGNES:
Was willst du, Rasender, von mir?
JOHANN: Nichts weiter:
Mir bist du tot, und einer Leiche gleich,
Mit kaltem Schauer drück ich dich ans Herz.
AGNES:
Schützt mich, ihr Himmlischen, vor seiner Wut!
JOHANN:
Sieh, Mädchen, morgen lieg ich in dem Grabe,
Ein Jüngling, ich – nicht wahr das tut dir weh?
Nun, einem Sterbenden schlägst du nichts ab,
Den Abschiedskuß gib mir. (Er küßt sie.)
AGNES: Errettet mich,
Ihr Heiligen!
JOHANN: – Ja, rette du mich, Heilge!
Es hat das Leben mich wie eine Schlange,
Mit Gliedern, zahnlos, ekelhaft, umwunden.
Es schauert mich, es zu berühren. – Da,
Nimm diesen Dolch. –
AGNES: Zu Hülfe! Mörder! Hülfe!
JOHANN (streng):
Nimm diesen Dolch, sag ich. – Hast du nicht einen
Mir schon ins Herz gedrückt?
AGNES: Entsetzlicher!
(Sie sinkt besinnungslos zusammen.)
JOHANN (sanft):
Nimm