Die bekanntesten Theaterstücke. Heinrich von Kleist

Die bekanntesten Theaterstücke - Heinrich von Kleist


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Soll ichs dir zehenmal

       Und wieder zehnmal wiederkäun?

      SYLVESTER: Nun gut:

       Franz, sattle mir mein Pferd. – Verzeih mein Freund,

       Wer kann das Unbegreifliche begreifen?

       – Wo ist mein Helm, mein Schwert? – Denn hören muß

       Ichs doch aus seinem Munde, eh ichs glaube.

       – Schick zu Jeronimus, er möchte schnell

       Nach Warwand kommen. –

      ALDÖBERN: Leb denn wohl.

      SYLVESTER: Nein, warte;

       Ich reite mit dir, Freund.

      GERTRUDE: Um Gotteswillen,

       In deiner Feinde Macht gibst du dich selbst?

      SYLVESTER:

       Laß gut sein.

      ALDÖBERN: Wenn du glaubst, sie werden schonend

       In Rossitz dich empfangen, irrst du dich.

      SYLVESTER (immer beim Anzuge beschäftigt):

       Tut nichts, tut nichts; allein werd ich erscheinen.

       Ein einzelner tritt frei zu seinen Feinden.

      ALDÖBERN:

       Das Mildeste, das dir begegnen mag,

       Ist, daß man an des Kerkers Wand dich fesselt.

      SYLVESTER:

       Es ist umsonst. – Ich muß mir Licht verschaffen,

       Und sollt ichs mir auch aus der Hölle holen.

      ALDÖBERN:

       Ein Fluch ruht auf dein Haupt, es ist nicht einer

       In Rossitz, dem dein Leben heilig wäre.

      SYLVESTER:

       Du schreckst mich nicht. – Mir ist das ihre heilig,

       Und fröhlich kühn wag ich mein einzelnes.

       Nun fort! (Zu Gertrude.) Ich kehre unverletzt zurück,

       So wahr der Gottheit selbst die Unschuld heilig.

      (Wie sie abgehen wollen, tritt Jeronimus auf)

      JERONIMUS:

       Wohin?

      SYLVESTER: Gut, daß du kommst. Ich bitte dich,

       Bleib bei den Weibern, bis ich wiederkehre.

      JERONIMUS:

       Wo willst du hin?

      SYLVESTER: Nach Rossitz.

      JERONIMUS: Lieferst du

       Wie ein bekehrter Sünder selbst dich aus?

      SYLVESTER:

       Was für ein Wort –?

      JERONIMUS: Ei nun, ein schlechtes Leben

       Ist kaum der Mühe wert, es zu verlängern.

       Drum geh nur hin, und leg dein sündig Haupt

       In christlicher Ergebung auf den Block.

      SYLVESTER:

       Glaubst du, daß ich, wenn eine Schuld mich drückte,

       Das Haupt dem Recht der Rache weigern würde?

      JERONIMUS:

       O du Quacksalber der Natur! Denkst du,

       Ich werde dein verfälschtes Herz auf Treu

       Und Glauben zweimal als ein echtes kaufen?

       Bin ich ein blindes Glied denn aus dem Volke,

       Daß du mit deinem Ausruf an der Ecke

       Mich äffen willst, und wieder äffen willst?

       – Doch nicht so vielen Atem bist du wert,

       Als nur dies einzge Wort mir kostet: Schurke!

       Ich will dich meiden, das ist wohl das Beste.

       Denn hier in deiner Nähe stinkt es, wie

       Bei Mördern.

      (Sylvester fällt in Ohnmacht.)

      GERTRUDE: Hülfe! Kommt zu Hülfe! Hülfe!

      (Der Vorhang fällt.)

      Zweiter Aufzug

       Inhaltsverzeichnis

      Erste Szene

       Inhaltsverzeichnis

      Gegend im Gebirge. Im Vordergrunde eine Höhle. Agnes sitzt an der Erde und knüpft Kränze. Ottokar tritt auf, und betrachtet sie mit Wehmut. Dann wendet er sich mit einer schmerzvollen Bewegung, während welcher Agnes ihn wahrnimmt, welche dann zu knüpfen fortfährt, als hätte sie ihn nicht gesehen.

      AGNES:

       's ist doch ein häßliches Geschäft: belauschen;

       Und weil ein rein Gemüt es stets verschmäht,

       So wird nur dieses grade stets belauscht.

       Drum ist das Schlimmste noch, daß es den Lauscher,

       Statt ihn zu strafen, lohnt. Denn statt des Bösen,

       Das er verdiente zu entdecken, findet

       Er wohl sogar ein still Bemühen noch

       Für sein Bedürfnis, oder seine Laune.

       Da ist, zum Beispiel, heimlich jetzt ein Jüngling

       – Wie heißt er doch? Ich kenn ihn wohl. Sein Antlitz

       Gleicht einem wilden Morgenungewitter,

       Sein Aug dem Wetterleuchten auf den Höhn,

       Sein Haar den Wolken, welche Blitze bergen,

       Sein Nahen ist ein Wehen aus der Ferne,

       Sein Reden wie ein Strömen von den Bergen

       Und sein Umarmen – Aber still! Was wollt

       Ich schon? ja, dieser Jüngling, wollt ich sagen,

       Ist heimlich nun herangeschlichen, plötzlich,

       Unangekündigt, wie die Sommersonne,

       Will sie ein nächtlich Liebesfest belauschen.

       Nun wär mirs recht, er hätte was er sucht,

       Bei mir gefunden, und die Eifersucht,

       Der Liebe Jugendstachel, hätte, selbst

       Sich stumpfend, ihn hinaus gejagt ins Feld,

       Gleich einem jungen Rosse, das zuletzt

       Doch heimkehrt zu dem Stall, der ihn ernährt.

       Statt dessen ist kein andrer Nebenbuhler

       Jetzt grade um mich, als sein Geist. Und der

       Singt mir sein Lied zur Zither vor, wofür

       Ich diesen Kranz ihm winde. (Sie sieht sich um.) Fehlt dir was?

      OTTOKAR:

       Jetzt nichts.

      AGNES: So setz dich nieder, daß ich sehe,

       Wie dir der Kranz steht. Ist er hübsch?

      OTTOKAR: Recht hübsch.

      AGNES:

       Wahrhaftig? Sieh einmal die Finger an.

      OTTOKAR:

       Sie bluten. –

      AGNES: Das bekam ich, als ich aus den Dornen

       Die Blumen pflückte.


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