Der Gang unter der Erde. Hans Hyan

Der Gang unter der Erde - Hans Hyan


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Der Absender bat die Zofe, den inliegenden versiegelten Brief heimlich der jungen Herrin zu geben. Den beigeschlossenen Zwanzigmarkschein sollte sie als Trinkgeld behalten.

      Annette gab den Brief ab. Zwanzig Mark kann man immer brauchen, und nebenbei macht es ja Spaß, so eine kleine Heimlichkeit mit seiner Herrschaft zu haben! Dann kam wieder ein Brief und noch einer. Zuletzt fast jede Woche einer. Einmal hatte sie einen solchen Brief, der nicht fest verschlossen war, neugierig geöffnet. Er enthielt zwei Hundertmarkscheine, die sie, vor Angst am ganzen Körper fliegend, in ihrem Busen verbarg. Den Brief, der keine Unterschrift zeigte, hatte sie ebenso wie den Umschlag verbrannt.

      Nie hatte Rose nach diesem Brief gefragt. Aber ein paar Tage später kam ein anderer Brief an die Zofe selbst. In ihm teilte der Briefschreiber Annette kurz mit: er habe Kenntnis davon, daß sie den letzten Brief an das gnädige Fräulein nicht abgegeben und die inliegenden zweihundert Mark unterschlagen habe. Ob er sie deswegen bei der Polizei anzeigen und zur Bestrafung bringen sollte, das müsse er sich noch überlegen.

      Seitdem lebte Annette in ewiger Angst. Ihre Herrin war freundlich und gut zu ihr wie stets. So wäre sie gewiß nicht gewesen, wenn ihr dieser unheimliche Mensch etwas von den zweihundert Mark gesagt hätte. Aber nun konnte es Annette nicht wagen, so oft sie schon daran gedacht hatte, seine Briefe nicht mehr zu bestellen. Sie war ein willenloses Werkzeug in seinen Händen geworden. Und wenn sie auch viel zu heiter von Natur und zu lebenslustig war, um etwa dauernd den Kopf hängen zu lassen, so gab doch ihr schwacher und leichtherziger Charakter ihr auch keine Möglichkeit, diese Sklavenkette abzuwerfen.

      Das war’s, was alle Bemühungen des Komponisten nutzlos machte. Annette hätte so gern gesprochen! Sie hätte diesen Mann, der immer freundlich zu ihr gewesen war, schon längst aufgeklärt in der Hoffnung, damit ihre arme Herrin, deren seelische Leiden ihr nicht verborgen blieben, von ihrem Peiniger zu befreien. Aber die Angst um ihr eigenes Leben, um ihre Sicherheit war größer und ließ sie schweigen.

      Der Musiker, vor Aufregung seiner Sinne kaum mächtig, stieß das Mädchen von sich und ging.

      Er durchschritt planlos die Zimmerflucht, stand wieder in dem kleinen Musiksalon, wo er am Vormittag Rose im Arm gehalten hatte. Seine Augen irrten umher, immer auf der Suche nach einem Lebenszeichen, einer Abschiedszeile der Verschwundenen. Dann war er in den Zimmern des Konsuls, knipste die Beleuchtung in der Bibliothek an, stöberte in den hohen Regalen nach Büchern, die Rose gehörten, um da vielleicht ein verräterisches Blatt in irgendeinem Buche zu finden, und kam so in einem Zustand, der nicht Traum, nicht Wachen war, wieder in die Festhalle.

      Die gleißenden Farben der Dekorationen, der Lärm der plaudernden, lachenden, tanzenden Menschen, die zerflatternden Klänge der Musik — es kam dem Komponisten vor, als schwirrten unheimlich große, grellbunte Rieseninsekten umher, drohten und griffen nach ihm! Angst überfiel den Gejagten. Fort, nur fort aus dieser bunten Scheinwelt mit ihrer schamlosen Lüge! Er gehörte da nicht hinein! Immer hatte er sich ferngehalten von diesen Menschen, bis sie, die eine, kam, an die er geglaubt, der er ganz vertraut hatte und die ihn doch hineinzog in den schillernden Sumpf, in dem er untergehen mußte.

      Durch den grellen, lärmenden Jubel jagte an diesem Abend zum zweiten Male das Gespenst der Furcht. Die Gäste sahen einen großen, wie sie selber gekleideten Mann, der doch so ganz anders schien, dem das blonde, amerikanisch lang getragene Haar wild und wirr um den Kopf hing und dessen große, hellblaue Augen im Irrsinn brannten. Er sah niemanden, er ging rasch und ohne Rücksicht zwischen den Tanzenden durch und hörte nicht die Stimme des Konsuls, der ihm nacheilte, ihn fragen wollte. Verschwand in der Tür, die zu den Garderoben führte.

      Dort holte ihn Konsul Hermann noch ein. Aber sein Forschen und Drängen war umsonst, der Musiker sah ihn mit leerem Blick an und beantwortete seine Fragen ohne Sinn und Zusammenhang.

      „Sprich doch, Karl!“ Der Konsul dämpfte seine Stimme und konnte kaum reden. „Sag doch, ist etwas geschehen zwischen dir und Rose? ... Habt ihr euch gezankt? ... Wo ist sie denn nur? Wo ist Rose?“

      Der Musiker bewegte kaum die Lippen. Ein paar unverständliche Worte, ein flüchtiger Händedruck, und Konsul Hermann war allein in dem Garderobenraum und fühlte sich den neugierigen Blicken der Frauen ausgesetzt, die sich den Anschein gaben, als sähen und hörten sie nichts.

      Doch dieser große und starke Mann, der sich aus eigener Kraft und aus den kleinsten Anfängen emporgearbeitet hatte, verlor auch jetzt nicht die Gewalt über sich selbst. Er bekam es fertig, mit einer der Garderobenfrauen zu scherzen und der anderen ein Glas Sekt zu versprechen (das er nachher auch gleich hinausschickte), um dann wieder in die Halle zurückzukehren. Was immer geschehen war, er durfte die Haltung nicht verlieren. Auf keinen Fall sollte sein Haus zum Mittelpunkt eines Skandals werden. Über all seiner Angst und Unruhe, die zuletzt doch nur seinem Augapfel, seiner Rose galten, blieb stark und beherrschend das Gefühl seiner Würde, das Bewußtsein seines Ansehens und Kredites im öffentlichen Leben. So schwere Kämpfe er auch schon zu bestehen hatte, nie verließ ihn der Glaube und die Zuversicht zu sich selbst. Er würde auch hier in diese schauerliche Angelegenheit Licht bringen und seinem Hause die Ruhe und den Frieden wiedergeben. Er besaß Geld. Und Geld allein ist Macht. Alles, mit Ausnahme des Lebens, kann man dafür kaufen ... Des Lebens! ... Ein Schauer durchrann den Mann. Er sah sich nach Beistand um. Er dachte an Doktor Splittericht. Drüben bei dem Blumenparterre stand der alte Martin und folgte seinem Herrn mit den Augen. Der Konsul winkte ihn heran und schickte ihn aus, den Doktor-Kommissar zu suchen. Er selbst sah sich überall nach ihm um. Aber Splittericht hatte das Haus verlassen. Warum? Wohin? ... Von nirgends kam Antwort.

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