Die flammende Nacht. Hans Hyan

Die flammende Nacht - Hans Hyan


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Nebbich sein — excuse my please! nich unwohl. Die Onkel kommt herin und lacht: Deine Bauch ist Phonograph ... spielen Sie: Janky doodle! ...“ Und dann lacht Tom Kanter, seine dicke Zigarre rauchend und getrost weitersteppend wie ein besessener Buschnigger.

      Während dieser Nummer betraten Tessi Sommer und Hans v. Hohenhausen das Kabarett. Tessi trug über einem weissen Wollkleid eine blendende Slinksjacke, die sie trotz aller Hitze nicht ablegte. Auf dem blonden Haupt die vorschriftsmässige Kappe aus Goldbrokat (denn sie liebte die breiten Wege, auch in der Mode) und, ein wenig seltsam, einen Maraboufächer, den sie im letzten Augenblick zu Hause aufgestöbert und daher absolut hatte mitnehmen müssen.

      Was nützt es, dass „Hänschen“, wie seine Freunde den ziemlich zwei Meter hohen und dabei fabelhaft gewachsenen Gent vertraulich nannten — was nutzte es, dass der Kavalier dagegen Einspruch erhob:

      „Sieh mal, Tessi, alles darfst du haben, bloss das eine nicht! Keinen Geschmack nämlich! Stell’ dir vor, ich würde heute einen Spazierstock tragen! Ich, Tessi, einen Spazierstock! hörst du?“

      „Na ja, was wär’ denn da weiter?! Die Hauptsache is, dass er hübsch und elegant ist!“

      Der in der Tat wundervoll angezogene junge Mann, der in seinem Eveningdress wie ein Fürst aussah, blickte die Blonde ungläubig eine Weile an. Dann schüttelte er leise den schmalen, aristokratischen Kopf, der mit dem grossen Einglas auf die Welt gekommen schien, und sagte nachsichtig, beinahe lautlos:

      „Gewiss! Es gibt oder es soll ja wenigstens Männer geben, die Nachthemden tragen. Nachthemden!“ Er sprach das Wort ganz langsam, jeden Buchstaben gedehnt und voll abgründiger Verachtung, „kannst du dir das vorstellen, Tessi? Sag’ doch mal! Du kommst frühmorgens, um zwölf oder ein Uhr zu mir, und ich liege im Bett in einem — Nachthemd! Kannst du dir das vorstellen, Mädchen? Kannst du dich da überhaupt hineindenken? Ja?“

      „Ja.“ Tessi Sommer sagte es hart und ungerührt.

      „Dann gestattest du, dass ich mich ein wenig zurückziehe. Ich bin nicht in der Lage, mit einer Dame meinen Abend zu verbringen, die den ‚Style‘, das Höchste, das Erhabenste, das Seltenste und Köstlichste, was unser armes Leben bietet — die, sage ich, den dreimal heiligen ‚Style‘ verachtet!“

      Und er wollte sich erheben.

      Tessi zog ihn zurück, lachend, fast ärgerlich:

      „Nu quatsch doch nicht immerzu! ... Ich versteh’ doch kein Wort! Die dumme Trutschel da oben könnte auch ihren geehrten Rand weiter aufmachen! Gross genug hat sie ’n doch!“

      Auf dem Podium, das halbrund in den warm getönten Saal, der, ausgezeichnet gebaut, eine überraschende Akustik besass, stand eine sehr junge, schlanke Frau in schwarzer Seide, höchst dezent in der Erscheinung, die nicht sang, sondern sprach. Sie erzählte ihr Liebesabenteuer voller Scharm und doch mit einer schwülen Erotik, die die Hörer in heissen Bann tat. Ein glucksendes Lachen kam mal aus der rötlichen Tiefe zu ihr rauf, ein Glas klang, an das eine bebende Hand griff. Die Frau, Cena Belfast, nannte sie sich, sagte eben:

      „Wir gingen die Treppe hinauf. Er hinter mir. Da kam einer die Stufen herunter. Ich wusste, das ist der Rechte! ... Und wandte mich um: Hol’ doch die Handschuhe ... ich hab’ sie auf dem Tisch liegen lassen. — Fritz ging. Und ich mit dem andern, dem Rechten ... wohin ... wohin ... ins Reich der Liebe, der Leidenschaft und des Glücks ...“

      Sie wartete mit geneigtem Kopf, als höre sie noch die Glocken der grossen Feier läuten, die ihr Herz beging zu jener Stunde.

      Hans v. Hohenhausen hielt diskret die mit einem Wappenring geschmückte Linke vor den Mund. Diese Frau dort oben kannte er ... Er lächelte, da Tessi ihn danach fragte. Er zuckte die Achseln:

      „Frau Belfast ist sehr distinguiert. Das bin ich selbst ... ich liebe mehr Damen wie dich, Tessilein ... Frauen voll Kraft und Forsche.“

      Sie sah ihn ein bisschen unsicher an, man wusste nie, ob er sich etwa mokierte. Dann bat er, einen Augenblick in die Bar gehen zu dürfen, er habe sich mit jemand verabredet — geschäftlich.

      Sie drohte ihm:

      „Aber bitte nur geschäftlich!“

      5

      In dem seideverschleierten Licht der Bar, die mit ihren dicken Plüschsofas und -sesseln roch, als sei wochenlang hier nicht gelüftet worden — Hans von Hohenhausen zog eintretend schmerzlich das Gesicht zusammen — sassen um einen kleinen, runden Tisch vier Herren. Zwei standen auf, als Hohenhausen kam, und gingen — beides verbotene Erscheinungen, denen „Hänschen“ im Abgehen einen Blick tiefsten Misstrauens nachsandte.

      Er sagte denn auch sofort, ehe er sich hinsetzte, zu dem schlanken Blassen mit der übertriebenen Adlernase, dabei leicht mit dem Kopf über die Schulter winkend:

      „Levy, wenn sowas mit ins Spiel kommt, dann pass’ ich! ... Das ist ja reinster Alexanderplatz, Marke Lastauto ...“

      „Darum hab’ ich dich doch schon entlastet! Ich weiss doch, Hänschen, was für ’ne blanke Seele du hast!“

      „Unsinn, Levy, das ist Blech! Ich bin ebenso angefressen wie ihr andern!“ Er sah wehmütig seine schönen, grossen, gepflegten Hände an: „Die waren mal sauber ...“ Mit einem Blick auf den, der in der Sofaecke sass, „und du, Battyany, du sagst gar nichts?“

      Der Ungar, der, aus einem Magnatenhause stammend, in Berlin auch unter die Räder gekommen war, der drehte aus einer hervorragend schönen Emailledose eine Zigarette, zündete sie an, den Freund aus seinen grossen Neufundländeraugen schwermütig anschauend, und schüttelte den Kopf.

      Levy verzog den mit einem Schnips von Schnurrbart gezierten Mund voller Ironie:

      „So wer’n wir den Knaben nich in die richtige Lage bringen, nachher ... wir müssen doch ’n Programm haben! Der kommt von draussen und is hungrig wie ’n Wolf auf unsre Goldstadt. Schön gesagt, was: Goldstadt?!“

      „Nehmen denn die Herren überhaupt nichts heute?“ maulte die rotblonde Lizzy, die hinter der Bar sass und (ihre Spezialität!) mit sich selber Sechsundsechzig spielte, wobei sie ihrer Behauptung nach andauernd verlor. „Auf einen vernünftigen Drink ist ja bei euch nicht zu rechnen, aber ’s macht doch ’n schlechten Eindruck.“

      Levy war aufgestanden und hielt ihr den Mund zu. Sie biss ihn in den Finger.

      „Das kann Hänschen tun, du Ungläubiger! Aber wenn du auch willst, wer’ ich die Kassiererin rufen!“

      Die Kassendame war zweiundvierzig Jahre alt und Mutter von vier Kindern, eine brave Frau, die der Platzanweiser jeden Abend nach Hause brachte, damit sie nicht allein des Nachts durch die lasterhafte Friedrichstrasse zu gehen brauchte ... Martin Levy schüttelte sich. Dann kam er zurück auf die beiden, die bei Hohenhausens Ankunft die Bar verlassen hatten:

      „Ich liebe diese Bassermänner ja auch nicht, aber ... wer treibt uns sonst die Fische ins Netz?“

      „Und wer erpresst uns nachher, dass die ganze ‚Marie‘ wieder zum Teufel geht?“

      „Du hast recht, Freund!“ Der Ungar drehte die hundertste Zigarette und setzte mit seiner klingend falschen Betonung der deutschen Sprache hinzu: „Waisst du, Hänschen, hob’ ich dir nicht immer gesagt, du bist ein grosser Künstler von Leben?“

      „Lebenskünstler“, half Levy nach.

      „Ja, aber ein sehrr schlechtes Ende nimmst du doch! ... Und du auch, Max!“

      „Und du, Battyany?“

      „Ich geh’ in die Pussta und werde Betyar!“

      „Räuberhauptmann!“ wollte Levy übersetzen, doch Hohenhausen unterbrach:

      „Also, wo treffen wir den Kavalier?“

      „In der blauen Laterne, um ein Uhr .. Wirucz und Trassner.“

      „Ach! schon wieder die beiden!“

      „Na,


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