Seekadett Jack Freimut. Фредерик Марриет
von der Verzögerung in seinem Eintritt auf das Schiff und von der Unterredung mit dem ersten Leutnant gar nichts wüsste; aber noch ehe das Frühstück vorüber war, hatte Jack die Geschichte in wenigen Worten erzählt.
Nun ging Kapitän Wilson im einzelnen auf die Pflichten und den Rang eines jeden an Bord des Schiffes Dienenden über, wobei er Jack bedeutete, es sei da, wo Manneszucht erfordert werde, unmöglich, dass mehr als einer befehle, wenn der Dienst vorwärts gehen solle; dieser eine sei der Kapitän, der in seiner Person den König und damit das Land vertrete. Da die Befehle vom Kapitän durch den Leutnant gingen und vom Leutnant an die Kadetten, die sie dann ihrerseits der ganzen Schiffsmannschaft eröffneten, so sei es eigentlich der Kapitän allein, der Befehle erteile, und jeder ohne Ausnahme sei gleichmässig verpflichtet, zu gehorchen. Da übrigens der Kapitän ebenfalls den Befehlen seiner Vorgesetzten, des Admirals und der hohen Admiralitätsbeamten, Folge zu leisten habe, so könne man wohl sagen, dass alle an Bord zu gleichmässigem Gehorsam verpflichtet seien. Kapitän Wilson legte einen starken Nachdruck auf das Wort gleichmässig, während er nämlich Jack auseinandersetzte, dass er jetzt in einen Dienst trete, in welchem Gleichheit selbst nicht für einen Augenblick bestehen könne, wenn der Dienst bestehen solle, bemühte er sich, zu zeigen, wie gewissermassen alle Rangunterschiede dadurch aufgehoben wären, dass alle gleichmässig verbunden seien, ihren Pflichten gegen das Land nachzukommen, und wie somit in der That ein Seemann, ob er nun seinen Befehlen, oder denen seines vorgesetzten Offiziers gehorche, eigentlich nur den Befehlen des Landes folge, welche durch diese Verbindungswege erteilt würden.
Jack war im ganzen genommen mit dieser Beleuchtung des Gegenstandes nicht unzufrieden, und der Kapitän hütete sich, zu lange dabei zu verweilen. Er ging jetzt zu den Einzelheiten über, von denen er wusste, dass sie Jack noch besser gefallen würden. Er setzte ihm auseinander, die Kriegsartikel seien die Regel, nach denen der Dienst gehandhabt werden müsse, und jeder, vom Kapitän bis zum untersten Schiffsjungen, habe sich gleichmässig danach zu richten — jedem Manne an Bord sei eine bestimmte Ration an Speisen und Getränken bewilligt, und diese Ration sei für alle die gleiche — für den Kapitän wie für den Schiffsjungen die gleiche in Quantität und Qualität, und jeder gleichmässig zu dieser Portion berechtigt; es seien ferner, obschon es notwendigerweise Abstusungen im Dienste geben und jeder Befehl des Kapitäns von allen beachtet und befolgt werden müsse, alle Offiziere, welches auch immer ihr Rang sein möge, gleichmässig als Gentlemen zu betrachten. Kurz und gut, Kapitän Wilson, der die Wahrheit sagte, und nur die Wahrheit, aber nicht die ganze Wahrheit, machte unseren Jack in der That glauben, er habe endlich die Gleichheit gefunden, die er am Lande vergebens gesucht. Unser Held erinnerte sich der Ausdrücke, deren sich Herr Sawbridge abends zuvor gegen ihn bedient hatte, und fragte den Kapitän, warum sich dieser Mensch so benommen habe. Da nun die Sprache des Herrn Sawbridge gar nicht wie angewandte Gleichheit gelautet hatte, geriet Kapitän Wilson in einige Verlegenheit. Indessen stellte er Jack erstens vor, der erste Leutnant sei damals, als der älteste Offizier an Bord, an des Kapitäns Stelle gewesen, wie das auch bei Jack der Fall sein würde, wenn er einmal der älteste Offizier an Bord wäre, und der Kapitän oder älteste Offizier vertrete, wie schon gesagt, das Land. Ferner mache sich nach den Kriegsartikeln jeder, der sich von seinem Schiffe entferne, eines Vergehens oder Verbrechens gegen diese Artikel schuldig, und wenn ein solches Vergehen oder Verbrechen von einem der zur Schiffsmannschaft gehörenden Leute begangen werde und der älteste Offizier keine Notiz davon nehme, so begehe dieser selbst ein Verbrechen gegen die Artikel und setze sich der Strafe aus, wenn er nicht beweisen könne, dass er wirklich Notiz davon genommen habe, Herr Sawbridge sei somit um seiner selbst willen verpflichtet gewesen, dieses Vergehen zu rügen, und wenn er sich dabei scharfer Ausdrücke bedient habe, so zeuge dies nur von seinem Eifer für sein Land.
„Wenn das so ist“, erwiderte Jack, „kann auf Ehre kein Zweifel über seinen Eifer obwalten; denn wäre das Wohl des ganzen Landes bedroht gewesen, so hätte er nicht in heftigere Aufregung geraten können.“
„Somit that er seine Schuldigkeit; aber seien Sie überzeugt, es machte ihm keine Freude, und ich stehe dafür, wenn Sie ihn an Bord treffen, wird er so freundlich gegen Sie sein, als ob nichts vorgefallen wäre.“
„Er sagte, er wollte mich bald lehren, was ein erster Leutnant sei: was wollte er denn damit sagen?“ fragte Jack.
„Purer Eifer.“
„Schön; aber er sagte auch, sobald er mich an Bord habe, wolle er mir den Unterschied zwischen einem ersten Leutnant und einem Kadetten zeigen.“
„Purer Eifer.“
„Er sagte ferner, meine Unwissenheit werde nach und nach schon vergehen.“
„Purer Eifer.“
„Und er wolle einen Sergeanten und Marinesoldaten schicken, um mich zu holen.“
„Purer Eifer.“
„Er wolle meine Philosophie auf die Probe stellen.“
„Purer Eifer, Mr. Freimut. Eifer wird sich stets so aussprechen, und wir dürfen im Dienste nichts ohne diesen thun. Merken Sie sich’s, dass ich darauf rechne und hoffe, auch in Ihnen eines Tages einen eifrigen Offizier zu sehen.“
Hier stellte Jack ernstliche Betrachtungen an und gab keine Antwort.
„Ich bin gewiss“, fuhr Kapitän Wilson fort, „Sie werden in Herrn Sawbridge einen Ihrer besten Freunde finden.“
„Ist möglich“, antwortete Jack; „ich bin übrigens von unserem ersten Zusammentreffen nicht sehr erbaut.“
„Es wird Ihnen vielleicht später zur nicht ganz angenehmen Pflicht werden, ebenso viele Fehler an sich selbst zu finden; wir müssen alle den Obliegenheiten gegen unser Vaterland gleichmässig nachkommen. Übrigens habe ich Sie kommen lassen, Herr Freimut, um Ihnen zu sagen, dass wir morgen unter Segel gehen, und da ich meine Effekten heute abend noch an Bord schicke, so werden Sie gut daran thun, die Ihrigen auch zu senden. Um acht Uhr werde ich an Bord gehen, und wir können beide in demselben Boote hinfahren.“
Hiergegen machte Jack keinerlei Einwendung; er bezahlte seine Rechnung im „Springbrunnen“, schickte seinen Koffer durch einige Leute von der Bootsmannschaft an Bord und erwartete nun den Befehl des Kapitäns zur Einschiffung. Um neun Uhr abends befand sich unser Held ganz wohlbehalten an Bord von Sr. Majestät Korvette „Harpy“.
Als Jack eintraf, war es dunkel, und er wusste nicht, was er mit sich anfangen sollte. Der Kapitän wurde von den Offizieren auf dem Deck empfangen; sie lüfteten ihre Hüte, ihn zu begrüssen. Er erwiderte den Gruss, und auch Jack that dies ganz höflich; hierauf liess sich der Kapitän in ein Gespräch mit dem ersten Leutnant ein, und nun blieb Jack für einige Zeit sich selbst überlassen. Es war zu dunkel, um die Gesichter zu unterscheiden, und für einen, der noch nie an Bord eines Schiffes gewesen war, zu dunkel, um heruntergehen zu können. Jack stand übrigens nicht lange, als das Offizierboot an den hinteren Jütten eingehängt wurde und der Hochbootsmann rief:
„Zieht straff an, meine Jungen.“
Ein schrilles Pfeifen, und der Ruf „Weg damit“ liess sich hören. Die Leute mit den Tauen trieben und drängten sich nun eilends vorwärts; sie warfen unseren guten, im Dunkeln stehenden Jack zu Boden, und ein halbes Dutzend Marinesodaten fielen auf ihn. Die Leute, welche nicht daran dachten, dass sich unter den Gestürzten ein Offizier befinde, machten sich über den Spass lustig und hüpften auf denen, welche da lagen, so lange herum, bis diese aus dem Wege rollten. Jack, der gar nicht wusste, was das sein sollte, kam schlecht dabei weg; erst als die Pfeife zum Belegen rief, konnte er wieder auf seinen Beinen stehen. Er schwankte einer Karronadeschleife zu, als ihn die Offiziere, welche so gut wie die Schiffsmannschaft über den Spass gelacht hatten, sahen; unter ihnen befand sich Sawbridge, der erste Leutnant, welcher freundlich fragte:
„Sind Sie beschädigt, Herr Freimut?“
„Ein wenig“, erwiderte Jack, schwer Atem holend.
„Es wurde Ihnen ein rauher Empfang zu teil“, antwortete der erste Leutenant, „aber zu gewissen Zeiten heisst es an Bord eines Schiffes: ‚Jeder für sich, Gott für alle‘ — Harpur“, fuhr er zum Doktor gewendet fort, „bringen Sie Mr.