Chefarzt Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Chefarzt Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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bin der behandelnde Arzt, nicht Sie.«

      »Ich verbiete Ihnen dieses Vorgehen.«

      »Sie sind nicht sein Vormund. Oder habe ich da etwas falsch verstanden.«

      Felicitas bebte am ganzen Körper. Warum nur regte sie sich so auf? War das schlechte Gewissen für ihre Verfassung verantwortlich? Schließlich hatte sie Felix und Fynn zusammen gebracht.

      »Glauben Sie im Ernst, Sie bekommen von Danny die Einverständniserklärung?«, fragte sie.

      Wenigstens zitterte ihre Stimme kaum.

      Doch lange konnte sie sich nicht über diesen Triumph freuen.

      Nur ein, zwei Atemzüge später landete eine Patientenakte klatschend vor ihren Füßen.

      »Machen Sie, was Sie wollen«, herrschte Dr. Lammers sie an. »Aber kommen Sie mir später nicht mit Vorwürfen.«

      Seine Schritte verhallten auf dem Flur. Angezogen von dem Lärm steckte Schwester Elena den Kopf aus einer Tür. Mit einem Blick erfasste sie die Situation.

      »Oh, Fee.« Ihr Seufzen kam aus tiefstem Herzen. »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee war.«

      *

      »Margeriten sind die Lieblingsblumen meiner Freundin.« Niko Arzfeld legte das abgezählte Kleingeld auf den Tresen der Blumenhändlerin Hanna Bäuml.

      Seit ein paar Jahren schon betrieb sie das Blumengeschäft in der Ladenzeile der Behnisch-Klinik. Ihre Sträuße von romantisch bis modern erfreuten sich großer Beliebtheit und ließen Patientenherzen höher schlagen. Nicht selten kamen die Beschenkten nach ihrer Entlassung wieder und wurden zu treuen Stammkunden. Hannas Art spielte dabei eine nicht unerhebliche Rolle.

      »Ihre Freundin hat einen guten Geschmack. Margeriten stehen für Natürlichkeit und unverfälschtes Glück.« Das Kleingeld klimperte, als sie es in die Fächer sortierte. »Allerdings muss ich Sie warnen. Liebende drücken mit Margeriten auch Unsicherheit aus. Überreichen Sie Ihrer Freundin diesen Strauß mit einer Liebeserklärung! Dann sind Missverständnisse von vornherein ausgeschlossen.«

      Mit diesen Worten im Ohr machte sich Niko auf den Weg zu Silje. Mit welchem Kompliment konnte er ihr eine besonders große Freude machen?

      Er war so vertieft in seine Gedanken, dass er das gedämpfte Klingeln aus seiner Hosentasche überhörte. Am Ziel angekommen, drückte er schwungvoll die Klinke herunter. Und prallte zurück. Blütenblätter regneten zu Boden.

      Eine Schwester eilte herbei.

      »Sind Sie ein Bekannter von Frau Johannson?«

      »Ich bin ihr Verlobter. Was ist hier los? Warum ist die Tür abgeschlossen?«

      »Das verstehe ich nicht.« Schwester Agnes legte den Kopf schief. »Wurden Sie denn nicht angerufen? Na ja, ist ja jetzt auch egal«, winkte sie ab, verschwand kurz und kam mit einem Paket zurück. »Bitte ziehen Sie das hier an.« Sie drückte ihm Overall und Mundschutz in die freie Hand. »Hatten Sie von gestern auf heute Kontakt mit anderen Personen?«

      »Nur mit der Blumenhändlerin.« Niklas wusste nicht, wie ihm geschah.

      »Gut. Darum kümmere ich mich gleich.« Agnes nahm ihm den Strauß ab und sah ihm dabei zu, wie er den Overall über Jeans und Hemd zog. »Es besteht die Möglichkeit, dass sich Ihre Freundin mit Schweinegrippe angesteckt hat. Da auch Sie als Kontaktperson zur Risikogruppe gehören, muss ich Sie bitten hierzubleiben, bis die Ergebnisse aus dem mikrobiologischen Institut vorliegen.«

      Daher also wehte der Wind! Bevor Niko aber auch nur eine Frage stellen konnte, klopfte Schwester Agnes drei Mal an die Tür. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss. Die Tür öffnete sich einen Spalt breit.

      Eine Hand packte Niko am Ärmel und zog ihn ins Zimmer.

      »Da sind Sie ja endlich! Ich dachte schon, Sie hätten sich aus dem Staub gemacht«, begrüßte Christine Lekutat ihn in ihrer charmanten Art.

      »Warum sollte ich? Und was ist eigentlich hier los?« Niko trat an Siljes Bett. Unter der Maske lächelte sie. Die Fältchen um ihre Augen verriet es. »Wieso Schweinegrippe?«

      »Ich habe dir doch von Hans Budai erzählt, meinem Kollegen?« Sie tastete nach seiner Hand.

      »Ja. Nein. Kann sein.« Niko erinnerte sich nicht wirklich.

      »Er liegt seit gestern früh mit Schweinegrippe hier auf der Quarantänestation.«

      »Hast du denn nicht bemerkt, dass er krank ist?«

      »Doch. Schon. Aber wer denkt denn an so etwas? Ich jedenfalls nicht.« Das Sprechen fiel ihr schwer. Die Maske vor ihrem Mund blähte sich. Hin und wieder hustete sie. Silje sah ihren Verlobten an und wieder weg. »Es tut mir so leid, Niko.«

      Sein Herz wurde schwer.

      »Das muss es nicht, Liebling«, versicherte er. »Du kannst doch nichts dafür.« Der Ausdruck in ihren Augen machte ihm Angst. Er beugte sich über sie. Strich ihr die blonden Strähnen aus der Stirn. »Das wird schon wieder. Und in zwei Wochen stehen wir vor dem Traualtar und geben uns das Ja-Wort.«

      Ein Leuchten huschte über das, was von ihrem Gesicht zu sehen war.

      »Zwei Wochen nur noch.« Wieder ein Husten. »Ich wollte etwas ganz Besonderes für dich …«

      Er legte den Zeigefinger auf die Maske, dorthin, wo er ihre Lippen vermutete.

      »Du darfst dich nicht anstrengen, Liebling. Wir sind zusammen und stehen das gemeinsam durch.« Er legte seine Wange an ihre.

      Silje schloss die Augen. Sie wollte ihm so gern glauben.

      *

      Obwohl ihr kleiner Adoptivsohn Fynn erst seit ein paar Monaten bei ihnen lebte, fühlte sich Tatjana an diesem Morgen wie amputiert.

      »Es ist, als würde ein Stück von mir fehlen«, versuchte sie, dieses seltsame Gefühl in Worte zu fassen. Sie saß am Tisch. Um die ungewöhnliche Stille zu übertönen, rührte sie krampfhaft in der Kaffeetasse. Doch was war dieses Geklimper im Vergleich zu Fynns pausenlosem Geplapper? Zu seinem Singen und Springen. Und dann erst dieses Lachen! Tatjana war sicher, nie mehr wieder glücklich zu sein ohne dieses grundlose Kichern und Glucksen.

      »Offenbar fehlt ein Stück von deinem Ohr«, bemerkte Danny und hielt ihre Hand fest.

      Keine Sekunde länger hätte er das schrille Klirren des Löffels am Porzellan ertragen.

      »Haha.« Sie verzog den großen Mund. »Hast du schon mit der Klinik telefoniert?«

      »Fynns Zustand ist unverändert. Ernst, aber nicht lebensbedrohlich.« Danny legte den Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. Er wusste, was sie dachte. »Glaub mir! Für mich ist das genauso schwer wie für dich.«

      »Warum bist du dann so verdammt ruhig, während ich die Wände hochgehen könnte?«, platzte sie heraus.

      Sie riss sich los und sprang vom Stuhl auf. Trat ans Fenster und blickte hinab auf die belebte Straße, als könnte sie genau sehen, was sich dort unten abspielte.

      Bei einem Unfall vor vielen Jahren hatte sie ihr Augenlicht verloren. Danny war es zu verdanken, dass sie wenigstens einen Teil ihrer Sehfähigkeit zurückerhalten hatte. Trotzdem wollte sie die Zeit absoluter Dunkelheit nicht missen. Ihr hatte sie die Sensibilität ihrer übrigen Sinne zu verdanken, die sich auf fast unheimliche Art und Weise geschärft hatten. Tatjana erspürte mehr, als andere Menschen mit den Augen erfassten konnten. Sie fühlte, wenn sich ein Mensch näherte. Erkannte ihn am Klang seines Schrittes. Am Geruch seiner Haut. Sie erahnte seine Stimmung. Deshalb wusste sie, dass Danny hinter sie getreten war. Sie spürte auch, wie hilflos er war.

      »Das Haus … unser Wolkenkuckucksheim … das wollen wir doch nur für ihn kaufen.« Tränen wollten ihre Stimme ersticken. Trotzdem fuhr sie fort. »Mit einem großen Garten zum Spielen. Bäumen, um darauf herumzuklettern. Einem Turm, den der kleine Ritter gegen böse Drachen verteidigen, in den er sein Burgfräulein entführen kann.«


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