GEGEN UNENDLICH 16. Группа авторов
in ihren Händen verlor. Sie erkannte die Sterne, die ihre noch jungen Augen gesehen hatten, als sie als Offiziersanwärterin auf ihrem ersten Flug von der Erde aufgebrochen war. Ein Eindruck, der sich ihr für immer eingebrannt hatte. Planeten und Sternenbilder zogen vorbei wie die Jahre, die sie zwischen ihnen verbracht hatte, eine lange Zeit für einen Menschen, aber nicht einmal ein Wimpernschlag für die Unendlichkeit. Die alte Frau lächelte, während die vertrauten Bilder an ihr vorüberzogen. Wie im Schnellraffer sah sie ihre Reisen an sich vorüberziehen, und sie lächelte noch immer, als die Sterne ihren Zeitlauf überschritten und in die Zukunft hinforteilten. Der Zeitpunkt kam, an dem ihr irdisches Dasein endete und die Ewigkeit begann. Das Ende ihrer Reise. Aufmerksam sah sie hin, bevor sie sich langsam aufrichtete.
Sie war ein wenig zitterig, aber sie hatte genug Zeit gehabt, sich auf diesen Moment vorzubereiten, und das Alter hatte sie gelehrt, Unvermeidliches auszuhalten. Aline griff nach ihrer Hand und die menschliche Berührung überraschte sie. Wie lange war es her, dass jemand ihre Hand genommen hatte? Ein wenig unbeholfen tätschelte sie die glatte Haut des Mädchens. Langsam, und ohne ein Wort, kehrte sie zum Eingang zurück. Die Tür stand nun offen und ließ die öde Steinwüste erkennen.
Erst als sie gemeinsam vor das heilige Gebäude traten, fand der Kapitän die Worte wieder.
»Du bist nicht zufällig an Bord gekommen, weißt du«, sagte sie unter dem gigantischen Sternenhimmel zu dem Mädchen. »Ich war ungefähr so alt wie du, als ich mit meiner Ausbildung begann.« Der Kapitän machte eine Pause und musterte die Sternenkonstellation, stockte für einen Augenblick. »Manchmal ist es ein Schiff, das sich seine Menschen wählt.«
Aline sah sie fragend an.
»Ich glaube, du würdest gut an Bord der Ikarus passen. Sie hat noch die eine oder andere Reise vor sich und die Mannschaft könnte etwas Nachwuchs gebrauchen.« Der Kapitän lachte ein heiseres Altfrauenlachen. »Wir sind alle nicht mehr die Jüngsten.«
Aline wirkte überrascht und sah eine Weile zu dem entfernten Raumschiff hinüber, dessen Schatten in der Ferne nur zu erahnen war. Dann nahm sie das kleine Büchlein zur Hand und schrieb etwas hinein.
»Meine Eltern sind tot«, las der Kapitän.
Alines Finger, die das Heft hielten, zitterten.
»Wenn du an Bord eines Raumschiffes dienst«, sagte sie zu dem Mädchen, »bekommst du eine neue Familie. Sie werden auf dich aufpassen und sich um dich kümmern. Es ist leichter, an Bord zu sein, wenn du keine Familie zurücklässt!«
Der Kapitän aktivierte mit einem Sprachbefehl ein holografisches Terminal, das blauschimmernd zwischen ihnen auftauchte, und sendete eine kurze Nachricht an ihren Stellvertreter an Bord.
»Bereitet alles für unser neues Crewmitglied vor«, sagte sie. »Schaut, was sie kann, und bildet sie aus. Sie heißt Aline.«
»Verstanden, Kapitän«, antwortete Marl.
»Nachdem das erledigt ist, sollten wir …«
Aline zupfte energisch an ihrem Ärmel und zeigte auf sie.
»Was meinst du, Kleines?«
Aline kritzelte einige Wörter in das Büchlein und hielt es der alten Frau entgegen.
»Was ist mit dir?«, las der Kapitän. »Wie ich schon sagte, das ist meine letzte Reise! Komm mit!«
Die unweit des Heiligtums in den Felshang führende Höhle war kaum mehr als ein schmaler Gang, der sich erst nach ein paar Schritten weitete. Einige Seitengänge führten tiefer in den Felsen, von dem der Kapitän nicht sagen konnte, ob sie natürlichen Ursprungs waren oder über Jahre mühevoll in den Stein gehauen worden waren. In regelmäßigen Abständen befanden sich Behältnisse mit leuchtenden Steinen an den Wänden, die die Umgebung notdürftig erleuchteten. Der Gang endete in einer kleinen Kammer.
Der namenlose Mönch kniete vor einem verblichenen Gemälde, das im flackernden Licht einer Feuerschale golden glänzte. Drei Skelette standen neben ihm und musterten sie mit ihren dunklen Augenhöhlen. Der ganze Raum roch nach Weihrauch.
Der Kapitän erkannte, dass der Mönch ein- und dasselbe Wort immer und immer wieder wiederholte, eine endlose Litanei gemurmelter Silben, die zu einem monotonen Singsang verschmolzen. Bei jedem Ausatmen sprach er das Wort ohne hörbare Gefühlsregung, fast wie ein Hauchen, ohne besondere Betonung. Aber so sehr sich die alte Frau auch bemühte, sie konnte nicht verstehen, um welches Wort es sich handelte. Durch die beständige Wiederholung schien es von Schatten umgeben zu sein, als wäre es von einer übergroßen Deutlichkeit verhüllt.
Nach einer Weile verstummte der Mönch und drehte sich zu ihnen um. Außer dem leisen Flackern des Feuers war nicht das geringste Geräusch zu hören. Der Mönch nahm seine Kapuze ab und winkte Aline zu sich heran.
»Geh, mein Kind«, sagte die alte Frau leise.
Zögerlich ging Aline zu dem knienden Mann hinüber und ließ sich vor ihm nieder. Das schmale Gesicht des Mannes mit den schwarzen Augen wandte sich dem Mädchen ruhig zu. Aline blieb regungslos hocken und für eine Weile rührte sich keiner von beiden. Dann nahm der Mönch ihre beiden Hände in die seinen, beugte sich vor und flüsterte ihr ein Wort ins Ohr.
Das Mädchen schloss die Augen, als würde es in sich hineinlauschen.
Eine Weile passierte nichts.
Der Kapitän warf einen Blick zu dem alten Bild an der Wand, dessen Motiv er immer noch nicht erkennen konnte. Die Farben waren so ausgeblichen, dass man das Motiv erst erkennen konnte, wenn man nahe vor der Leinwand stand. Der Kapitän sah, dass das Bild eine Sternenkonstellation zeigte. Dieselbe Sternenkonstellation, erkannte sie, die ihr das gläserne Buch am Schluss gezeigt hatte.
Eine Weile stand die alte Frau da und betrachtete das Bild. Sie hatte lange genug in die Sterne geblickt, um bemerkt zu haben, dass die Sterne über diesem kleinen Gesteinsbrocken dieser Konstellation entsprachen. Alles war so klar, aber der letzte Schritt erforderte häufig die größte Anstrengung.
Ein Aufkeuchen riss sie aus ihren Gedanken. Aline lag auf dem Rücken und atmete schwer. Der Kapitän trat auf das Mädchen zu, aber der Mönch hob seine Hand. Ein Zittern durchlief den dünnen Körper. Das Gesicht, umrahmt von dem tiefschwarzen Haar, war kalkweiß.
»Was ist mir ihr?«, fragte der Kapitän.
Auf dem bleichen Gesicht des Mädchens lag ein Ausdruck des Schreckens, zwischen ihren zusammengepressten Lippen ragte der Stängel einer Rose hervor. Der Kapitän starrte auf den grünen, dornigen Stiel mit den tiefroten Blütenblättern, der Aline den Mund verschloss. Es war die eine Geschichte, von der sie noch immer träumte. Die erste, die ihr ihre Mutter erzählt hatte.
Wir sehen das, dachte sie, was in uns ist. Was für ein merkwürdiger Ort!
Bis heute gab es Menschen in den abgelegenen Ortschaften ihrer Heimat, die auf die Rückkehr des Rabenkönigs warteten. Die dem Glauben ihrer Vorfahren treu geblieben waren.
Die alte Frau kniete sich neben das Mädchen, das mit schreckgeweiteten Augen ihren Blick suchte. Die Rose, die den Mund verschloss. Das Zeichen des Paktes.
Der Mönch blickte sie erwartungsvoll an. In seinen dunklen Augen sah sie ihr nahes Ende.
Es überraschte sie, dass es so enden sollte. Mit diesem Symbol aus ihrer Kindheit. Einer alten Legende, an der sie ihr halbes Leben nicht mehr gedacht hatte.
»Hab keine Angst!«, sagte sie zu dem Mädchen.
Jeder sieht nur das, was er kennt … In ihrem langen Leben hatte sie Leben entstehen und Leben enden sehen. Im großen Ganzen der Schöpfung spielte es keine Rolle. Aber das menschliche Herz sehnte sich nach Bedeutung, nach etwas, das blieb.
»Kann ich hierbleiben?«, fragte sie den Mönch. »Wenn alles vorbei ist …«
Er neigte seinen kahlen Kopf.
Die Vorstellung, für ewig unter diesem Sternenhimmel zu liegen, erleichterte sie.
Langsam beugte sie sich nach vorne und hauchte dem Mädchen einen Kuss