Western Sammelband 4 Romane: Wo die Wölfe warten und andere Western. Alfred Bekker

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oben? Von den anderen keine Spur?“

      „So ist es“, erklärte der Indianer namens Cold Blood. „Ich habe ihn schon nach den anderen gefragt, aber der Kerl ist nicht besonders gesprächig.“

      „Dann werden wir ihm etwas auf die Sprünge helfen müssen“, sagte der Bärtige und seine Stimme klang jetzt wie klirrendes Eis. Er öffnete den Mantel. Sein Revolver kam zum Vorschein und der vergoldete Blechstern an seiner Weste auch.

      Grainger zuckte nicht einmal mit der Wimper, als er den Stern sah. Tatsächlich war auch er selbst dieser Bande wegen in die Gegend gekommen. Eine brandgefährliche Horde: Ungefähr hundert Mann, so hieß es, ritten unter dem Kommando eines bisher unbekannten Anführers.

      Sie hatten es inzwischen geschafft, den gesamten Bahnverkehr auf der Strecke zwischen Devil’s Slide und Salt Lake City unsicher zu machen. Die Überfälle wurden mit fast militärischer Präzision durchgeführt. Die Bande schlug mit großer Übermacht zu und ging dabei äußerst rücksichtslos vor. Wer sich ihr in den Weg stellte, wurde kaltblütig erschossen.

      Kein Wunder, dass ihre Jäger solche harten, zum Äußersten entschlossenen Mienen machten. Grainger musterte die Männer. Das waren Kerle, die keinen Spaß verstanden, weiß Gott nicht!

      „Hör zu, Bursche“, sagte der Sternträger bedrohlich leise. „Ich bin Jed McCabe, der Town Marshal von Ogden und diese Männer hier gehören zu einem Aufgebot, das deinesgleichen das Handwerk legen wird! Also empfehle ich dir dringend, den Mund aufzumachen und zwar jetzt. Sonst ziehen wir den Prozess vor, der dich sowieso erwartet!“

      Er trat so nahe an Grainger heran, dass der den Schweiß des anderen riechen konnte. „Es wird ein kurzer Prozess, das kannst du mir glauben, Mann.“ Der Town Marshal flüsterte fast. „Und das Urteil vollstrecken wir auf eine Weise, dass du dir wünschen wirst, man hätte dich ganz normal an den Galgen gebracht.“

      Grainger sah dem Marshal in die Augen und begriff, dass dieser Mann jedes Wort genau so meinte, wie er es sagte. Und das Unangenehme war: Er wusste, warum dieser Mann gar nicht anders konnte, als hart und unerbittlich zu sein.

      Dutzende von Fahrgästen hatten ihr Leben auf der Strecke nach Utah verloren. Die Eisenbahngesellschaft hatte versucht, dem Problem mit bewaffneten Zugbegleitern Herr zu werden. Inzwischen fand man kaum noch Männer, die bereit waren, das Risiko auf sich zu nehmen. Nach jedem Überfall floh die Bande in die Indianergebiete. Für Wochen, manchmal Monate, tauchte sie dort unter. Bisher war es niemandem gelungen, der mörderischen Rotte zu folgen, geschweige denn sie zu stellen.

      Es war nur eine Frage der Zeit bis zum nächsten Überfall.

      „Hören Sie, McCabe“, sagte Grainger. „Sie sind hinter den Eisenbahnräubern her, die seit einiger Zeit die Gegend unsicher machen – so viel habe ich verstanden. Aber Sie irren sich, wenn Sie glauben, ich würde dazu gehören.“

      „So?“ Der Marshal lachte heiser. „Das würde ich an Ihrer Stelle auch sagen.“

      „Es ist die Wahrheit, McCabe!“

      Die Banditen wussten ganz genau, wann ein Raubzug sich lohnte und wann nicht. Selbst wenn mit einem größeren Kontingent an bewaffneten Begleitern zu rechnen war, schienen sie durch dunkle Kanäle vorher zu erfahren. Die Eisenbahngesellschaft hatte bereits Detektive engagiert, die ihre Mitarbeiter überprüfen sollten. Aber bislang war keine diese Maßnahmen von Erfolg gekrönt worden.

      „Die Wahrheit also, so, so.“ Der Marshal feixte und sein Gesicht bekam einen bitteren Ausdruck. „Ein seltenes Gut in dieser Gegend hier.“ Er blickte sich nach seinen Leuten um. Alle hörten sie schweigend zu, alle taxierten Grainger mit feindseligen Blicken. „Na gut, Fremder, erzähl deine Story, das gehört ja zu einem Prozess dazu, schätze ich mal. Warten wir ab, ob sie überzeugend klingt, deine Wahrheit – oder wie das Lügenmärchen eines Banditen!“

      „Okay, Marshal.“ Grainger nickte langsam. „Nett, dass Sie mir zuhören wollen.“

      Der Mann von der U.S. Government Squad konnte den verbitterten McCabe gut verstehen. Es war kein Vergnügen den Stern zu tragen und ständig mit Mord, Raub und Totschlag konfrontiert zu werden.

      Die Sheriffs und Town Marshals in der Gegend waren mit ihren herkömmlichen Methoden nicht in der Lage, dem Gesetz die nötige Achtung zu verschaffen. Und an einen Einsatz der Army war vorerst nicht zu denken. Also war man an die U.S. Government Squad herangetreten und die Geheimorganisation hatte ihren besten Mann in den Einsatz geschickt.

      „Mein Name ist Grainger und ich bin in diese Gegend gekommen, weil ich selbst auf der Jagd nach dieser Bande bin.“ Damit sagte er noch nicht einmal die Unwahrheit.

      „Als einzelner Mann?“, höhnte McCabe. Er wandte sich an den Indianer. „Was sagst du dazu, Cold Blood?“

      „Dieser Kerl spricht mit gespaltener Zunge!“

      „Sehe ich auch so.“ McCabe drehte sich wieder zu Grainger um. „Cold Blood ist mein Assistant Marshal. Er ist Cherokee und war Scout während des Bürgerkrieges. Vor allem aber hat er die Fähigkeit, einen Lügner nicht nur zu erkennen, sondern auch zum Reden zu bringen, wenn es sein muss...“

      „Schön für Sie, McCabe“, sagte Grainger mit rauer Stimme. „Aber er würde seine Kunst an mir verschwenden. Ich kenne die Verbrecher nicht, die Sie jagen.“

      Da die Existenz der U.S. Government Squad absolut im Verborgenen bleiben musste, konnte Grainger McCabes Leuten gegenüber schlecht die Karten auf den Tisch legen. Es musste unbedingt geheim bleiben, in wessen Auftrag er in der Gegend um den White Creek unterwegs war. Zwar war auch Grainger auf seine Weise ein Gesetzeshüter, aber einer ohne Stern oder sonst irgendein offizielles Dokument, das ihn als solchen ausgewiesen hätte. Also musste er diesen Männern eine Geschichte erzählen, die überzeugend genug klang, sodass sie ihn am Leben ließen.

      „Ich verschwende meine Kunst nie.“ Cold Blood zog seinen Dolch. „Soll ich dem Kerl die gespaltene Zunge wieder zusammenwachsen lassen?“, wandte der Cherokee sich an den Marshal.

      McCabe winkte ab. „Das können wir uns für später aufheben.“

      „Wie Sie meinen, Marshal.“

      „Ist das alles, was Sie zu sagen haben, Grainger?“, fragte McCabe.

      Alle Augen waren auf Grainger gerichtet, während er fortfuhr: „Mein Pferd ist etwa eine halbe Meile von hier entfernt in den Sträuchern auf dem Hügel festgebunden", berichtete Grainger. „Schicken Sie einen Ihrer Männer hinauf, damit er es herholt! Und dann durchsuchen Sie die Satteltaschen. Sie werden nichts finden, was mich mit dieser Bande in Verbindung bringt. Keinen Baumwollsack mit den verschwundenen Lohngeldern der Utah Territory Mining Company oder sonst etwas. Aber diese Männer haben einen meiner besten Freunde auf dem Gewissen. Sie haben die Fahrgäste aufgefordert, ihre Wertsachen und Waffen auszuhändigen und als er ihnen sein Zigarettenetui geben wollte, haben sie ihn abgeknallt wie einen tollwütigen Hund.“

      „Das ist doch alles Bullshit, was der Kerl da redet!“, meldete sich einer der anderen Männer zu Wort. „Hängen wir ihn doch einfach auf!“

      „Jawohl, kurzen Prozess gemacht mit diesem Mörderpack!“ Die Banditenjäger riefen jetzt durcheinander. „Aber vorher soll er uns noch sagen, wo seine Komplizen sind!“

      „So ein Mist, dass es hier keine Bäume gibt!“ Der Indianer sah sich um. „Wir ersäufen ihn im White Creek wie eine Katze! Wie wäre es damit?“

      „Gute Idee!“ Die anderen stimmten ihm zu.

      Marshal McCabe aber verengte die Augen. Er trat auf Grainger zu und hob die Hand. Damit brachte er seine Leute zum Schweigen. Er wandte sich an Cold Blood. „Such sein Pferd. Ich will mir hinterher keinen Fehler vorwerfen lassen müssen!“

      Der Indianer senkte den Kopf. „In Ordnung. Ich muss ohnehin noch meinen eigenen Gaul herholen.“ Er zog ab.

      „Sie glauben dem Kerl doch nicht etwa, Marshal?“, rief ein stiernackiger Kerl mit


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