Western Sammelband 4 Romane: Wo die Wölfe warten und andere Western. Alfred Bekker
Knauf fest. Er blinzelte. Ob er es tatsächlich bis nach Ogden schaffte, erschien Grainger keineswegs als ausgemacht. Obwohl er sich dessen bewusst war, wollte er es versuchen.
Er führte McCabes Pferd am Zügel hinter sich her, sodass sich der Town Marshal nur darauf konzentrieren musste, nicht aus dem Sattel zu rutschen.
7
Bis zum Abend zeigte sich kein einziger Pawnee. McCabe ging es immer schlechter. Grainger gönnte den Pferden in der Nacht nur eine kurze Pause. So gut es ging, versorgte Grainger McCabes Wunden aufs Neue. Schon vor dem Morgengrauen setzten sie ihren Weg Richtung Norden fort.
Um die Mittagszeit hatte Grainger das Gefühl, beobachtet zu werden. Zweifellos von Indianern, denn ein Weißer wäre kaum in der Lage gewesen, ihnen unbemerkt zu folgen.
„Vielleicht ist es den Pawnees ganz recht, wenn jemand entkommt und davon berichten kann, was mit dem Rest des Aufgebots geschehen ist“, dachte Grainger laut.
„Schon möglich.“ McCabes Stimme war nicht mehr als ein heiseres Krächzen. „Soll ich Ihnen was sagen, Grainger? Ich persönlich habe die Theorie, dass es im Indianergebiet gar keinen Unterschlupf gibt.“
„So?“
„Die Bande reitet in die Salzwüste, lässt sich von den Roten den Rücken freihalten, und wenn der Abstand groß genug ist, trennen sie sich einfach und kehren auf unterschiedlichen Wegen in besiedeltes Land zurück. Wo sollten sie sonst unterkriechen? In irgendeiner Höhle?“
„Warum nicht?“
„Das letzte Mal sind den Misthunden die Lohngelder der Mining Company in die Hände gefallen. Wenn Sie so viele Dollars in der Tasche haben, dann wollen sie die auch genießen, verstehen Sie Grainger? Kerle wie die haben doch keine Lust den Salzstaub von den Kakteen zu kratzen, damit sie deren bitteren Saft trinken können, weil es ansonsten im Umkreis von hundert Meilen kein einziges Wasserloch gibt! Kerle wie die, ziehen los und hauen die Beute mit Huren, beim Spiel und für Whisky auf den Kopf.“
Der Mann von der U.S. Government Squad dachte nach. „Da ist was dran“, sagte er schließlich.
Grainger hätte die Spuren der Bande trotzdem gerne weiter in die Wüste hinein verfolgt. Aber das hätte für den Marshal unweigerlich den Tod bedeutet. Also fand Grainger sich zunächst einmal damit ab, nach Ogden zurück zu reiten.
Am Nachmittag gab ihr Verfolger seine Tarnung auf. Die Gestalt eines Reiters tauchte auf der Kuppe eines Hügels auf und blieb dort ruhig stehen. McCabe sah den Reiter auch. Ein Indianer, das verriet seine Silhouette von weitem.
„Ich habe ein Fernglas“, sagte McCabe. Er versuchte zu seiner Satteltasche zu langen, stöhnte auf und ließ es dann bleiben. Grainger ritt an ihn heran und holte das Glas aus der Tasche.
„Danke, Grainger, danke für alles..“
Grainger nickte nur knapp. „Für Pawnees waren die verdammt gut bewaffnet, als sie uns angriffen.“
„Ja. Repetiergewehre und Winchester-Karabiner“, krächzte McCabe. „Dazu so viel Munition, dass sie nicht sparen mussten. Ich wette, die Waffen stammen von den Banditen.“
Grainger spähte durch das Fernglas. „Merkwürdig, dass er sich zeigt.“
„Eine Falle“, stöhnte der Marshal.
Grainger sah sich den Krieger dort oben auf dem Hügel genauer an. „Eine Frau!“, stellte er erstaunt fest.
Fasziniert betrachtete Grainger die Squaw. Das blauschwarze Haar fiel ihr weit über die Schultern. Ein Stirnband hielt es zusammen. Es war anzunehmen, dass sie eine Pawnee war. Allerdings fiel Grainger auf, dass ihr Pferd einen Sattel trug, wie ihn normalerweise die Cowboys verwendeten. Auch die Satteltaschen und der Scubbard sahen nach Ausrüstung von Weißen aus. Vielleicht Beutestücke, dachte Grainger. Auf jeden Fall war es ungewöhnlich, dass sie als Kriegerin hinter ihnen hergeschickt worden war.
„Wir werden die Augen aufhalten müssen, McCabe.“
8
Im Verlauf des folgenden Tages zeigte sich die Indianerin nicht mehr. Eine kurze, kühle Nacht verbrachten Grainger und McCabe noch im Freien. McCabe hatte inzwischen schweres Wundfieber. Grainger fragte sich ernsthaft, ob der Marshal es noch bis Ogden schaffen würde. Als sie gegen Mittag des folgenden Tages die Stadt erreichten, war der Marshal so gut wie tot. Er reagierte nicht mehr, wenn er ihn ansprach, sein Atem flog, kalter Schweiß stand auf seiner glühend heißen Stirn und sein Puls raste.
Grainger fragte den erstbesten Passanten, eine ältere Frau, auf dem Sidewalk der Main Street nach dem Arzt. Die Lady schluckte, als sie das nasse, aschgraue Gesicht McCabes sah. „Das ist ja unser Marshal“, stöhnte sie. Sie führte Grainger zum Ende der Straße, wo das Haus eines gewissen Dr. Brent O’Hines stand.
O’Hines musste erst aus dem Saloon geholt werden. Nach kurzer Zeit hatte sich eine Traube von Bürgern um Grainger gebildet. Sie löcherten ihn mit Fragen.
„Was ist mit den anderen Männern des Aufgebots?“, fragte eine Frau.
Es blieb Grainger keine Wahl, als die bittere Wahrheit auszusprechen. „Sie sind alle tot“, erklärte er. Daraufhin herrschte Schweigen und nichts als Schweigen. Grainger deutete auf das Pferd, auf dem er geritten war. „Dieser Gaul gehörte einem der Männer. Ich habe ihn nicht gekannt, aber ich möchte das Tier gerne zurückgeben.“
9
In Ogden gab es eine Telegraphenstation. Über diese Station nahm Grainger Kontakt mit einem Mittelsmann der U.S. Government Squad in Minneapolis auf. Er informierte ihn über den niederschmetternden Verlauf seiner Mission.
Danach mietete er sich in einem Hotel ein. Der Saloon im Erdgeschoss hieß The Drunken Cheyenne. Grainger setzte sich an die Theke, bestellte Stew und aß schweigend. Er hatte schon zuversichtlichere Tage erlebt, alles was recht