TEXT + KRITIK Sonderband - Ins Archiv, fürs Archiv, aus dem Archiv. Группа авторов

TEXT + KRITIK Sonderband - Ins Archiv, fürs Archiv, aus dem Archiv - Группа авторов


Скачать книгу
was nicht vergessen werden dürfe. Ein Zettel von Arno an Alice Schmidt wird hier mit aufbewahrt, den der Autor schrieb, bevor seine Frau 1976 ihre Freundin Rosa Scholz in Dessau besuchte:

      »25.XII 76 Lilli nach D.

      bestellen:

      1) P. Ahnert, ›Kalender für Sternenfreunde‹ für 1977

      2) Batterien für Kleinwecker nicht vergessen

      3.) farbige Wiedergabe des Bildes vd 4 Töchtern Oranien (da für ›Julia‹ gedacht – die Lynxde soll, verjüngt noch, ihr Porträt sein)

      4.) evtl. noch eine ReclamAusgabe, Kant, ›Kritik d. r. V.‹ Sch«

      Dies ist die einzige mir bekannte Äußerung Schmidts, die der literarischen Figur der Julia aus dem letzten, unvollendet gebliebenen Roman »Julia, oder die Gemälde« explizit eine der auf einem Gemälde abgebildeten vier Prinzessinnen von Oranien zuordnet, nämlich Luise Henriette (das Gemälde hängt in Schloss Mosigkau bei Dessau, deshalb der Auftrag an Alice Schmidt). Weil ich das aber damals nicht wusste (und später vergessen hatte), gibt es in der Archivmappe zu »Julia, oder die Gemälde« keinen Hinweis auf diesen Zettel. Die Ordnung im Archiv scheitert also nicht nur an ihren eigenen Grenzen, sondern unter Umständen bedauerlicherweise auch am mangelnden Überblick der Bearbeiter.

      »MS-Kleinkrims (aus den Jahren 1965–71)«

      Diesem von Schmidt überlieferten Konvoluttitel sortierten die Bearbeiter weiteres nicht eindeutig zuzuordnendes Material zu, hier gibt es (wenige) inhaltliche Notizen, die zu keinem Projekt gehören und Erkenntnisse enthalten wie »Die ›Wurzel‹ ist das ubw der Pflanze« oder »too many things happen every day«.

      Ebenso findet sich aber auch eine Notiz, welche Seiten im Original-Manuskript von »Zettel’s Traum« nach der Reproduktion fehlten und wann sie doch noch wieder eingetroffen sind, eine Nachricht für den Tischler, welche Art Regalbretter benötigt werden, Handschriftenproben der Nachbarn (Verwendungszweck unbekannt) und von Schmidt selbst in einem Umschlag gesammelte »Reste d. Aufklebepapiere v. ›Zettel’s Traum‹«. Auch Memorabilien, möglicherweise eher von Alice Schmidt aufbewahrt, sind hier beigelegt: Ein Markenbutterpapier der Molkerei aus dem Nachbarort Eldingen (»Die gute Heide-Butter, ein Qualitätsbegriff«), ein Zuckereinwickelpapier mit dem Aufdruck »Willkommen in der Lüneburger Heide«, eine kleines Glanzpapier mit einer Abbildung des Sarotti-Mohrs, wohl ursprünglich von einer Praline. All diese Dinge können im Archiv nicht über standardisierte Suchen gefunden werden, man ahnt entweder, wo sie sind, oder kann sie, was schöner ist, überraschend (wieder)finden. Und hier wäre er dann, der nicht mehr sinnvoll zu ordnende Rest, der, auch wenn er keinerlei Erkenntnisse zum literarischen Werk vermittelt, doch eine Papierbrücke zwischen Autorleben und Welt legt, die vielleicht nie jemand außer den Archiv-Mitarbeitern betreten wird.


Скачать книгу