Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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da sie in Prag Gäs­te des Kai­sers sein soll­ten, der zu großer Ver­le­gen­heit des Finanz­ra­tes die Fürs­ten üp­pig zu be­wir­ten lieb­te.

      Nach fei­er­li­cher Er­öff­nung durch den Kai­ser lei­te­te der Kon­vent sei­ne Tä­tig­keit da­durch ein, dass er von meh­re­ren Uni­ver­si­tä­ten Gut­ach­ten über die ver­wi­ckel­te Jü­li­cher Erb­fol­ge ein­zu­ho­len be­schloss, wel­cher denn von den ver­schie­de­nen Er­ban­spre­chern, zu de­nen auch der Kur­fürst von Sach­sen ge­hör­te, das bes­te Recht hät­te. Sie wa­ren noch in Er­war­tung der Ant­wor­ten, als die Nach­richt von der Er­mor­dung Hein­richs IV. von Frank­reich ein­traf, wo­durch die Kriegs­ge­fahr sich er­heb­lich ver­rin­ger­te. Her­zog Hein­rich Ju­li­us von Braun­schweig-Wol­fen­büt­tel, der we­gen sei­nes Strei­tes mit der Stadt Braun­schweig sich schon vor meh­re­ren Jah­ren per­sön­lich mit dem Kai­ser in Ver­bin­dung ge­setzt und ihn ganz auf sei­ne Sei­te ge­bracht hat­te und der auch jetzt wie­der in Prag an­we­send und von dem ihm be­son­ders ver­trau­ten Kai­ser zum Kon­ven­te zu­ge­zo­gen war, gab bei die­ser Ge­le­gen­heit ein Gast­mahl, des­sen vor­nehms­te Ta­fel­zier­de ein die Ju­dith mit dem Haup­te des Ho­lo­fer­nes dar­stel­len­des Schau­stück bil­de­te. Es be­stand aus Man­deln, Ho­nig und Mehl­teig und war da­durch merk­wür­dig, dass der Zucker­bä­cker auf An­wei­sung des Her­zogs von Braun­schweig dem von der Ju­dith am Schop­fe ge­hal­te­nen Haup­te die Züge Hein­richs IV. zu ge­ben ver­sucht hat­te. Er sei selbst in der Werk­statt des Meis­ters ge­we­sen und habe nicht un­ge­schickt mit zu­ge­grif­fen, er­zähl­te der Her­zog sei­nen Gäs­ten, die denn auch die Ar­beit wohl­ge­lun­gen und des Kö­nigs Nase und Bart wohl­ge­trof­fen fan­den. Der rüs­ti­gen Mör­de­rin, er­klär­te der Her­zog, habe er nur das Ge­sicht ei­nes be­lie­bi­gen schö­nen, ge­sun­den Weibs­bil­des ge­ben las­sen, denn er wis­se nicht, wie der Mann be­schaf­fen sei, der den Kö­nig er­sto­chen habe, auch sei das Gan­ze mehr als ein Sym­bo­lum auf­zu­fas­sen. Wer er auch sei und ob man auch die Mord­tat nicht bil­li­gen kön­ne, sag­te der Erz­bi­schof von Köln, so sei sie, wenn nicht auf An­stif­tung, doch un­ter Zu­las­sung Got­tes ge­sche­hen, der das from­me Kaiser­haus au­gen­schein­lich be­schüt­ze. Der ke­cke und un­ru­hi­ge Geist des Kö­nigs hät­te ein hüb­sches Kriegs­feu­er am Rhei­ne an­zün­den kön­nen, dar­an sie lan­ge zu lö­schen ge­habt hät­ten. Ja, sag­te Kur­fürst Chris­ti­an von Sach­sen, mit Fromm­sein und Zu­war­ten übe man meist die feins­te Po­li­tik aus, in­dem Gott die Ent­schei­dung in al­len Din­gen zu­ste­he und er al­les zum Bes­ten der From­men ein­rich­te.

      Um nun die Jü­li­cher Fra­ge vollends zum Ende zu brin­gen, er­klär­te sich der Kai­ser ein­ver­stan­den, den Kur­fürs­ten von Sach­sen mit dem er­le­dig­ten Her­zog­tum zu be­leh­nen, wel­che Hand­lung gleich wäh­rend des Kon­ven­tes fei­er­lich voll­zo­gen wer­den soll­te. Hat­te Ru­dolf es auch be­reits sei­nem Nef­fen Leo­pold ver­spro­chen, so konn­te doch in­zwi­schen der säch­si­sche Kur­fürst da­mit zu­frie­den­ge­stellt wer­den, den als den mäch­tigs­ten evan­ge­li­schen Fürs­ten von Zeit zu Zeit durch eine un­vor­greif­li­che Ver­güns­ti­gung zu ver­pflich­ten ein Haupt­stück der kai­ser­li­chen Re­gie­rungs­kunst im Rei­che war. Mit Ei­fer nahm sich die­ser Sa­che der Her­zog von Wol­fen­büt­tel an, in­dem er für die rich­ti­ge Aus­füh­rung des Be­leh­nungs­ak­tes nach den Vor­schrif­ten der Gol­de­nen Bul­le, die er aus­wen­dig wuss­te, Sor­ge trug. Die Fürs­ten, wel­che sei­ne Ge­lehr­sam­keit be­wun­der­ten, füg­ten sich sei­nen An­ord­nun­gen und ka­men in dem Gast­hof, den er be­wohn­te, zu­sam­men, um dem Kur­fürs­ten von Sach­sen sei­ne Rol­le ein­zu­stu­die­ren. Chris­ti­an näm­lich war von großer, brei­ter, mus­kel­star­ker Ge­stalt, hat­te sich als Jüng­ling bei Tur­nie­ren aus­ge­zeich­net und pfleg­te sich von den Bild­hau­ern als Her­ku­les dar­stel­len zu las­sen; aber das über­mä­ßi­ge Trin­ken hat­te ihn auf­ge­schwemmt und zu ei­ner trä­gen, un­för­mi­gen Mas­se ge­macht, so­dass es nicht leicht war, ihn sei­nem al­ten Ruh­me ge­mäß ein­drucks­voll zu ver­wen­den. Vor­nehm­lich schwer wur­de ihm das Nie­der­kni­en vor dem Kai­ser, das den wich­tigs­ten Punkt der Dar­stel­lung bil­de­te, da er in der en­gen und schwe­ren Rüs­tung, die dazu ge­hör­te, noch un­be­weg­li­cher als sonst war. Die Erz­bi­schö­fe mus­ter­ten et­was be­sorgt das rot­ge­dun­se­ne Ge­sicht mit den schlaff hän­gen­den Ba­cken un­ter dem Kur­hu­te, an dem der Schweiß hin­un­ter­zu­lau­fen be­gann, wäh­rend der Her­zog ihn un­nach­sich­tig den Knie­fall wie­der­ho­len ließ, bis es ohne An­stoß ge­lun­gen wäre. Es habe nichts auf sich, sag­te der Her­zog, wenn der Kur­fürst sich et­was lang­sam und un­an­stel­lig ge­bär­de, nur dür­fe er we­der la­chen noch grei­nen oder das Maul hän­gen las­sen, eben­so­we­nig tau­meln oder stol­pern oder schnau­fen, was al­les der fürst­li­chen Ma­je­stät Ab­bruch tue, vor al­len Din­gen aber beim Nie­der­kni­en nicht wie ein vol­ler Sack zu Bo­den plump­sen, son­dern sich ge­lin­de und gleich­sam aus frei­en Stücken nie­der­las­sen und wie­der auf­ste­hen. Schließ­lich ka­men die Fürs­ten über­ein, dass es bes­ser wäre, dem Kur­fürs­ten zwei Knap­pen bei­zu­ge­ben, die ihm beim Nie­der­kni­en und Wie­der­auf­ste­hen un­ter die Arme grif­fen, da man sonst doch sich ei­nes Un­falls be­sor­gen müs­se.

      Der Kur­fürst, den das häu­fi­ge Pro­ben et­was ver­dros­sen hat­te, ge­wann bei dem sich dar­an­schlie­ßen­den Ge­la­ge sei­ne gute Lau­ne wie­der, über­nahm sich aber im Trin­ken so sehr, dass er am fol­gen­den Mor­gen, als die Be­leh­nung vor­ge­nom­men wer­den soll­te, gänz­lich un­fä­hig und sei­ner nicht mäch­tig war und da­durch die Fürs­ten in nicht ge­rin­gen Schre­cken ver­setz­te. Sie soll­ten ihm einen Hum­pen voll zu trin­ken ge­ben, sag­te Chris­ti­an übel­lau­nig zu ih­nen, die ihn vor­wurfs­voll um­stan­den, dann wer­de er al­les or­dent­lich aus­rich­ten, erst müss­te er al­le­mal den Schlaf, der ihm wie Blei in den Glie­dern lie­ge, mit ei­nem Frühtrunk fort­spü­len. Dem wi­der­setz­te sich an­fangs der Her­zog von Braun­schweig, da es ers­tens der Gül­de­nen Bul­le nicht ge­mäß sei und zwei­tens auch ge­fähr­lich, in­dem der Kur­fürst sich wie­der über­neh­men und da­durch al­les zum Schei­tern brin­gen kön­ne; al­lein auf Zu­re­den der an­de­ren, dass Chris­ti­an in ei­ner mä­ßi­gen Trun­ken­heit bes­ser fi­gu­rie­ren kön­ne als nüch­tern, ließ ihm der Her­zog einen Krug Bier ver­ab­rei­chen, wor­auf er sich er­hol­te und die Ze­re­mo­nie un­ter großem Ge­prän­ge und Zu­lauf vor­ge­nom­men wur­de und auch leid­lich ab­ging. Das Ge­sicht des Kai­sers blick­te fahl und trau­rig aus dem star­ren­den Or­nat, mit dem er be­han­gen war; er hat­te sich in der letz­ten Zeit von den ge­mein­sa­men Zu­sam­men­künf­ten zu­rück­ge­zo­gen, da die Fürs­ten all­mäh­lich ab­rei­sen und vor­her das­je­ni­ge Ge­schäft er­le­di­gen woll­ten, das ihm wi­der­wär­tig war, näm­lich die Aussöh­nung mit Matt­hi­as.

      Auch die­ser woll­te an­fangs nichts da­von hö­ren, aber der Her­zog von Braun­schweig, der un­ver­dros­sen nach Wien reis­te, um ihn zu be­ar­bei­ten, brach­te ihn da­hin, dass er die Waf­fen nie­der­zu­le­gen ver­sprach, wenn der Kai­ser das Kriegs­volk entlie­ße, das er im Bis­tum Passau ge­wor­ben hat­te und das ge­gen ihn be­stimmt sei. Da­rauf woll­te Ru­dolf je­doch nicht ein­ge­hen: das Pas­sau­er Kriegs­volk, sag­te er, ge­hö­re sei­nem Nef­fen Leo­pold und sol­le in der Jü­li­cher Feh­de ver­wen­det wer­den; er habe nichts da­mit ge­gen Matt­hi­as im Sin­ne, aber er und sei­ne üb­ri­gen Brü­der und Nef­fen, mit Aus­nah­me Leo­polds, wä­ren ein va­ter­mör­de­ri­sches Ge­schlecht


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