Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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der er­zwun­ge­nen Un­tä­tig­keit, die ihn von Tag zu Tag un­leid­li­cher drück­te, lief an Mans­felds Geis­te sein ver­gan­ge­nes Le­ben, aus Kampf, Ent­täu­schung und Bit­ter­keit be­ste­hend, vor­über. In sei­nem zehn­ten Le­bens­jah­re hat­te es sich be­ge­ben, dass er in die Bü­cher, die ihm ge­hör­ten, ein paar fran­zö­si­sche An­dachts­bre­vie­re, eine Be­fes­ti­gungs­leh­re und einen la­tei­ni­schen Plut­arch, ne­ben sei­nen Na­men Pe­ter Ernst Mans­feld den Wahl­spruch sei­nes Va­ters ge­schrie­ben hat­te, der ihm über­aus wohl­ge­fiel: For­ce m’est trop. Dies hat­te der Hof­meis­ter der Pa­gen, mit de­nen er er­zo­gen wur­de, ge­se­hen und ihn auf Be­fehl sei­nes Va­ters mit Schlä­gen so ge­züch­tigt, dass Blut ge­flos­sen war. Es wur­de ihm da­bei ge­sagt, dass er der Ge­walt sich zu fü­gen ler­nen müs­se, dass das stör­ri­sche, un­bän­di­ge We­sen ihm aus­ge­trie­ben wer­den sol­le, und als er sich zor­nig be­klag­te, ein Fürs­ten­sohn dür­fe nicht wie ein Knecht be­han­delt wer­den, wur­de ihm ent­geg­net, er sei ein Ba­stard, sol­le nach dem Wil­len sei­nes Va­ters nicht an­ders be­han­delt wer­den als die Pa­gen, die im Schlos­se dienten, und habe kein Recht, sei­nes Wap­pens und Wahl­spruchs sich zu be­die­nen. Wenn ihn seit­dem ein Geg­ner mit dem Na­men Ba­stard ge­höhnt hat­te, über­lief ihn je­des Mal das­sel­be Ge­fühl von Scham und ohn­mäch­ti­ger Wut, das da­mals sei­ne kind­li­che Brust fast er­drückt hat­te. Hass und un­er­sätt­li­che Ra­che ge­gen den Va­ter durch­dran­gen ihn, des­sen ge­sun­des Al­ter kalt, zu­frie­den und wür­de­voll in sei­nen Sch­lös­sern thron­te und der sei­nen Sohn na­men­los, ohne Hei­mat, Erbe und Ehre zu­rück­ließ. Oft sehn­te er sich da­nach, den hoch­mü­ti­gen Greis, dem man sich nur voll Ehr­furcht und un­ter Bück­lin­gen ge­nä­hert hat­te, aus der Erde her­aus­zu­wüh­len und öf­fent­lich ver­letz­ter Va­ter­pflicht und un­na­tür­li­cher Grau­sam­keit an­zu­kla­gen. Fluch über ihn, der sei­nen Sohn wie Is­ma­el in die Wüs­te ge­sto­ßen hat­te. Noch jetzt muss­te er oft rüh­men hö­ren, wie treu sein Va­ter als Gou­ver­neur von Lu­xem­burg dem Hau­se Habs­burg ge­dient und ih­nen so­gar alle sei­ne Gü­ter hin­ter­las­sen habe; ihm schi­en es nicht rüh­mens­wert, dass er den über­mü­ti­gen Her­ren sei­nen Über­fluss ver­mach­te und sei­nen Sohn ih­rer Gna­de zu emp­feh­len sich be­gnüg­te. Er hat­te es nicht an­ders ge­wusst, als dass er im Diens­te des Hau­ses Ös­ter­reich das Schwert füh­ren müs­se, und hat­te es ge­tan, so gut er es ver­stand, tap­fer und ohne sein Le­ben zu scho­nen; sie da­ge­gen hat­ten ihn we­gen ei­nes fehl­ge­schla­ge­nen Kriegs­un­ter­neh­mens, wor­an er sich un­schul­dig glaub­te, kas­siert. Zu­rück­set­zun­gen und Krän­kun­gen al­ler Art wa­ren ihm zu­teil ge­wor­den, so­dass er sich end­lich klar­ge­macht hat­te, er als be­rech­tig­ter Er­ban­spre­cher der vä­ter­li­chen Hin­ter­las­sen­schaft sei ih­nen im Wege. Wa­rum ließ er sich tre­ten von de­nen, die ihn aus­ge­plün­dert hat­ten? Er konn­te leicht an­ders­wo sein Glück fin­den, ja es wa­ren ihm schon An­trä­ge von evan­ge­li­scher Sei­te ge­macht wor­den; dann konn­te er viel­leicht den Geg­nern mit Ge­walt neh­men, was sie dem ge­dul­di­gen Die­ner vor­ent­hiel­ten. Im­mer, wenn er die Mög­lich­keit er­wog, zur Uni­on über­zu­ge­hen, stör­te ihn die Vor­stel­lung, dass er sich gleich­sam als ein Flücht­ling und Ver­schmäh­ter de­nen an­schloss, auf die er als auf Ket­zer und Re­bel­len her­ab­zu­se­hen ge­wohnt war; da­ge­gen sag­te er sich, dass er der Mann sei, ih­nen sei­nen Wert zu er­wei­sen. Das Er­geb­nis lan­ger Kämp­fe war, dass er den Gra­fen Solms bat, ihn ge­gen Ehren­wort zu ent­las­sen, da­mit er den Erz­her­zog Leo­pold per­sön­lich auf­for­dern kön­ne, ihn aus­zu­lö­sen, wid­ri­gen­falls er zur Uni­on über­ge­hen wol­le; wei­ge­re sich Leo­pold, so sei er ent­schlos­sen, die Dro­hung aus­zu­füh­ren. Graf Solms zö­ger­te mit der Ant­wort; denn er hat­te die Mei­nung, dass das Ehren­wort ei­nes Ba­stards nicht gel­te, und war nahe dar­an, ihm dies zu ver­ste­hen zu ge­ben. In­dem er aber Mans­feld in das klu­ge, reiz­ba­re Ge­sicht sah, das sich rö­te­te und arg­wöh­nisch lei­dend ver­zog, weil er des Un­schlüs­si­gen Zwei­fel rich­tig deu­te­te, be­sann er sich plötz­lich ei­nes an­de­ren, reich­te dem Bit­ten­den die Hand und sag­te: »Ich habe Euch kämp­fen se­hen wie einen Edel­mann, und als ei­nem sol­chen gebe ich Euch die Frei­heit«, wor­auf Mans­feld dank­te und da­von­ritt.

      Von Erz­her­zog Leo­pold, der sein er­träum­tes Reich von Jü­lich aus zer­flie­ßen sah, ohne Geld, weil er selbst keins habe, und mit den spöt­ti­schen Wor­ten ent­las­sen, er sol­le un­ter Freun­den und Ver­wand­ten für sich sam­meln las­sen, kehr­te er grol­len­den Her­zens nach Dü­ren zu­rück. Nicht nur re­de­ten ihm Ans­bach, An­halt und Solms zu, sich nun­mehr der Uni­on an­zu­schlie­ßen, son­dern Solms schenk­te ihm auch die Frei­heit, groß­mü­tig auf das Lö­se­geld ver­zich­tend; al­lein das be­stärk­te Mans­feld in dem Vor­satz, nur an der Spit­ze ei­nes Re­gi­ments, nicht als Bett­ler zu den bis­he­ri­gen Fein­den zu kom­men. Ei­ni­ge Mo­na­te ver­gin­gen, die er im Bel­gi­schen und Lu­xem­bur­gi­schen, wer­bend und strei­fend im Diens­te des Erz­her­zogs, zu­brach­te, im­mer noch ein Zei­chen er­war­tend, das ihm An­lass gäbe, bei der al­ten Fah­ne zu blei­ben. An­statt des­sen ge­riet er in einen Wort­wech­sel mit Leo­pold, weil die­ser sich wei­ger­te, den Söld­nern, die Mans­feld für ihn ge­wor­ben hat­te, den Sold aus­zu­zah­len. Im Ver­trau­en auf sei­ne, des Erz­her­zogs, Ehre habe er den Söld­nern sein Wort ver­pfän­det, warf ihm Mans­feld vor, wor­auf der Erz­her­zog spot­te­te, er sei ja dem Gra­fen Solms das Lö­se­geld schul­dig ge­blie­ben, und der­sel­be habe das Recht, Mans­felds Na­men auf den Schand­pfahl zu schla­gen. Des Lö­se­gelds sol­le er ewig ein­ge­denk sein, ant­wor­te­te Mans­feld kurz, dreh­te sich um und ver­ließ Leo­pold, ent­schlos­sen, nun ein Ende zu ma­chen. Un­ter dem Vor­wan­de, einen Fut­ter­trans­port es­kor­tie­ren zu müs­sen, ver­ließ er mit sei­nem Re­gi­ment das El­saß, wo­hin er sich zu­rück­ge­zo­gen hat­te, und führ­te es dem eins­ti­gen Fein­de zu. Auf ei­nem frei­en Fel­de hielt er eine An­spra­che, in der er die Grün­de, die ihn be­weg­ten, aus­ein­an­der­setz­te. Er sprach von dem Geiz und der Un­dank­bar­keit des Hau­ses Habs­burg und wie lan­ge er die Ty­ran­nei des­sel­ben er­tra­gen habe in der Mei­nung, es müs­se so sein, dass ei­ni­ge Hun­ger und Durst, Frost und Hit­ze, Ent­beh­rung und Man­gel lit­ten, wäh­rend an­de­re in Über­fluss, Gü­tern und Ti­teln schwelg­ten. Es sei nicht so; das Evan­ge­li­um der Frei­heit sei längst aus­ge­gan­gen in die Welt, man hät­te es ih­nen aber vor­ent­hal­ten. Zur evan­ge­li­schen Frei­heit wol­le er von nun an sich hal­ten. Er sei als Fürst ge­bo­ren und auf­ge­wach­sen so gut wie ein Erz­her­zog, das Haus Habs­burg habe ihn sei­nes Lan­des und sei­ner Rech­te, so wie sie ih­res Sol­des, be­raubt. Er sei jetzt, ob­wohl ein Fürst, arm, habe aber ein Schwert, mit dem er sich die Welt er­kämp­fen kön­ne. Dem Schwert und der Frei­heit wol­le er ver­trau­en; wie er sie nicht ver­lie­ße, soll­ten sie ihm treu blei­ben.

      Die­se und ähn­li­che Wor­te sprach er vom Pfer­de her­un­ter, den Hut in der Hand, zu den Sol­da­ten, die ihm als ei­nem ver­we­ge­nen und groß­mü­ti­gen, wenn auch mit­un­ter maß­los hef­ti­gen Füh­rer im gan­zen zu­ge­tan wa­ren. Die meis­ten ju­bel­ten ihm zu, umso mehr, als sie größ­ten­teils Pro­tes­tan­ten wa­ren; an­de­re gin­gen einst­wei­len mit, um sich ge­le­gent­lich zu ver­lie­ren, wenn ih­nen der Wech­sel nicht zu­sa­gen soll­te; nur we­ni­ge kehr­ten aus An­häng­lich­keit an die ein­mal er­grif­fe­ne Sa­che oder aus Miss­trau­en ge­gen die neue zu­rück.


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