Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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ich es mit mei­nem Bru­der Ru­dolf ge­macht habe; das muss nun sei­nen Lauf neh­men.«

      »O hei­li­ge Me­lan­cho­lie im Lehn­stuhl!« rief Khlesl, die Hän­de zu­sam­menschla­gend, aus, »das muss es frei­lich, wenn Sie eben­so wer­den, wie Ihr Bru­der Ru­dolf war. Kön­nen Sie sich denn nicht weh­ren? Kön­nen Sie nicht ver­gnügt und tä­tig sein, wie Ihr ver­stor­be­ner Herr Va­ter war?«

      »Wenn du mir sagst, was ich tun soll, will ich es tun«, seufz­te Matt­hi­as. Fer­di­nand habe ihm ver­spro­chen, sich bei sei­nen Leb­zei­ten in nichts ein­zu­mi­schen, es sei nur eine Form­sa­che, wenn er ihm die Kro­nen von Ös­ter­reich und Böh­men ab­trä­te, man brau­che es nicht so wich­tig auf­zu­fas­sen.

      Ja, sag­te Khlesl, mit dem Leim pfle­ge man stets die Ru­ten zu be­strei­chen, mit de­nen man Vö­gel fan­gen wol­le.

      Der Fer­di­nand habe sich doch bis­her als ein from­mer, of­fen­her­zi­ger jun­ger Mann ge­zeigt, mein­te Matt­hi­as.

      Ach Gott frei­lich, sag­te Khlesl, dem Fer­di­nand sit­ze die Mas­ke treff­lich, er habe sie mit auf die Welt ge­bracht.

      Ein un­er­war­te­tes Hin­der­nis trat den bei­den Erz­her­zö­gen von be­freun­de­ter Sei­te ent­ge­gen, in­dem der Kö­nig von Spa­ni­en als ein Nach­kom­me Kö­nig Fer­di­n­ands I. An­sprü­che auf die Er­b­lan­de er­hob. Ver­ge­bens stell­ten sie dem spa­ni­schen Ge­sand­ten vor, wie un­vor­sich­tig es zur­zeit von der Fa­mi­lie sei, sich in of­fe­ner und heim­li­cher Feind­schaft viel­fach zu zer­spal­ten; er blieb un­er­schüt­ter­lich, wohl wis­send, die ar­men deut­schen Habs­bur­ger wür­den die geld­mäch­ti­ge spa­ni­sche Ver­wandt­schaft nicht aufs Spiel zu set­zen wa­gen. In der Tat be­quem­ten sich Ma­xi­mi­li­an und Fer­di­nand dazu, mit Spa­ni­en um den Preis sei­nes Ver­zichts zu han­deln, was sich, da auf der einen Sei­te mög­lichst viel ver­langt wur­de, auf der an­de­ren so we­nig wie mög­lich ge­zahlt wer­den woll­te, durch vie­le Mo­na­te hin­zog. In­zwi­schen be­gan­nen die Ver­hand­lun­gen mit Khlesl, der sich grund­sätz­lich zwar mit der Nach­fol­ge Fer­di­n­ands ein­ver­stan­den er­klär­te, aber be­haup­te­te, erst müs­se das Reich un­ter einen Hut ge­bracht wer­den, be­vor man einen neu­en Kai­ser dazu su­che. Be­ste­he denn über­haupt noch eine Reichs­ver­fas­sung, wenn kein Tri­bu­nal mehr da sei, des­sen Ent­scheid dün­gen sich alle un­ter­wür­fen, und also kein Recht mehr zu er­lan­gen sei? Wenn je­der Stand nach Be­lie­ben Bünd­nis­se schlös­se und ei­ner wi­der den an­de­ren prak­ti­zie­re und rüs­te? Auch wür­den nur we­nig Fürs­ten mit Fer­di­n­ands Wahl ein­ver­stan­den sein, be­vor ein Ver­gleich ge­schaf­fen sei, und einen sol­chen her­zu­stel­len, müs­se also der kai­ser­li­chen Re­gie­rung ers­tes Be­mü­hen sein.

      Da­ge­gen ei­fer­te Ma­xi­mi­li­an, das wä­ren nur Vor­wän­de, durch die Khlesl die Sa­che hin­aus­schie­ben wol­le; den Ket­zern ent­ge­gen­zu­kom­men, hel­fe und än­dere nichts; man müs­se die­sen viel­mehr den Meis­ter zei­gen, wie es auch frü­her Khlesls Mei­nung ge­we­sen sei; nun aber gehe er auf gott­lo­se Rän­ke und Sch­li­che aus, um die Macht in der Hand zu be­hal­ten.

      Noch in ei­nem an­de­ren Fal­le hat­te Fer­di­nand die Geg­ner­schaft Khlesls zu spü­ren. Es ge­hör­te zu sei­nem Er­b­lan­de die so­ge­nann­te kroa­ti­sche Mark, die zum Teil von ei­ner wun­der­lich ge­misch­ten Be­völ­ke­rung be­sie­delt war. Zu Flücht­lin­gen, die der tür­ki­schen Herr­schaft ent­sprun­gen wa­ren, ge­sell­te sich man­cher­lei wil­des Ge­sin­del von den Küs­ten und Ber­gen Istri­ens, und so ent­stand um die Stadt Zengg her­um ein See­räu­ber­volk, das man Us­ko­ken nann­te und das un­ter dem Schut­ze der Erz­her­zö­ge von Stei­er­mark ein aben­teu­ern­des, ge­fähr­li­ches We­sen trieb. Häu­fig ka­men nun die Us­ko­ken in Streit mit der be­nach­bar­ten Re­pu­blik Ve­ne­dig, die die Herr­schaft im Adria­ti­schen Mee­re aus­üb­te und be­an­spruch­te und der die Aben­teu­rer zwar nicht ernst­lich Trotz bie­ten, die sie aber durch Über­fall, Raub und Mord emp­find­lich schä­di­gen konn­ten. Da Fer­di­nand auf die Kla­gen Ve­ne­digs die Schul­di­gen nur dem Schei­ne nach be­straf­te, in Wirk­lich­keit aber be­schirm­te, kam es zum Krie­ge zwi­schen ihm und der Re­pu­blik, in den sich auch Matt­hi­as mit hin­ein­zie­hen ließ, sehr zum Är­ger Khlesls, der Fer­di­nand ver­geb­lich zum Nach­ge­ben hat­te be­stim­men wol­len. Sei­ner An­sicht nach war Fer­di­nand im Un­recht, da er mit See­räu­bern ge­mei­ne Sa­che ma­che; über­haupt aber, sag­te er, sei über­all so viel ent­zünd­li­cher Stoff auf Weg und Steg ver­steckt, dass je­des Feu­er, ir­gend­wo auf­ge­gan­gen, einen all­ge­mei­nen, nicht mehr zu lö­schen­den Brand er­re­gen kön­ne, und man müs­se des­halb den Frie­den zu er­hal­ten su­chen und kei­ne Fun­ken flie­gen las­sen.

      Na­ment­lich dem Erz­her­zog Ma­xi­mi­li­an wur­de es im­mer un­leid­li­cher, sich über­all von der Macht und Pracht Khlesls über­trumpft und aus­ge­sto­chen zu fin­den. Da er selbst ein spar­sa­mer Haus­wirt war und doch nie­mals mit sei­nen Ein­künf­ten reich­te, wurm­te es ihn über alle Ma­ßen, wenn er die mit sechs Pfer­den be­spann­te Ka­ros­se des Bi­schofs da­her­fah­ren sah, oder den mit Zo­bel ge­füt­ter­ten Man­tel, den er im Win­ter trug, und die Kra­gen von feu­er­ro­ter und vio­let­ter Sei­de, auf de­nen die gel­be Far­be sei­nes Ge­sich­tes häss­lich her­vor­trat. Nicht nur wuss­te Khlesl ge­schickt sei­ne Ein­künf­te zu ver­meh­ren, son­dern er be­zog auch von vie­len Sei­ten, na­ment­lich von Spa­ni­en, rei­che Pen­sio­nen und half dem not­lei­den­den Kai­ser oft mit klei­nen Sum­men aus. So­gar sei­ne Die­ner konn­ten als Her­ren auf­tre­ten, denn ohne sie zu be­ste­chen, ge­lang­te nie­mand zu ihm. Schon seit Jah­ren sprach man da­von, dass der ehr­gei­zi­ge Bi­schof nach der Kar­di­nals­wür­de stre­be, und nun hieß es, der Papst kön­ne dem Wun­sche des um die Kir­che so hoch­ver­dien­ten Man­nes nicht län­ger wi­der­stre­ben. Voll In­grimm glaub­te Ma­xi­mi­li­an wahr­zu­neh­men, wie er den Kopf be­reits hö­her auf­wer­fe und sich in Klei­dern und Ge­bär­den pfau­en­haf­ter sprei­ze als sonst, und es schi­en ihm kei­ne Zeit mehr zu krum­men We­gen zu sein. Ent­schlos­sen leg­te er Matt­hi­as sei­ne und Fer­di­n­ands un­um­stöß­li­che For­de­run­gen vor: Fer­di­nand müs­se durch­aus so bald wie mög­lich in den Er­b­lan­den und im Rei­che zum Nach­fol­ger ge­wählt wer­den. Ein Kur­fürs­ten­tag müs­se aus­ge­schrie­ben und die Kur­fürs­ten zur Wahl ver­an­lasst wer­den; mach­ten die Evan­ge­li­schen Ein­wän­de oder er­schie­nen sie nicht, so müs­se die Wahl ohne sie vor­ge­nom­men wer­den. Da­mit dem un­ge­wöhn­li­chen Ver­fah­ren Nach­druck ge­ge­ben wer­den kön­ne, müs­se Matt­hi­as un­ver­züg­lich ein Heer rüs­ten, dann kön­ne es ihm nicht feh­len. Nach ei­ni­gem Sträu­ben und Weh­kla­gen gab Matt­hi­as nach, so­dass Ma­xi­mi­li­an schon den Sieg da­von­ge­tra­gen zu ha­ben glaub­te.

      Plötz­lich je­doch nahm die Sa­che eine ganz an­de­re Wen­dung: Das Me­mo­ri­al, in wel­chem Ma­xi­mi­li­an sei­ne For­de­run­gen auf­ge­zählt und be­grün­det und wel­ches er der kai­ser­li­chen Kanz­lei ein­ge­reicht hat­te, war auf un­er­klär­li­che Wei­se in die Hän­de der Evan­ge­li­schen ge­ra­ten, die sich nun bei­zei­ten ge­gen die de­spe­ra­ten An­schlä­ge zur Wehr set­zen konn­ten. Es litt bei Ma­xi­mi­li­an kei­nen Zwei­fel, dass Khlesl der Ur­he­ber die­ses Ver­ra­tes sei, und er be­schloss die Nie­der­la­ge mit den äu­ßers­ten Mit­teln zu rä­chen. Sein Hass nahm zu, als eine päpst­li­che Ab­ord­nung dem Bi­schof die Er­nen­nung zur Kar­di­nals­wür­de über­brach­te,


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