Desert Hearts. Jane Rule

Desert Hearts - Jane Rule


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echt«, sagte Janet, »es wundert mich nicht, dass sie sie von den Spieltischen abgezogen haben. Sie gehört gefeuert.«

      »O nein. Silver ist in Ordnung.«

      »Sie ist vulgär.«

      »Sicher.«

      »Ann, warum lässt du es zu, dass sie immer diese Bemerkungen macht?«

      »Was für Bemerkungen?«

      »Sie hat’s immer mit dir … macht Andeutungen.«

      »Das hier ist kein kirchliches Nähkränzchen, Janet. Es ist ein Spielcasino.«

      »Schon, aber es gibt auch ein paar anständige Leute hier. Dich zum Beispiel.«

      »Weil ich ein begrenztes Analvokabular habe? Scheiße«, sagte Ann sanft und grinste. »Ich mag Silver.«

      Janet lächelte widerwillig und schüttelte den Kopf. »In Ordnung. Ich bin eben prüde. Ich weiß. Ich mag sie nicht. Ich mag sie überhaupt nicht.«

      Natürlich nicht. Janet war mit einem Dozenten eines kleinen, abgelegenen College gleich hinter der Grenze zu Kalifornien verheiratet. Nirgends wurde Anstand mehr honoriert und hochgehalten als auf diesen kleinen Außenposten der Kultur, die auf den Ruinen alter Goldgräberstädte in den rauen, wilden Bergen errichtet worden waren. Die einzige Art und Weise, wie Janet die Demütigungen dieses Jobs ertragen konnte, war zu leiden; sie erlitt nicht nur die Neunzigmeilenfahrt durch die leere Wüste, das Fünfzigpfundgewicht, das sie jede Nacht acht Stunden lang quer über dem Bauch trug, und den Mangel an Schlaf, sondern sie litt auch unter der Welt des Clubs, unter deren ganzer Korruptheit, und das mit märtyrerhafter Entrüstung. Ann war ihre einzige Freundin, aber auch unter Ann litt sie, da sie sich nicht einmal so viel von Anns Gesellschaft gönnte, wie es braucht, um an der Bar ein Glas Tomatensaft zu trinken. Natürlich hasste sie Silver, die in Virginia City ein Bordell geführt hatte und zu sagen pflegte: »Ich wurde vor lauter Verwaltung ganz krank. Ich hatte jeden Kontakt zu den Leuten verloren.« Aber Silver war gegenüber Janets Missbilligung genauso empfindlich wie Janet gegenüber Silvers Vulgarität. Dennoch, Silver bewunderte Janet, vielleicht liebte sie sie sogar mit ihrer derben Sentimentalität für alles Leiden. Alles, was Silver dachte oder fühlte oder sagte, war derb, und sie wusste es. Daher war sie sich selbst gegenüber von hilfloser Nachsichtigkeit, die wiederum auf Anns Einstellung ihr gegenüber abgefärbt hatte.

      Janet und Ann trennten sich, um auf den ihnen zugewiesenen Rampen ihre Posten einzunehmen.

      »Wie war’s?«, fragte Ann die Frau, die sie ablöste.

      »Mäßig«, antwortete diese, als sie herunterkam. »Ich hätte nicht gern jeden Tag Samstag, aber acht Stunden sind verteufelt langweilig, wenn nichts los ist. Ich würde lieber unten arbeiten.«

      »Wie lange ist der schon hier?« Ann wies mit dem Kopf auf einen einzelnen Spieler in der Nähe, einen jungen Mann, der an drei Vierteldollarautomaten gleichzeitig spielte.

      »Der? Drei Stunden vielleicht.«

      »Wie viel hat er verloren?«

      »Oh, der hat ’ne Menge Geld. Er hat ein paar Fünfziger gewechselt, seit er hier ist. Aber er gibt kein Trinkgeld. Sagt auch nichts. Echt freundlich.«

      Ann stieg, auf die Pendelbewegungen ihres gewichtigen Schurzes achtend, auf die Rampe hinauf. »Denk dran, sie alle haben ihren ersten Tag durchgemacht …« Niemand hatte Ann an ihrem ersten Tag gesagt, dass eine schnelle Bewegung mit dem pendelnden Gewicht von fünfzig Pfund einen umreißen konnte. Nur ein Spielautomat hatte sie gerettet. Und noch Wochen danach hatte sie Alpträume gehabt: In einem prasselnden Platzregen von sechshundert Dollar Wechselgeld stürzte sie die Rolltreppe hinunter auf einen Abteilungsleiter (Bill?) zu, der unten stand und mit ihrem Auszahlungsbeleg wedelte. Hatte dieser Angsttraum mehr Bedeutung, als sie gedacht hatte? Oder war er ein Vorzeichen?

      Ann schaute auf den jungen Mann hinunter, der seine Hand hochhielt, aber nicht aufblickte. Mit seiner freien Hand spielte er an zwei der drei Automaten weiter. Ann ging zu ihm und beugte sich zu dem Spielautomaten hinunter, um den Gewinnanzeiger und die Nummer zu kontrollieren. Dann ging sie zur Mitte der Rampe zurück, griff nach dem Mikrofon und rief den Jackpot an die Zentrale aus. Während sie sprach, hörte sie über die Lautsprecher ihre Stimme, losgelöst von ihr, laut über dem allgemeinen Krach. Ein Auszahler kam. Ann fungierte als Zeugin.

      »Möchten Sie noch weiterspielen, Sir?«

      Der junge Mann, der immer noch keinen von beiden ansah, stopfte sich die Banknoten in die Tasche, steckte einen Vierteldollar in die Glücksmaschine und nahm den alten Rhythmus seines Spiels wieder auf.

      »Man könnte meinen, er kriegt dafür bezahlt, wie er da rangeht«, sagte der Auszahler zu Ann.

      »Vielleicht sieht er das so.«

      »Vielleicht.«

      Wieder allein, lehnte Ann sich gegen einen Spielautomaten, um ihren Rücken zu entlasten. Über den jungen Mann hinweg blickte sie auf die Gewehre, die an der Wand entlang aufgehängt waren, ausrangierte Gewalttätigkeit einer anderen Zeit. Die Waffen interessierten sie nicht an sich, nur als Formen; aber bei anderen, die sie oft intensiv betrachteten, hatte Ann Nostalgie, Besitzgier und Ehrfurcht entdeckt und diese Reaktionen in ihren Zeichnungen als Haltungen von Körpern fixiert, die in fremdartigen Kleidern stecken. Manchmal hörte sie zufällig Bemerkungen zwischen Touristenehemännern und -ehefrauen mit an, die Freud Vergnügen bereitet hätten und die ihr später wieder einfielen. Sie waren zu Titeln von zwei oder drei erfolgreichen Cartoons geworden, die Ann an die Saturday Evening Post verkauft hatte. Jetzt aber, ohne Betrachter, bot die Wand ein sinnleeres Muster. Ihre Augen glitten weiter, nur um sich plötzlich in einem Deckenspiegel zu fangen. Da war ihr eigenes Gesicht, losgelöst von ihr, aber nicht größer, wie vorher ihre Stimme lauter, sondern verkleinert. Was für eine Gewissensprüfung war dieser Spiegel, denn hinter ihm konnte sich zu jeder Zeit das unbekannte Gesicht eines Sicherheitsbeauftragten befinden, lauernd und urteilend, und doch konnte man ihn nicht sehen. Du kannst nicht hinter dein eigenes verkleinertes Spiegelbild gelangen. »Ich sehe aus wie Evelyn Hall«, dachte Ann, »und was heißt das?«

      »Ich bin fertig.«

      Ann fuhr zusammen, verlegen. »Gut. Ich weise dich jetzt ein.« Sie gab Janet ein Zeichen, ihre Rampe ein paar Minuten mit im Auge zu behalten, und führte Joyce zur Kasse. »Einiges von den Hinweisen gelesen?«

      »Das ist so viel«, klagte Joyce, »das behalte ich nie.«

      »Ich gebe ihr nur dreihundert für heute«, sagte die Kassiererin. »Nun zähl es, Kleine. Unterschreibe nie einen Beleg, ohne nachgezählt zu haben.«

      »Was passiert, wenn ich was davon verliere?«, fragte Joyce.

      »Nichts«, sagte Ann, »wenn’s mehr als zehn Dollar sind, muss der Abteilungsleiter das abzeichnen, aber du musst es nicht ersetzen.«

      »Und das ist Bill?«

      »Solange du auf diesem Stockwerk arbeitest«, antwortete Ann.

      »Bleibe ich nicht in diesem Stock?«

      »Vielleicht. Vielleicht auch nicht.«

      »Zähl dein Geld«, sagte die Kassiererin.

      Joyce passte die Anweisung nicht, aber sie gehorchte. Ann tat sie leid. Sie war die Art von Mädchen, die nicht lernen würde, den Kassiererinnen den Respekt zu zollen, den sie verlangten. Im Gegenzug würden sie ihr die Arbeit unmöglich machen. Sie würde immer das unterste Schließfach erhalten. Sie würde auf das Wechselgeld warten müssen. Und sie würde beim Ein- und Auschecken immer die Letzte sein. Wenn sie mit ihrer Arbeit zurücklag, würde sie von den anderen Wechselmädchen kritisiert werden. Die Auszahler würden ihre Jackpots mit Verzögerung bedienen. Die Kunden würden sich beschweren. Ann beobachtete, wie sie ihr Geld nachzählte, und gab ihr einen Monat, bevor sie aufgeben oder gefeuert werden würde.

      Als sie zur Rampe zurückkamen, standen zwei oder drei Kunden bei dem jungen Mann, der sie genauso wenig beachtete, wie er Ann beachtet hatte.

      »Wie


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