Herbst der Vergeltung. Erik Eriksson

Herbst der Vergeltung - Erik Eriksson


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      »Jetzt laufe ich stattdessen im Wald.«

      »Keine Pillen mehr?«

      »Nein, damit ist Schluss.«

      »Und wenn die Wut wiederkommt?«

      »Das wird man dann sehen.«

      »Vielleicht hat Philipsson deswegen von dir wie von einem potentiellen Gewalttäter gesprochen.«

      »Er hat mich schon immer gerne schlecht gemacht.«

      »Es war aber Philipsson, der dir die Möglichkeit gegeben hat, selbst um deine Entlassung zu bitten. Er hätte auch dafür sorgen können, dass du ins Gefängnis wanderst.«

      »Schon, aber wir haben uns nie gemocht.«

      »Ich denke, er ist ein guter Chef.«

      »Sag bloß, dass er jetzt nicht wieder Mist über mich erzählt.«

      »Du bist in der letzten Zeit in einer Reihe interner Gespräche vorgekommen, das kann ich nicht abstreiten.«

      »Siehst du.«

      »Du bist auch noch nicht aus der Ermittlung gestrichen.«

      »Stehe ich unter Mordverdacht?«

      »Nein. Du weißt, wie das funktioniert. Ein Name ist interessant, taucht immer wieder auf, kommt in allen Gesprächen vor, ohne dass jemand einen konkreten Verdacht äußert, und trotzdem wissen es alle.«

      »Und was weißt du, Margret?«

      »Es gibt Beobachtungen, die dich belasten, aber ich persönlich bin sicher, dass du mit dem Mord nichts zu tun hast. Trotzdem glaube ich, dass du am Rande des Ganzen eine Rolle spielst, allerdings auf meiner Seite. Es geht um etwas, das du tief in dir fühlst. Ich glaube, du kennst die Gewalt, Verner. Besser als irgendein anderer Polizist, den ich kenne.«

      »Ehemaliger Polizist.«

      »Ach was. Du wirst es niemals los, du wirst niemals etwas anderes sein als Polizist. Aber du hattest selbst mit Gewalt zu tun, Verner. Du warst ein Gewalttäter, und gleichzeitig hasst du die Gewalt, nicht wahr?«

      »So etwas in der Richtung.«

      »Ich fange wohl an zu verstehen, was meinst du?«

      »Hm.«

      »Jetzt ist der Himmel sternenklar, sollen wir jetzt unseren Spaziergang machen?«

      »Schläfst du dann hier?«

      »Nein, Verner, ich fahre nach Hause. Das ist wohl besser so.«

      13.

      Bengt hatte am Freitag frei. Nach dem Mittagessen war er in Farsta gewesen und hatte Autos angeschaut, er dachte darüber nach, einen besseren Gebrauchten zu kaufen, am liebsten einen Audi, so um die hundertzwanzigtausend Kronen. Einen roten, denn er mochte rote Autos. Sein Mazda fing an, alt zu werden.

      Er war kurz vor Birgitta zu Hause; als sie kam, saß er mit einem Bier auf dem Balkon. Sie aßen Hühnchen und sahen fern, die Olympischen Spiele in Sydney hatten gerade begonnen, und sie zeigten die Einweihungsfeier mit viel Glanz und Glamour. Bengt zog Fußball vor.

      »Die Mädels haben von Brasilien den Arsch vollgekriegt«, sagte er.

      »So, haben sie?«, antwortete Birgitta, die aus der Küche kam.

      »Interessiert dich das?«

      »Na ja, nicht wirklich, das weißt du ja.«

      »Sollen wir einen Spaziergang machen?«

      »Ja, gerne, sollen wir vorher Kaffee trinken oder erst, nachdem wir wieder zu Hause sind?«

      »Wir trinken jetzt Kaffee.«

      Birgitta holte den Kaffee, legte einige Plätzchen zurecht und goss Kaffeesahne in ein kleines Kännchen. Sie warf die Packung ins Spülbecken und sah dort die leeren Bierdosen liegen, zählte fünf.

      Sie machten doch keinen Spaziergang. Bengt hatte seine Meinung geändert, sagte, dass er einen kaputten Blumenkasten zum Müll hinuntertragen wolle. Er nähme auf dem Balkon nur Platz weg, und er hätte sich schon oft über ihn geärgert, denn er stände nur im Weg.

      »Wir gehen zusammen runter«, sagte Birgitta, »ich nehme eine Tüte Altpapier und anderen Krempel mit.«

      »Ja, hast du im Ernst daran gedacht, hier sitzen zu bleiben?«

      »Nein, nein, natürlich nicht.«

      Birgitta fühlte, dass Bengt anfing, ärgerlich zu werden, verstand aber nicht, was die Ursache dafür war. Die wurde ihr selten klar, eigentlich nie, aber sie hatte gelernt, die Zeichen zu deuten, die herannahende Gefahr zu wittern. Und wie immer wurde sie unterwürfig, als sie begriff, dass sie Bengts schlechte Laune ausgelöst hatte. Sie hatte angefangen zu glauben, dass ihre Angst seinen Groll noch verstärkte, die Wut erst richtig anheizte. Aber was sollte sie schon tun?

      Sie nahmen den Fahrstuhl nach unten, standen still mit ihren Lasten, sagten nichts.

      Sie gingen zum Müllplatz, Birgitta schloss auf und ließ Bengt zuerst hineingehen. Als sie ihm folgte, drehte er sich hastig um und stieß sie an. Sie ließ die Tüte fallen, bückte sich und nahm sie wieder auf.

      »Pass doch auf!«, brummte er.

      »Ja, natürlich, entschuldige.«

      Als sie ihm immer noch im Weg stand, schubste er sie, und sie fiel, landete auf dem Hinterteil, stützte sich aber mit der Hand auf und stand sofort wieder auf.

      »Verdammt, du solltest ...«

      Sie hörte nicht, was er murmelte, beeilte sich stattdessen abzuschließen, er ging wieder vor. Als sie sich dann umwandte, sah sie, dass Bengt bereits verschwunden war, aber auch, dass dort jemand anderes stand, weniger als zehn Meter entfernt von ihr. Ein Mann mit dunkler Jacke, er musste auf dem Bürgersteig gegangen und dann an der Hauswand stehen geblieben sein, er hatte alles gesehen, gehört und verstanden, das wusste sie. Als sie weiterging, verschwand der Mann in die andere Richtung, sie hatte es nicht geschafft, sein Gesicht zu sehen. Birgitta beeilte sich, Bengt einzuholen und erwischte ihn am Hauseingang.

      Zur gleichen Zeit kam der Mann mit der dunklen Jacke zurück. Er ging schnell in den Hof, blieb hinter einem Gebüsch stehen und betrachtete das Haus, in dem Birgitta und Bengt wohnten. Er wartete und sah, wie sie auf dem Laubengang des dritten Stocks herauskamen, die erste Wohnungstür passierten und vor der zweiten stehen blieben.

      Als Birgitta die Tür öffnete, sah der Mann auf dem Hof das. Er verließ seinen Platz hinter den Büschen, blieb aber auf dem Hof. Nach einer Weile ging er zu dem Eingang gegenüber dem Haus, in dem Bengt und Birgitta wohnten, gab einen Code in die Sicherheitsanlage ein, die Ziffernkombination der Gegend, die auch die Polizei und Notärzte benutzten.

      Der Mann in der dunklen Jacke nahm nicht den Fahrstuhl, sondern schlich langsam die Treppe hoch, blieb kurz vor der Tür zum Laubengang der dritten Etage stehen. Dann ging er hinaus, setzte sich auf einen Hocker an der Ziegelwand zwischen zwei Wohnungstüren und zog den Hocker dann näher an die Brüstung.

      Genau gegenüber, auf der anderen Seite des Hofes, sechzig Meter von dem Platz, an dem er sich befand, verlief ein ähnlicher Laubengang mit Türen zu drei verschiedenen Wohnungen: einer Zweizimmerwohnung, einer Vierzimmerwohnung und zu Bengts und Birgittas Dreizimmerwohnung.

      Der Mann konnte genau in die Küche sehen. Er sah die Frau an der Spüle stehen. Sie wandte ihm den Rücken zu, stand leicht vornübergebeugt, sie bereitete wohl das Essen vor, vielleicht schnitt sie gerade irgendetwas klein, der Mann draußen auf dem Laubengang nahm das zumindest an, denn sie bewegte die Schultern recht schnell vor und zurück, mit kurzen, ruckartigen Bewegungen. Sie schneidet Gemüse, dachte der Mann. Oder Fleisch, Hühnchen vielleicht. Nach einer Weile entschied er, dass die Frau bestimmt Fleisch schnitt. Das, was sie bearbeitete, bot Widerstand, sie beugte sich noch tiefer, griff fest zu. Am Küchentisch saß der Mann, der mit der Frau am Müllplatz gewesen war. Er blätterte in einer Zeitung, nahm ab und zu


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