Ausgesprochen reformiert. Группа авторов

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der französische Protestantismus kurz nach Widerrufung des Ediktes von Nantes (1685) für nötig befand, die besondere Aufgabe der Verkündigung Laienpredigern, die manchmal auch «Prädikanten» |10| genannt wurden, anzuvertrauen. Louis XIV. hatte die ekklesiologische Eigenart der Hugenotten nicht erkannt und geglaubt, die Kirche führungslos zu machen, als er ihre Pfarrer ins Exil schickte: Aber Kirche in der protestantischen Tradition basiert nicht auf einem institutionalisierten Klerus, sondern auf der getreuen Verkündigung des Wortes! Oder, wie es das Zweite Helvetische Bekenntnis in einer klassisch gewordenen Formulierung ausdrückt: «[…] wir lehren aber, jene sei die wahre Kirche, bei der die Zeichen oder Merkmale der wahren Kirche zu finden sind: vor allem die rechtmässige und reine Verkündigung des Wortes Gottes […]»2.

      Dennoch, angesichts der heutigen Krise der historischen Kirchen gibt es viele Stimmen, welche die Kommunikation des Evangeliums in Frage stellen. Die Predigten seien zu intellek­tuell, zu lang, zu kompliziert, zu abstrakt, sie sollten ganz einfach ausrangiert werden. Die gewonnene Zeit und Energie solle man besser in die Gemeindearbeit investieren, in soziale Aktionen oder seelsorgerliche Begleitung. Dieser scharfe Angriff auf die Predigt überzeugt uns nicht, denn gerade Krisenzeiten erfordern aufbauende und ermutigende Worte. Die Geschichte des Christentums kennt unzählige Beispiele dafür, wie einige Worte ausreichen, um den Glauben eines Menschen zu wecken oder die Kirche wieder aufzurichten. So etwa die Jünger von Emmaus, die am Ostermorgen Christus zuhören und sich von seiner «Predigt» packen lassen (Lk 24,13–35), Martin Luther, der bei der Lektüre von Römer 1,17 sieht, wie sich die Tore des Paradieses öffnen, oder auch Karl Barth, der bei der Analyse des Römerbriefes das Wort Gottes als Antwort auf die homiletische Krise seiner Zeit wiederentdeckt.

      Bei näherer Betrachtung dieser Porträtgalerie gelangt man zu der Überzeugung, dass die Predigt weder ein theologischer Diskurs noch eine moralische Lektion, sondern ein Sprach- bzw. Wortereignis ist, um mit der Terminologie von Ernst Fuchs und Gerhard Ebeling zu sprechen. Ein Ereignis, das gleichzeitig anredet und etwas bewirkt. Genauer gesagt: In und mit den Worten |11| des Predigers kann Gott selbst zu Worte kommen und den Menschen ansprechen. Folglich ist die Predigt für die Kirchen und die Gesellschaft eine Chance – heute vielleicht mehr denn je. Eine Gelegenheit, von dem zu sprechen, was uns leben, hoffen und lieben lässt, sich von Gott ansprechen und verwandeln zu lassen, um seinem Ruf in der Welt besser folgen zu können.

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      Niklaus Peter, Präsident der Jury für die deutschen und rätoromanischen Predigten

      Zu den prämierten deutschsprachigen Predigten

      Ein Anliegen des «Schweizer Predigtpreises» war es zu zeigen, dass es hierzulande eine lebendige Predigtkultur gibt. Keineswegs sollte es darum gehen, eine Superpredigerin oder einen Superprediger aufs Podest zu heben, gewissermassen eine theo­logische «Voice of Switzerland» zu küren, vielmehr darum, die Vielfalt dieser Predigtkultur sichtbar zu machen: Deshalb dieses Buch mit dem schönen Titel «Ausgesprochen reformiert». Ein Wettbewerb schliesslich, in dem es nicht um die Einführung unguter «Rating»-Moden gehen sollte, sondern um Gespräche über gute Predigten. So wie Literaturwettbewerbe das Gespräch darüber fördern, was gute Literatur ist.

      Wertungen sind unabdingbar, aber auch heikel. Deshalb braucht es Transparenz. Die vom SEK berufene Jury – wir sprechen hier nur von der Jury für die deutschen und rätoromanischen Predigten – war folgendermassen zusammengesetzt: Ralph Kunz und David Plüss, beide Professoren für Homiletik, die Studierende in die Kunst des Predigens einführen; Chatrina Gaudenz, Religionswissenschafterin/ Radiojournalistin, und Walo Deuber, Germanist/Filmemacher – zwei Nichttheologen, die sich professionell mit dem Thema sprachlicher Kommunikation befassen; schliesslich zwei Pfarrpersonen, Ivana Bendik und Niklaus Peter, die selber regelmässig predigen.

      Alle 181 eingesandten Predigten deutscher Sprache wurden uns, das war unser expliziter Wunsch, vom SEK vollständig anonymisiert auf Papier zugeschickt, und das heisst: |14| alle Hinweise auf Orte, Gemeindespezifika und Personen, die Rückschlüsse erlaubt hätten, waren auf den Kopien verdeckt. In drei mehrstündigen Sitzungen haben wir uns zuerst auf Kriterien für eine Beurteilung verständigt, danach die zum Teil abweichenden Bewertungen diskutiert und revidiert. So haben wir uns schliesslich einstimmig auf einen Hauptpreis, auf den Sonderpreis und auf die acht weiteren preiswürdigen Predigten geeinigt, die hier ex aequo zusammen mit den fünf von der französisch-/italienischsprachigen Jury ausgewählten und übersetzten Predigten publiziert sind.

      Die sechs für uns leitenden und auf einem Blatt ausführlicher beschriebenen Kriterien waren folgende: a) Ist die Predigt gut gebaut? b) Spricht sie persönlich und aktuell an? c) Eröffnet die Predigt neue Perspektiven, lernt man etwas? d) Ist der Bibeltext ernstgenommen, wird er ausgelegt? e) Hat die Predigt eine prägnante, theologische Botschaft? f) Bringt die Predigerin, der Prediger sich authentisch ein?

      Als die Zahl der Einsendungen kontinuierlich auf schliesslich 181 anwuchs, wurde uns etwas mulmig zumute. Berichtet nicht Jacob Burckhardt in seinen «Weltgeschichtlichen Betrachtungen» von jenem englischen Historiker, der über dem Lesen schottischer Puritaner-Predigten eine akute Gehirnlähmung bekommen habe? Nun, diesbezügliche Befürchtungen legten sich schnell, denn die Lektüre der eingesandten Predigten war über weite Strecken eine schöne und erfreuliche Sache, die Schwierigkeit eher, nur 10 preiswürdige auszuwählen.

      Der Schweizer Predigtpreis 2014 geht an Caroline Schröder Field für ihre Elia-Predigt, die uns durch ihre klare narrative Linie, durch ihre theologische Prägnanz und seelsorgerliche Tiefe beeindruckt hat, mit der die Geschichte Elias, des kämpferischen Propheten, erzählt wird. Wie dieser sich mit seiner ganzen Existenz für die Achtung des ersten Gebotes einsetzt. Wie er dabei aber eine Grenze überschreitet, jene zwischen Gottesgewissheit und Machtmissbrauch, und dann in eine Krise gerät. |15| Mit feiner Aktualisierung beschreibt Schröder Field diese als eine Erschöpfungsdepression, als ein Zusammenbrechen aller Gewissheiten und alles Gotteseifers, als einen Gang in die Wüs­te (1Kön 19,4–13a), wo der Prophet mit sich und Gott alleine ist, ihm nun auf eine andere, berührende, geheimnisvolle


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