Ausgesprochen reformiert. Группа авторов

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Brot ins Leben zurückfindet.

      Danach darf Elia weiterschlafen. Und wieder berührt ihn der Engel. Und wieder ist Essen und Trinken das Erste, gleich nach dem Aufstehen. Doch diesmal heisst es: Weitergehen! Der Engel macht dem Elia nichts vor. «Dein Weg ist noch weit», sagt er. «Diese Wahrheit sollst du wissen, Elia, dass dein Weg noch weit ist.» Aber in der Kraft der kargen Speise, geht Elia vierzig Tage, vierzig Nächte, als hole er im Zeitrafferverfahren die vierzig Jahre nach, die Israel einst in der Wüste war.

      Elia geht einem Wunder entgegen, dem grössten, das er je erleben wird, dem Wunder, das nicht er mit Gottes Hilfe tut, sondern Gott allein. Dies ist das Wunder: Dass Gott auf seine Weise kommt, auf seine wunderbare Wüstenweise. Nicht im dröhnenden Erfolg eines gelungenen Prophetenlebens, nicht in einer Erschütterung, die die Götzendiener entlarvt und den Mächtigen die Hebel der Macht aus den Händen schlägt, und auch nicht im verzehrenden Feuer siegesgewisser Rechtgläubigkeit.

      Von diesem Gott wirst du nicht hören: «Stell dich nicht so an!» Oder: «Reiss dich zusammen!» Denn die Stimme verschwebenden |26| Schweigens, Gottes Stimme, sagt manchmal gar nichts. So wie Gottes Engel keine Waffenrüstung reicht, sondern bloss Wasser und Brot, ein Frühstück nach albtraumschwerer Nacht.

      Darum glaube ich von Elia her dies: Gott ist da am dichtesten bei uns, wo unser zerbrochenes Herz zwischen Leben und Tod schwebt. Denn da – im Schwebezustand zwischen Leben und Tod – wird es empfindlich für eine ganz feine Berührung, abseits vom Lärm der Rechthaberei und abseits vom triumphierenden Gefühl, Gottes Willen zu vollstrecken. Die zarte, feine Berührung, die das zerbrochene Herz mit neuem Leben beschenkt, ist nur in der Wüste zu haben. Wer aus dieser Wüste zurückkehrt, wird Menschen anders sehen.

      Diese Wüste hilft mir zu glauben.

      Dass der Mensch am besten für Gott streitet, der erkannt hat: Ich bin nicht besser als meine Väter. Nicht besser als die, die vor mir waren. Auch ich kann Gottes Willen nicht auf die Erde herab zwingen. Auch ich kann die Herzen der Menschen nicht mit Gewalt zu Gott hin bewegen.

      Und ich glaube, dass die Menschen am besten andere durch Wüsten begleiten, die selber schon dort gewesen sind. Darum vertraue ich einem Menschen, der einmal gründlich verloren hat, mehr als dem, welchem nur die Siegerpose vertraut ist.

      Mehr als an die Kraft allen positiven Denkens glaube ich an die Kraft von Brot und Wein. Nur ein Mensch, der selbst einmal von Engelshand berührt wurde, kann anderen zum Engel werden.

      Und nur der spiegelt Gottes Glanz wider, der die Tiefe des Abstiegs nicht scheut. Darum wird Jesus herabsteigen vom Berg der Verklärung, um den Weg des Kreuzes zu gehen. Vielleicht hat Elia, als er zu Jesus sprach, genau davon gesprochen in einer Stimme verschwebenden Schweigens.

      Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

      Amen.

      |27| Diese Predigt wurde am 2. Februar 2014 gegen Ende der Epiphaniaszeit im Rahmen eines Musikgottesdienstes im Basler Münster gehalten. Sie geht zurück auf einen Gottesdienst in St. Arnual, Saarbrücken, den ich anlässlich der 80. Geburtstage von Gerhard und Gisela Zimmermann gehalten hatte. Gerhard Zimmermann ist Pfarrer im Ruhestand, und seine inzwischen verstorbene Frau hatte ein Buch herausgebracht mit dem Titel «Ein Engel dir zur Seite. Von den stillen Begleitern auf unseren Wegen» (Freiburg im Breisgau, 20052). Von ihnen nahm ich Elias Begegnung mit dem Boten in der Wüste als Wunschtext entgegen. Ich las damals mit grossem Gewinn «Hart und Herrlich – Nachdenken im Leiden» von Hans-Rudolf Bachmann (Seewis 2002). Mit seelsorgerlichem Feingefühl skizziert Bachmann die verschiedenen Stationen der Elia-Geschichte (S. 128–139): «Elia geht dorthin, wo nur Gott und er allein übrigbleiben.» «Hier unter dem Ginsterstrauch ist Elia gestorben.» «Und diesmal muss der Engel auch nicht sagen: ‹Fürchte dich nicht!›». Seine Gedanken sind mir ganz persönlich ins Herz gefallen, haben Eingang in diese Predigt gefunden und begleiten mich seither im Glauben und im Amt.

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      Sonderpreis

      Manuela Liechti-Genge

      Wasser des Lebens

      Predigt zu Johannes 4,4–19

      Er [Jesus] musste aber durch Samaria hindurchziehen. Nun kommt er in die Nähe einer Stadt in Samarien namens Sychar, nahe bei dem Grundstück, das Jakob seinem Sohn Josef gegeben hatte. Dort war der Brunnen Jakobs. Jesus war müde von der Reise, und so setzte er sich an den Brunnen; es war um die sechste Stunde. Eine Frau aus Samaria kommt, um Wasser zu schöpfen. Jesus sagt zu ihr: Gib mir zu trinken! Seine Jünger waren nämlich in die Stadt gegangen, um Essen zu kaufen. Die Samaritanerin nun sagt zu ihm: Wie kannst du, ein Jude, von mir, einer Samaritanerin, zu trinken verlangen? Juden verkehren nämlich nicht mit Samaritanern. Jesus antwortete ihr: Kenntest du die Gabe Gottes und wüsstest, wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken, so würdest du ihn bitten, und er gäbe dir lebendiges Wasser. Die Frau sagt zu ihm: Herr, du hast kein Schöpfgefäss, und der Brunnen ist tief. Woher also hast du das lebendige Wasser? Bist du etwa grösser als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gegeben hat? Er selbst hat aus ihm getrunken, er und seine Söhne und sein Vieh. Jesus entgegnete ihr: Jeder, der von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst haben. Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, der wird in Ewigkeit nicht mehr Durst haben, nein, das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm zu einer Quelle werden, deren Wasser ins ewige |30| Leben sprudelt. Die Frau sagt zu ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich nicht mehr Durst habe und hierher kommen muss, um zu schöpfen. Er sagt zu ihr: Geh, rufe deinen Mann und komm hierher! Die Frau entgegnete ihm: Ich habe keinen Mann. Jesus spricht zu ihr: Zu Recht hast du gesagt: Einen Mann habe ich nicht. Denn fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. Damit hast du die Wahrheit gesagt. Die Frau sagt zu ihm: Herr, ich sehe, du bist ein Prophet.

      Ihre Hände greifen nach dem Krug. Ein Leben lang hat er sie begleitet. Es ist ein einfacher Krug aus Ton. Sie dreht ihn in den Händen, streicht zärtlich über die raue Oberfläche und betrachtet ihn still.

      Schon oft hat sie daraus getrunken, durstig unter der heis­sen Sonne. Es ist ihr Krug. Und immer wieder ist er leer, der Krug. Voll – und wieder leer; halbvoll – und wieder leer; ein paar Tropfen noch – und wieder leer.

      Ein Leben lang hat sie diesen Krug mit sich getragen. Von Tag zu Tag hat der Durst sie getrieben und von Nacht zu Nacht. Immer wieder hat sie den Krug hingehalten mit der Bitte: «Gib mir zu trinken.» Und sie hat zu trinken bekommen: gutes Wasser, schlechtes Wasser; süsses Wasser, bitteres Wasser, klares Wasser, trübes Wasser. Sie hat das alles getrunken. Sie hat das alles geschluckt. Geschluckt, um zu leben; geschluckt, um zu überleben. Geschluckt und getrunken, um diesen grossen Durst in ihr zu löschen.

      Sie hat den Krug hingehalten – schon als Kind – und zu trinken bekommen, Wasser von ihren Eltern. Meist war es gut und rein. Oft hat es den Durst gelöscht – für eine Weile. Dankbar denkt sie an ihre Eltern zurück. Doch Vater und Mutter sind schon lange tot.

      Dann ist sie aufgebrochen als junge Frau mit ihrem Krug. Sie hat ihn hingehalten und gebeten: «Gib mir zu trinken.» Und da war er, ihr erster Mann. Überschäumend hat er ihren Krug gefüllt,


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