Khaled tanzt. László Benedek

Khaled tanzt - László Benedek


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zu machen.

      Um in Khaleds Vergangenheit vorzudringen, wurde er von Doktor Arany aufgefordert, etwas von seiner Kindheit zu erzählen. „Ich weiß, dass Sie in Ihrer Kindheit in Afghanistan gelebt haben. Doch wo und wie lange, das weiß ich schon nicht mehr. Wollen Sie mich an den Erlebnissen Ihrer Kindheit teilhaben lassen?“

      Khaled lehnte sich auf dem Stuhl zurück und schloss die Augen. So schien er sich irgendwie besser erinnern zu können: „Kann Doktor berichten nicht alles über. Erinnern gut an Dorf, wo Kind gewest. Aber mehr viel …“, breitete Khaled hilflos die Arme aus.

      „Macht nichts!“, ermunterte ihn der Doktor. „Erzählen Sie einfach, was Ihnen einfällt!“

      „Dorf, wo gewohnt, Kharbuz der Name.“

      „Kharbuz? Bedeutet das nicht zufällig ‚Melone‘?“

      Erfreutes und heftiges Kopfnicken die Reaktion.

      Doktor Arany musste lachen. „Das dachte ich mir schon. Denn ‚Kharbuz‘ bedeutet auf Griechisch ‚Melone‘.“

      „Ja, unseres Dorf auch sicher Melone will sein. Auf Dari will sein Kharbuz Melone. Warum Melone? Das ich nicht wissen. Melone gesehen ich nur in Kabul in Basar. Früher mehr Regen gefallt bei uns. Kharbuz liegen in Provinz Bamiyan. In Mitte von Afghanistan. Dort sein viel hohe Berg. Mich erinnern, wenn gegangen nach Kabul, du wissen, Mitte von Land. Wie soll sagen? Ja, Kabul Hauptstadt. Also Weg zu Hauptstadt weit, sehr weit. Von Bamiyan bis Kabul gegangt zwei Tage. Doktor, du kennen Bamiyan?“

      Doktor Arany schüttelte den Kopf.

      „Sehr berühmt von hässliche Ereignis. Zeitungen voll mit das. Ich gewest noch kleine Junge, als Taliban gesprengt Buddha-Statuen. Sehr alt Statuen in Felsen gehaut. Gewest sehr hoch. Auch die Alten gesagt, sehr lange gebaut. Vor sehr lange Zeit. Buddha-Statuen gewest sehr berühmt. Und dann kommen Taliban und piff-puff, gesprengt in Luft. Jetzt nur große Loch in Felsen.“

      „Wie barbarisch!“, wiegte der Doktor den Kopf.

      „Barbarisch, genau!“

      Dieses Wort kannte Khaled nicht. Doch entsprechend seiner Gewohnheit wiederholte er es sogleich und nickte dazu. Begriff, dass es sich um einen Ausdruck des Verurteilens handeln musste.

      „Gott sei Dank, wir gewohnen in kleine Dorf hinter die sieben Berge. Taliban nie geseht. Hatten eigene Mullah. Mullah uns Koran gelernt, gelernt beten.“ Und damit neigte er sich zur Erde und zeigte, wie zu beten sei.

      Doktor Arany ließ sich die Worte auf der Zunge zergehen: „Bamiyan, Kharbuz.“

      „Ja, ja“, bestätigte Khaled, „hoch Berge, sehr. Wer fremd dort, kaum Luft bekommen. Name von Berg Hindukusch.“

      Khaled lächelte still vor sich hin. „Wenn träumen ich, immer sehen hoche, hoche Berge. Kharbuz und überall Schnee. Sehen vor mich Schlangeweg, na, wie muss sagen …?“

      „Serpentine.“

      „Na, genau, Serpentine. Also Kurve und Kurve wieder. Auch Esel gehabt. Mich erinnern, wie er trotten auf Serpentine. Ringsum überall hoche Bäume.“

      Doktor Arany stellte sich Kharbuz vor, ein kleines Dorf, versteckt hinter hohen Bäumen. Er musste an die eigene Heimat denken, an die kleinen Dörfer am Fuß des siebenbürgischen Hochgebirges.

      „In Kharbuz gewest viele Häuser, wir dort wohnen. Einmal kommen große Lawine.“ Und wieder suchte Khaled nach dem richtigen Wort.

      „Schneemassen herabgestürzt? Oder wolkenbruchartiger Regen?“

      „Nein, nicht Schnee, nicht Regen, sondern Erde und Wasser …“

      „Schlammlawine?“

      „Na, genau“, nickte Khaled heftig. „Schlammlawine. Alles wegspülen. Haus geben, Haus nicht geben.“

      „Und was ist mit Ihnen passiert? Sind Sie obdachlos geworden?“

      „War gefährlich bisschen. Aber nicht so schlimm. Haben Häuser schnell wieder aufgebauen.“

      „Na ja, von jetzt auf nanu geht das sicher nicht.“

      „Nicht so schlimm. Bei uns Häuser aus Lehm. Schnell stampfen.“

      „Die Mauern werden also aus Lehm gestampft?“

      „Ja, ja, aus Lehm gestampft. Drinnen Baumzweige.“

      „Haben Sie in einer Kaliba gewohnt?“

      „Kaliba? Was das ist?“

      „Nun, so eine kleine Hütte. Bei uns in Siebenbürgen wurden die Bauernhütten Kaliba genannt. Aber auch Lehmhütte.“

      „Genau“, nickte Khaled. „Wir habt schön groß Kaliba, Lehmhütte und viel kleine. In unsere Familie gelebt viel Menschen. Um die Lehmhütten hoch Zaun. Fremde Augen nichts soll sehen.“

      „Sie waren also viele?“

      „Schön groß Familie. Mama, Papa auch wohnen bei uns.“

      „Also die Großeltern?“

      „Ja, ja, Vater von Vater, Mutter von Vater. Dann auch wir, Eltern und Kinder. Meine zwei alte Schwester und drei junge Geschwister. Ich dritte Kind, aber erste Junge.“

      „Ach ja! Der erste Sohn, denke ich, das ist eine große Auszeichnung, ein großes Privileg.“

      „Ich überall beliebt sehr. Von Junge erwarten, muss sorgen für groß Familie und schützen.“

      „Sie waren der Augapfel der Familie. Habe ich Recht?“

      „Was sein Augapfel?“

      „Das heißt, bestimmt waren Sie aller Liebling.“

      „Ja, freilich“, sagte Khaled, als wäre dies die natürlichste Sache der Welt. „Geschwister von mein Vater wohnen auch bei uns. Und die Familie von sie. Viele Kinder.“

      „Na, nur langsam! Wieviele haben denn zusammen gewohnt?“

      „Viele, sehr. Bei uns erwachsene Mann bleibt bei die Eltern. Männer sorgen für Alte. Und Mädchen, wenn verheiratet wird, gehen auch zu Mann von Familie.“

      „Und alle leben unter einem Dach?“

      „Musst dich vorstellen viele, viele kleine Hütte. Jeder bekommen eine. Meine Mama, meine Papa wohnen in eine Hütte. Meine Vater, meine Mutter in andere Hütte. Wir Kinder in ein dritte Hütte. Cousins und Cousine wieder in andere Hütte. Dann das Vieh in eine Hütte.“

      „Das Vieh hatte eine ebensolche Hütte wie die Menschen?“

      „Vieh sein wichtig sehr in Afghanistan. Ziegen, Schafe, Hühner. Wir gehabt auch Esel. Vieh bekommt Trinkwasser vor Kinder.“

      Khaled war in Schwung geraten, hatte sich von der Erinnerung fortreißen lassen. Doktor Arany bemerkte die geröteten Wangen des Jungen. Es schien ihm, als würde auch der Sprachfluss weniger stocken.

      „Heute Nacht“, fuhr Khaled fort, „aufwachen und Düfte spüren wie zu Hause in Kharbuz. Spüren Spucke in Mund …“

      „Wie das Wasser im Mund zusammenläuft ?“

      „Ja, ja, Spucke in Mund zusammenlaufen.“

      „Dass uns das Wasser im Mund zusammenläuft, das sagen wir, wenn irgendein Leckerbissen vor uns steht.“

      „Oje, also feine Düfte gespürt, sehr! Zwischen Hütten groß offen Grube. Mein Vater immer darin gemacht Feuer. Mit große Flamme lodern.“

      „Ich denke, dort haben die Frauen gekocht“, spann der Doktor den Gesprächsfaden weiter.

      „Alle Frauen hocken dort: Mein Mama, mein Mutter und Mutter von Geschwisterkinder. Kochen alle zusammen. Schälen Kartoffeln, schlachten Huhn …“ Khaled schwelgte in Erinnerungen: „Oh diese Düfte! Zuerst nur Klatschen von Feuer …“

      „Vielleicht meinst


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