Vom Verlust der Freiheit. Raymond Unger

Vom Verlust der Freiheit - Raymond Unger


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der Leitmedien lediglich zurückspielen. Alle in diesem Buch beschriebenen Agenden dienen globalen oligarchischen Interessen, höhlen nationale demokratische Grundprinzipien aus und führen über kurz oder lang in die technokratische Totalität. Das einzige Antidot gegen diesen Prozess ist wahrhaftiger, neutraler Journalismus. Demokratie ohne freie, objektive, investigative Presse ist keine Demokratie. Selbst wenn es noch so gut gemeint ist – Journalisten, die das Neutralitätsgebot verletzen, indem sie den Bürger über »Nudging«, »Wording« und »Framing« in die richtige Richtung lenken wollen, ebnen damit den Weg in die Totalität.

      Der Journalist Milosz Matuschek beschreibt, was guter Journalismus eigentlich sein sollte:

      »Der italienische Publizist Paolo Flores d’Arcais schreibt in seinem Buch »Die Demokratie beim Wort nehmen«, dass in der echten Demokratie jeder Bürger ein Fürst ist. Jeder hat deshalb gleichen Zugang zur Wahrheit zu bekommen, um Entscheidungen treffen zu können. Das ist die Aufgabenverteilung in der Demokratie: Der Souverän entscheidet, der Journalist versorgt ihn mit den relevanten Informationen, und zwar so rein und ungefiltert wie möglich. […] Es geht nicht darum, etwas zu framen, zu erzählen oder jemanden zu überzeugen, sondern darum, den Beweis in Bild, Schrift und Ton für ein Ereignis zu liefern. Denken kann der Bürger selbst. Diese radikale Transparenz kann Verschwörung und Korruption zerschlagen: Niemand wäre mehr sicher vor Entdeckung. […] Es gibt zwei Arten, Journalismus zu betreiben, so wie es offenbar auch zwei Arten gibt, Demokratie zu organisieren: von oben nach unten oder von unten nach oben. In der Konstellation des Top-down ist der Journalist ein Wächter, ein Aufseher; letztlich Teil der ›Priesterkaste‹ (Schelsky). […] 40 Prozent des Inhalts einer Tageszeitung stammen inzwischen aus PR-Agenturen, schrieb mal der Spiegel. Propagandafiguren wie Rainald Becker (ARD), Olaf Sundermeyer (RBB), Sascha Lobo (Spiegel), Mai Thi Nguyen-Kim (maiLab) sorgen dafür, dass für die Regierung nichts anbrennt. Wenn unten rauskommt, was man oben reingibt, braucht es Journalismus allerdings nicht. Das kann auch der Pressesprecher der Regierung. Mit der zweiten Form des Journalismus, von unten nach oben, produziert man hingegen am ehesten das, was man, wenn schon nicht ›Wahrheit‹, dann zumindest einen ›unverstellten Zugang zur Wirklichkeit‹ nennen kann. Denn hier arbeitet der Journalist direkt für den Bürger und nicht für eine Institution mit eigenen Interessen. […] Der echte Journalist ist wie ein Minenarbeiter im Stollen, der sich durch Geröllhaufen an unwesentlichen Informationen arbeitet, um ein paar Goldkörner an Wahrheit zu Tage zu fördern. Nur dafür hat er Lohn vom Leser verdient. Niemand bezahlt nämlich freiwillig Geld für Propaganda, also Werbung.«1

      Vor gar nicht so langer Zeit bestand in Westdeutschland noch ein recht ausgewogenes Verhältnis zwischen »Top-down«- und »Bottom-up«-Journalismus. Leitfiguren des deutschen Journalismus, wie Anja Reschke oder Georg Restle, behaupten inzwischen aber freiheraus, dass die neue globale Wirklichkeit zu »komplex« sei, um den Bürger mit einer neutralen Berichterstattung »allein zu lassen«. Man bekennt sich offen zu einem lenkenden Journalismus, bei der Sachinformation und Meinung bis zur Unkenntlichkeit vermischt werden. Trotzdem nennt man das Ganze nicht Propaganda, weil man glaubt, zu den Guten zu gehören. Ein Urvater der »Meinungspriester«, der Stimmungen nach Belieben modellieren konnte, war Edward Bernays (1891–1995), ein Neffe Sigmund Freuds. Bereits 1917 sorgte Bernays mit der Kampagne »Make the world safe for democracy« für die Zustimmung der Amerikaner, in den Ersten Weltkrieg einzutreten. Später steigerte er den Absatz von Zigaretten, indem er Frauen zum Rauchen brachte. Das Framing damals: Zigaretten als Emanzipations-Symbol, »torches of freedom« (Fackeln der Freiheit). Auf Bernays eigentliches Geheimnis zur Massenmanipulation, auf das er sozusagen das Copyright hat, komme ich im Klimakapitel zurück. Sofern man einen Nobelpreis für Massenmanipulation ausgelobt hätte – Bernays hätte ihn wohl gewonnen. So behauptete Bernays, der Propaganda-Erfolg von Joseph Goebbels sei auf sein Buch Crystallizing Public Opinion zurückzuführen, was durchaus denkbar wäre. Erschreckenderweise beschreibt Bernays exakt jene Prinzipien, die heute tatsächlich umgesetzt werden und die nicht allzu weit von den zeitgenössischen Journalismus-Vorstellungen entfernt sind:

       »Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element der demokratischen Gesellschaft. Diejenigen, die diesen unsichtbaren Mechanismus der Gesellschaft manipulieren, bilden eine unsichtbare Regierung, die die wahre herrschende Macht unseres Landes ist. Wir werden regiert, unser Geist wird geformt, unser Geschmack geformt, unsere Ideen vorgeschlagen, größtenteils von Männern, von denen wir noch nie gehört haben. Dies ist ein logisches Ergebnis der Art und Weise, wie unsere demokratische Gesellschaft organisiert ist. Sehr viele Menschen müssen auf diese Weise zusammenarbeiten, um als reibungslos funktionierende Gesellschaft zusammenleben zu können. Unsere unsichtbaren Gouverneure sind sich in vielen Fällen der Identität ihrer Kollegen im Innenkabinett nicht bewusst. Sie regieren uns durch ihre natürlichen Führungsqualitäten, ihre Fähigkeit, die benötigten Ideen zu liefern, und durch ihre Schlüsselposition in der sozialen Struktur. Unabhängig von der Haltung, die man gegenüber diesem Zustand einnimmt, bleibt es eine Tatsache, dass wir in fast jedem Akt unseres täglichen Lebens, sei es im Bereich der Politik oder der Wirtschaft, in unserem sozialen Verhalten oder in unserem ethischen Denken, von der relativ kleinen Zahl dominiert werden von Personen – ein kleiner Teil unserer hundertzwanzig Millionen –, die die mentalen Prozesse und sozialen Muster der Massen verstehen. Sie ziehen an den Drähten, die das öffentliche Bewusstsein kontrollieren, nutzen alte soziale Kräfte und erfinden neue Wege, um die Welt zu binden und zu führen.« 2

      Demokratien, die auf diese Weise »geführt« werden, haben gegenüber totalitären Staaten einen großen Nachteil. In totalitären Regimen mit offenkundig gelenktem Meinungsmanagement wissen die meisten Bürger zumindest, dass sie einen zweiten Job zur Wirklichkeitserfassung leisten müssen. In der DDR las man heimlich den Spiegel und schaute Westfernsehen; Karl-Eduard von Schnitzler verkam zu seiner eigenen Karikatur, und viele Bürger haben über ihn gelacht. Über Claus Kleber, Anja Reschke, Georg Restle und Marietta Slomka wird heutzutage weitaus weniger gelacht. Viele Menschen halten den Journalismus der Leitmedien immer noch für objektiv und neutral.

      In der Neuzeit hat es nur wenige Ereignisse gegeben, die sich besser als Lackmustest für Medienkompetenz eignen als die Coronakrise. Zudem wird anhand von Corona überdeutlich, dass selbst mit der Entwicklung einer soliden Medienkompetenz erst der halbe Job getan ist, denn unter den Bedingungen einer innerpsychischen Angstrepräsentanz wird diese Aufgabe ungleich schwerer. Medienkompetenz hin oder her – wer konkrete Angst um sein Leben und das seiner Liebsten hat, ist nahezu chancenlos, sich ein ausgewogenes Bild von der Wirklichkeit machen zu können. Zu allen Zeiten und an allen Orten der Welt nutzten Demagogen jedweder Couleur diesen Mechanismus: Wer Angst hat, kann nicht mehr klar denken. Angsterzeugung ist deshalb der Schlüssel zu Willfährigkeit und Gehorsam, und jeder noch so groteske Freiheitsverlust wird akzeptiert, solange er der Gefahrenabwehr dient. Aus diesem Grund werde ich dem Thema Angst in meinem Abschusskapitel besondere Aufmerksamkeit widmen.

      Die Wucht und Dramatik von Corona, genauer die Bilder aus Wuhan und Italien, haben zu Beginn der Krise nahezu alle Menschen – selbst die wohlinformierten – ins Bockshorn gejagt. Eine Millionenstadt wie Wuhan komplett abzuriegeln und in einer gewaltigen Kraftanstrengung in wenigen Tagen ein komplettes Seuchenkrankenhaus aus dem Boden zu stampfen, das erzeugte weltweites Entsetzen. Als sich wenige Wochen später in Norditalien die Särge in den Kirchen aufreihten und nachts Militärtransporter eingesetzt wurden, um die Toten abzutransportieren, brach in ganz Europa Panik aus. Konnte ein vernunftbegabter Mensch angesichts dieser dramatischen Bilder überhaupt daran zweifeln, dass es sich bei Corona um ein brandgefährliches Killervirus handelt? Bis die einzigartige Melange aus realer und medial halluzinierter Gefahr entwirrt werden konnte, vergingen Wochen. Die Evolution der Erkenntnisse, vom Killervirus zum Scheinriesen, konnte jedoch nur nachvollziehen, wer bereits vor Corona über eine gewisse Medienkompetenz verfügte. Wer sich allein über die öffentlich-rechtlichen Medien informierte, blieb mehr oder weniger auf dem Wissensstand vom März 2020 stehen. Hier wurde überwiegend der Eindruck vermittelt, allein die Maßnahmen der Bundesregierung, insbesondere der Lockdown, hätten


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