¡PARAGUAY, MI AMOR!. Wiebke Groth

¡PARAGUAY, MI AMOR! - Wiebke Groth


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      „Sch, sch, du siehst schlimm aus, wenn du weinst. Dein hübsches Gesicht verzieht sich zu einer Fratze und deine wundervollen blauen Augen sind total angeschwollen.“

      Ich lehne mich an seine Schulter, was mir unendlich guttut.

      „Lloro siempre mucho. I‘m sorry Ramón. I don‘t want to bother you.“

      „You see, I always wished my father would come back one day and it would come out that there was a terrible misunderstanding in the former days and that they made a mistake.

      Even when I was 14 I sometimes imagined he would appear one day at the Estancia and would say: „Hola Ramón, mi hijo. Soy aqui ahora y me encargo de tí desde ahora en adelante.“

      Ich habe nicht alles verstanden, was er auf Spanisch gesagt hat, aber Ramón übersetzt mir, dass er geglaubt habe, Enrique würde ihm eines Tages sagen, dass er jetzt hier sei und sich von nun an um ihn kümmern würde.

      „Du siehst, ich habe damals tatsächlich noch an Märchen geglaubt.“

      „Ramón, es tut mir leid! Ich bin so eine dumme Kuh! Du hast deinen Vater für immer verloren, als du ganz klein warst, und ich heule, weil ich meinen echten Vater gefunden habe!“

      Ich nehme seine Hand und drücke sie kurz.

      „Gracias, Valeska. Jost hat dir also meine Familiengeschichte schon erzählt.“

      „Nur ganz kurz. Entschuldige, es muss furchtbar für Euch gewesen sein“, sage ich schnell.

      Er blinzelt kurz, aber dann sagt er höflich:

      „Ja, schon, aber dann kam Jost in unser Leben und gab Mama so viel Lebenskraft und Freude zurück.

      Für mich ist er wie ein zweiter Vater, er war immer gut zu mir und ich liebe und achte ihn. Ich habe noch ein paar wenige, schöne Erinnerungen an meinen Vater und auf den Fotos, die wir von ihm und mir haben, schaut er mich an, als ob ich für ihn das größte Glück der Erde sei und das Wertvollste bin, was er je besaß. In jedem dieser Bilder liegt eine vollkommene, bedingungslose Liebe.“

      „Es tut mir leid, dass ich so dumm bin!“, flüstere ich.

      „Nein, du bist nicht dumm! Du bist nur durcheinander, und das ist völlig normal. Du fragst dich, warum Jost sich nie bemüht hat, mit dir Kontakt aufzunehmen? Nun, ich denke, er hatte damals keine Chance, als du geboren wurdest. Er wollte auch um nichts in der Welt die Ehe von Onkel Hugo und Tante Jola zerstören. Das wäre passiert, wenn er sich zur Vaterrolle bekannt und auf einem teilweisen Sorgerecht bestanden hätte.

      Außerdem hatte er damals Probleme, Verantwortung zu übernehmen. Seit er aber Mama kennengelernt hat, hat sich das geändert. Natürlich hat er Fehler gemacht und hätte dir irgendwann selbst die Wahrheit sagen müssen. Aber gib ihm bitte eine Chance – das hat er verdient!

      So, aber jetzt lächelst du bitte einmal!“, befiehlt er bestimmt und streicht noch mal zart über mein Gesicht. Ich gebe mir Mühe und schenke ihm mein bezauberndstes Lächeln.

      Das Lächeln, mit dem er mir antwortet, ist atemberaubend.

      Die Zeit dehnt sich und lässt die zehn Sekunden, in denen wir uns intensiv mustern, auf das Zehnfache anschwellen. Sein kurzgeschorenes Haar umrahmt vorteilhaft sein ovales Gesicht mit den tiefbraunen, runden Augen, den langen Wimpern und einer hübschen, römisch anmutenden Nase. Diese sitzt über herzförmig geformten, vollen Lippen, auf den Wangen deuten sich neue dunkle Bartstoppeln an.

      Seine nackten Oberarme und auch der Rest seines Körpers erscheinen sehnig und muskulös, aber nicht aufgepumpt, sondern geschmeidig und durch viel Bewegung an der frischen Luft erzielt.

      An seinem linken Arm bemerke ich eine fingerdicke und mehrere Zentimeter lange weiße Narbe.

      Er ist kein klassischer Beau, aber ein attraktiver Junge mit einer Ausstrahlung und einer Selbstsicherheit, die mich beeindrucken.

      Sein Blick, der meinen kreuzt, ist feurig.

      Seine Augen versinken in meinen blauen Augen und für einen Moment nehmen wir nur uns beide wahr.

      Ein vorwurfsvolles Wiehern holt uns in die Realität zurück.

      „Oh, Black Lightning ist nicht versorgt!“, rufe ich mit schlechtem Gewissen aus. Resolut trete ich zu dem Hengst hin, nehme ihn am Zügel und führe ihn zu seiner Box.

      Ramón schaut mir verdattert nach. Dann besinnt er sich und sagt: „Warte! Ich nehme ihm noch seinen Sattel und das Zaumzeug ab!“ Nachdem er das erledigt hat, streift er dem Hengst ein Halfter über und bringt Sattel und Zaumzeug weg, dabei sagt er: „Halte ihn bitte noch kurz.“

      Ich bleibe gehorsam stehen und streiche dem wunderschönen Tier über den Hals.

      „Na, er scheint dich zu mögen. Willst du mir weiterhelfen?“

      „¡Sí claro!“, rufe ich begeistert aus

      Ramón reibt ihn trocken und putzt ihn. Dann darf ich seine Hufe auskratzen.

      Da ich drei Jahre geritten bin, greife ich ungezwungen den Hufauskratzer und nehme den linken Vorderhuf in die Hand, den Black Lightning mir willig überlässt.

      Angetan beobachtet Ramón meine Arbeit, dann füllt er Wasser in die Tränke und Kraftfutter sowie eine große Portion Heu in den Futtertrog der Pferdebox.

      „So, du kannst ihm seinen Halfter abnehmen. Er läuft dann allein in seine Box.“

      „Okay“, sage ich und er verabschiedet sich von seinem Pferd, dass fröhlich in seinen Stall gelaufen ist und jetzt eifrig trinkt.

      Dann tritt er zu mir und sagt beeindruckt: „¡Muy bien! Du kennst dich mit Pferden aus.“

      „Ich liebe Pferde und Ausritte, bin aber keine besonders gute Reiterin. Aber ich halte mich oben!“

      „Juanita hat für euch einen Ausritt geplant, du wirst es mögen! Aber bitte sag ihr, dass du Rubia nehmen sollst. Sie ist gutmütig und ein Anfängerpferd. Wenn du möchtest“, dabei schaut er mich wieder mit diesem Blick an, der ein heftiges Kribbeln in meinem Unterleib auslöst, „können wir in den nächsten Tagen einen Ausritt auf Black Lightning machen.

      Du sitzt vor mir und ich halte dich fest, so dass du nicht runterfällst.

      Ich kann dir wunderschöne Plätze zeigen.“

      „Ja, warum nicht?“

      „So, nun sollten wir aber ins Haus gehen, ich will mich noch duschen und dann gibt es Abendbrot. ¡Vamos, Valeska! Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus! Ihr geht shoppen!

      Das wird dich auf andere Gedanken bringen.“

      Wir sind mittlerweile aus dem Stall herausgetreten. Die Luft ist mild und die Sonne steht schon tief im Westen, im Begriff unterzugehen.

      „In ein paar Wochen werde ich dich und Juna für ein Wochenende nach Asunción mitnehmen.

      Tagsüber machen wir Sightseeing und abends die Klubs in der Umgebung unsicher!

      Wir werden zusammen tanzen und dann wirst du wieder fröhlich sein!“

      Unvermittelt nimmt er mich in den Arm und beginnt, mit mir zu tanzen, dabei singt er einen spanischen Tanzhit des letzten Jahres, der auch in Deutschland rauf- und runtergespielt wurde.

      Ich lache und sage, dass ich nicht so gut tanzen kann. „Entspann dich und lass mich machen!“

      Dann fasst er mich unvermittelt an der Taille, in diesem Moment macht sich ein Megaschwarm Schmetterlinge in meinem Bauch auf den Weg.

      Ich atme so scharf ein, dass Ramón es bemerkt und mich entsetzt anschaut. Gleichzeitig lösen wir uns voneinander - ich verschämt ob meiner heftigen körperlichen Reaktion.

      „Entschuldige bitte!“, sage ich zerknirscht.

      „Was entschuldigst du dich? Mir tut es leid!“, ruft er aus.

      Dann


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