Bucht der trügerischen Leidenschaft. Hannelore DiGuglielmo

Bucht der trügerischen Leidenschaft - Hannelore DiGuglielmo


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genießen.“ In diesem Moment überkam mich ein Gefühl der unendlichen Freiheit. Zum ersten Mal wurde mir meine positive Situation einer Witwe klar. Ich stieg auf die Bank, streckte die Arme aus, gleich einem Vogel, und schrie: „Ich bin frei!“ Im selben Augenblick spürte ich seinen hypnotischen Blick, er legte imaginär ein Gewehr zum Schuss an, und ein unsichtbares Lasso legte sich um meine zum Flug ansetzenden Fesseln. Ich war schlagartig ernüchtert. „Jetzt habe ich alte Boot und alte Frau“, setzte er vor seiner Crew hinzu, und es klang überhaupt nicht diffamierend sondern wie ein Bekenntnis, eine Feststellung; die niemanden erstaunte, außer mich. Um es ihm heimzuzahlen, verlangte ich sein T-Shirt, das voller Maschinenöl und reichlich verschwitzt war. Er verneinte, eine Schmach für mich. Von oben herab fragte er mich vor allen: „Was du machen mit meine T-Shirt, du schlafen damit?“ „Nein“, antwortete ich, „ich Wudu machen.“ Reichlich erbost fragte ich Sophia, woher er denn seine Informationen über mich hätte. Sie sagte, dass er sich bei ihr über mich erkundigt habe.

      Es war mir nicht entgangen, dass sich die beiden gelegentlich unterhielten. Einmal störte ich beide unverhofft bei einem intimen Gespräch, das nur möglich war, indem sie, unter fadenscheinigen Ausreden, nicht mit mir schwimmen ging. Nicht auszuschließen, dass sie gegenseitig aneinander interessiert waren. Nach heutigem Kenntnisstand vermute ich, ausschließlich die Tatsache, dass sie beide Partner mit Geld suchten, hielt einer weiteren Liaison nicht stand. Jedenfalls fühlten sich beide wie auf frischer Tat ertappt. Er wusste also noch mehr von mir, dachte ich, und das war mir unangenehm. Sophia untermauerte meine Vermutung noch, indem sie mir sehr direkt sagte: „Er hat dich genommen, weil du Geld hast.“ Bedurfte es noch einer deutlicheren Aussage? Was beweist mir das? Liebe macht blind! Warum nur habe ich nicht auf mein Bauchgefühl und Gianni gehört? Mir war klar, Sophia hätte viel besser zu ihm gepasst, und der Steward zu mir. Esoterisch angehaucht, hatte ich sofort eine Ausrede für mich parat. Sagte nicht mein Jahreshoroskop, dass ich alle bisherigen Bedenken über Bord schmeißen und gänzlich neue Wege beschreiten sollte? Da siehst du es! Ich fühlte mich aufgefordert, alle Grenzen zu sprengen und mit Karim einen völlig neuen Weg zu gehen. Doch das bisschen verbliebener Restverstand warnte mich: Ob das wohl gut geht, so ganz gegen meine Natur zu handeln? Es war ein gewagtes Experiment, auf das ich mich da einließ. Natürlich spürte er meinen inneren Kampf, mein Aufbäumen, verstand es jedoch meisterhaft, meine aufkeimende „Hab-Acht-Stimmung“ vertrauensselig zu zerstreuen.

      Auf gepackten Reisekoffern sitzend sann ich über das Für und Wider nach und hatte den Kampf längst verloren. Hatte ich nicht beschlossen, es dabei bewenden zu lassen? Meine Rechnung ging nicht auf, denn: Plötzlich stand er vor mir. Weiße Hose mit Metallknöpfen, schwarzes T-Shirt mit weißen griechischen Hieroglyphen aus Rhodos, schwarz-weiße Bootsschuhe, frisch geduscht und rasiert, breit grinsend fragte er mich: „Dir gefällt?“

      Was für ein Auftritt! Natürlich gefiel er mir, ein Blick über meine Schulter zeigte, nicht nur mir. „Wir gehen, du will?“ Und wie ich wollte. „Du nix Türke, du Grieche“, so meine Feststellung. „Aber ich Türke, Schatzi.“ „Nicht für mich“, sagte ich, du siehst aus, wie ein Grieche und du benimmst dich auch so. Er lachte, zufrieden über seine geglückte Überraschung. Sophia ging zu meiner Verwunderung auch mit, in Begleitung des Stewarts, der sich ebenfalls in Schale geschmissen hatte. Entlang dem Hafen, gingen wir, er im wankenden Seemannsschritt, die steilen Gassen hinauf zum Harlikanas. Er nahm meine Hand, steckte diese in seine Hosentasche und ich merkte, er trug keinen Slip, aber seine Gebetsschnur, mit der er sich stimulierte. Ich war reichlich befremdet und fragte ihn: „Soll ich auch so gehen?“ Er aber grinste still in sich hinein. Auf dem Weg dorthin, schrie plötzlich ein uralter Mann hinter seinem Eiswagen aus längst vergangenen Zeiten, mit den Armen wild fuchtelnd: „Hallo Marash-Eis!“ Er meinte mich. Erst nachdem er mir hinterherlief, eine Riesen-Tüte Eis in die Hand drückte, erinnerte ich mich an den Mann aus Elbistan, bei dem ich mit dem türkischen Lehrer letztes Mal sein berühmtes Marash-Eis kaufte, wobei ich ihm versprach, nach Elbistan zu reisen. „Woher du diese Mann kennen?“ Fragte Karim verwundert, „ich diese Mann schon seit Kind kennen.“ Aber ich lachte nur und bot ihm meine Eistüte zum Test an, was er angewidert ablehnte. „Du kennen Elbistan?“ ließ er nicht locker. „Nein, noch nicht, aber ich werde da hin fahren“, erwiderte ich bestimmt, was ich 2 Jahre später auf abenteuerlichste Weise auch tat. Harlikanas war nicht sein Fall. Zu viele Menschen. Wir setzten uns abseits in ein Divan-Zimmer, wo er vollkommen desinteressiert, beinahe einschlief. Sophia mit Begleiter schmusten; es war ein Desaster, da sie nicht mal halbherzig bei der Sache war. Der Mann war super und er hatte ihr, an einem der unzähligen Souvenir-Stände entlang zur Disco, ein wunderschönes, handgefertigtes Armgehänge mit Kette gekauft.

      Es half alles nichts, sie blieb freudlos. Ich besorgte Getränke, da niemand kam, uns zu bedienen, so knall voll war der Schuppen. Ein junger Russe verschaffte mir Platz zur Theke und wollte mich einladen. Er hatte Tränen in den Augen, angeblich war sein Opa heute gestorben, den er so gerne noch einmal gesehen hätte. Jetzt blieben ihm nur seine Firmen inklusive Verantwortung dafür und Geld, das er, in dicken US-$-Noten gebündelt, aus der Hosentasche zog. Ich lehnte dankend ab, aber ohne ihn wäre ich wohl kaum zu Getränken gekommen. Wir gingen bald darauf zurück zum Boot, wobei Karim keines der vorbeistolzierenden Paar Stilettos entging, die von unglaublich hübschen jungen Mädchen unter ihren transparenten Miniröcken in halsbrecherischer Weise getragen wurden. Widerlich, seine unverhohlen sexistische Art der Begutachtung. Na, es war einmal, musste ich mir neidlos gestehen, so bist du auch gelaufen, damals…

      Eine letzte Nacht voller Seligkeit, in der reichlich Lebenssaft gespendet wurde. Doch mein Entschluss stand unwiderruflich fest: Keine weiteren Kontakte. In dieser Nacht gestand mir Karim, dass er verheiratet wäre und im nächsten Monat sein 4. Kind zur Welt käme. Eigenartig, es interessierte mich nicht die Spur. Seine privaten Verhältnisse spielten in dieser außerordentlichen Fügung des Schicksals keine Rolle. Sie waren von Anfang an nicht relevant für mich, und blieben außen vor. Sie erklärten jedoch seine ausgeprägte Kopflastigkeit. Ungeachtet dieser Tatsache wusste ich, dieses Erlebnis duldete keine Wiederholung; ich wollte es einfach als mein größtes, vielleicht letztes Abenteuer meines Lebens, im Herzen bewahren. Der Mann taugte genau für das, was ich mit ihm erlebte, alles darüber hinaus gehende, würde ich bereuen. Ich wusste es.

      Tags darauf brachen wir nach herzlichem Abschied der gesamten Mannschaft zu unserem ca. 3 km entfernten Hotel in Gümbet auf. Vorher hatte ich den Staatsanwalt beiseite genommen und ihm anvertraut, dass Karim und ich die ganze Zeit über ein Paar waren. „Gut getarnt, ich hatte zwar den Verdacht, habe euch beobachtet, war mir aber nie zweifellos sicher.“ Er bedankte sich für mein Vertrauen und wünschte mir mit Karim alles Gute für die Zukunft. Warum?

      4. Kapitel – „Gümbet“, Mitte August 2005

      Auf dem Weg nach Gümbet erzählte mir Sophia von ihrer vergangenen Nacht. „Vergiss es, der Kerl war total impotent, ein kompletter Reinfall“ und „das gestern mit Harlikanas, war sein Vorschlag.“ Ihre Aussage erstaunte, ja, war unvorstellbar für mich. Wir gingen eine Weile und wurden von einem toll gesteilten jungen Türken in seinen Beauty- Salon gebeten. Voller Staub, mitsamt Gepäck, ließen wir uns zu einer Maniküre und Pediküre überreden. Wir lachten, ob der obskuren Umstände, die zu Hause undenkbar wären, und Sophia hatte danach an jedem Finger- und Zehen-Nagel eine andere Farbe, die zusätzlich diverse Diamantenaufkleber zierten; sehr neckisch.

      Am Hotel angekommen, gab es einen freudigen Empfang der Männerwelt, der vorwiegend Sophia galt, die sofort überall eingeladen wurde. „Lass uns woanders essen“ bat Sophia jedoch und so schafften wir es die Woche nur zwei Mal, die gebuchte HP wahrzunehmen. Frühstück fiel aus Zeitgründen aus, logisch, kein Mensch in Urlaub hat um 10.00 Uhr ausgeschlafen. Gegen Mittag telefonierte sie routiniert regelmäßig dem Kellner und ließ auf unser Zimmer servieren, nicht ohne reichlich Trinkgeld zu geben. Dazu aßen wir, am nahen Supermarkt gekaufte Melonen und frische Früchte, die wir dem großen Kühlschrank entnahmen, um alles auf dem Fußboden aus zu breiten. Tolle Frau, die Sophia, ganz unkompliziert und so praktisch. Lediglich für ihren Body und dessen Pflege benötigte sie täglich ausnehmend viel Zeit, vor allem beim Enthaaren und Cremen. Ihre Haare waren ein besonderes Kapitel, die intensivsten Aufwand erforderten. Bei der Gelegenheit verriet sie mir, dass sie Extension im deshalb fülligen Haar hätte,


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