Bucht der trügerischen Leidenschaft. Hannelore DiGuglielmo

Bucht der trügerischen Leidenschaft - Hannelore DiGuglielmo


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Person, sehr private Dinge. Z.B. dass sie wöchentlich viele Kilometer, zwischen ihrer Stadt und der Schweiz hin und her pendelte, um dort – ich kam nie ganz dahinter, was genau - zu arbeiten. Privatagentur aber welche? Egal, jedenfalls schien sie genügend Geld zu verdienen, um sich ein schickes Appartement in Bestlage, einen alten Z3, eine Putz- u. Bügelfrau, feste Termine im Beauty-Center usw. leisten zu können.

      Während einer Shopping-Tour durch Bodrum rief sie jedes Mal, wenn sie einen Türken mit Tüte in der einen, und Touristin an der anderen Hand sah: „Oh, kuck mal, schon wieder ein Tütenmann.“ Mit ihren Erfahrungen war sie mir eben weit voraus. Während ich die letzten 20 Jahre sicher wie in Abrahams Schoss verlebte, entging mir wohl so einiges in der Welt da draußen, keine Frage. Trotzdem, oder gerade weil hier der Kommerz so boomte, schwärmte sie von einem eigenen Geschäft hier, wobei sie gleich mehrere Ideen hatte. „Würde dir das nicht gefallen? Oder: „Könntest du dir dies oder jenes vorstellen?“ Ganz offensichtlich versuchte sie mich zu ködern.

      Nun, bald 39 Jahre, tickte ihre biologische Uhr unüberhörbar lauter denn je. Sie träumte von einem lieben, gutbetuchten Mann, „nicht zwingend nötig“, zumindest aber Kind. „Stell dir vor, Anna, du könntest dich ein wenig im Laden nützlich machen und auf das Kind schauen, während ich das Geschäft leite, mit allem was dazu gehört.“ Aha, dachte ich, ganz schön clever die Kleine, und wie glücklich ich doch wäre, das alles hinter mir zu haben. Sie blieb aber konkret, sprach von einem Erbe, das ihre Mutter verwalte, aber bei Bedarf zur Verfügung stünde und ob ich mir unter den gegebenen Umständen nicht vorstellen könne, hier zu leben. „Du bist doch viel zu jung, zum Nichtstun, jetzt hast du auch noch Karim.“ Sicher, ganz von der Hand zu weisen waren diese Überlegungen nicht. Vielleicht spürte sie ja auch meine Suche nach einer neuen Aufgabe für die Zeit nach der regulären Arbeit und vor allem nach „Schnuffi“, von dem ich ihr viel erzählte, ihrer aufrichtigen Anteilnahme sicher. „Alles ist möglich, sagte ich, aber ich sehe nur ein wirklich rentables Geschäft hier, und das ist der Wasserverkauf.“ So naiv war ich nun wieder nicht, um dahinter nicht eine gut funktionierende Organisation zu vermuten, für die man in Italien einen einschlägig bekannten Namen hat. Und dann der Kram mit einem Kind! Zeit meines Lebens vertrat ich nur eine Devise, die da hieß: 1 Kind ist 1 Kind zuviel. Zwar war ich überaus glücklich, einen Prachtmenschen von Sohn und drei süße Enkelkinder zu haben, aber das war’s auch. Mit dem Thema Aufzucht wollte ich jedenfalls nichts mehr zu tun haben.

      Eine neue Verpflichtung irgendwelcher Art eingehen auch nicht. Ich fing gerade erst wieder an, mich in meiner neu gewonnenen Unabhängigkeit einzurichten. Was sollte es erstrebenswerteres geben als meine soeben mühsam erkaufte Freiheit. Sie ließ nicht locker und kam das eine oder andere Mal darauf zurück. Die Geschäftsgründung- oder - übernahme war ihr ein ernstes Anliegen und damit die Bemühung, mich dafür zu gewinnen. Langsam musste auch sie einsehen, dass ich auf diesem Ohr taub war und blieb. Tja, war wohl nix. Mir dämmerte, dass sie in mir womöglich eine wohlhabende Frau vermutete. Gegen ihre Ansprüche jedoch fand ich mich geradezu arm. So ging sie mit mir ständig in pikfeine Restaurants, aß kaum etwas von den erlesenen Speisen, da überaus figurbetont. Ließ mich die Rechnung bezahlen, mit dem Hinweis, es später wieder zu erhalten, was sie auch prompt einhielt. Allerdings, sie trank kaum Alkohol und es war einfach toll, mit ihr und ihrer all gegenwärtiger Gunst zu sein. Für Ambiente hatte auch ich ein ausgeprägtes Faible. Ansonsten war sie geradezu bescheiden und sparsam, was irgendwie nicht zusammen passte, mich aber nur kurz irritierte. Jeder Mensch ist eben anders, zerstreute ich meine Bedenken. Wo sie auftauchte, gab es schließlich Sonderbehandlung.

      Als wir ein Mal an einem Geldautomaten waren, erhielt sie nach mehrmaligen Versuchen kein Geld. „Probier es doch du mal“, bat sie mich. Ich hatte Bargeld genug, doch ihr zuliebe versuchte ich es mit 300 Euro, die ich prompt erhielt. Ein weiterer Versuch ihrerseits blieb ebenso erfolglos. Da telefonierte sie mit ihrem „einzig guten Freund“ und ein schier endloses Palaver über Banken hin und her begann. Abends wurde sie vom Freund zurückgerufen. Diskret fragte ich einige Zeit später nach dem Ergebnis. „Ach so, das meinst du, es gibt da ein paar Probleme; kurzfristig kann ich nicht an mein Geld ran, ich muss dich also bitten, mir die 300 Euro zu borgen, die du heute aus dem Automaten gezogen hast, du brauchst sie doch sowieso nicht.“ „Sobald ich in Deutschland bin, schicke ich dir das Geld“, was sie auch tat. So etwas gibt es also auch, dir ist das noch nie passiert, dachte ich und war sehr glücklich über meine Lage.

      Nicht, dass ich gänzlich weltfremd wäre, aber immerhin naiv genug, um mich in sporadisch wiederkehrenden Zeiten von einer ganz bestimmten Sorte Mensch übertölpeln zu lassen. Offenbar war es wieder mal meine Zeit. Das musste ich auch diesmal wieder feststellen, schämte mich aber zugleich für fehlendes Vertrauen. Wieder fiel mir ihre Ähnlichkeit zu Karim auf, die beiden zeigten ein ähnliches Verhalten und hätten sich toll ergänzt. Als ich das vor einigen Tagen Karim zu bedenken gab, sagte er: „Nein, nein, du gut.“ Heute ist mir klar warum.

      An einem Tag überraschte mich Sophia mit der Mitteilung: „Ich glaube, jetzt wird es langsam Zeit, dass auch ich eine Einladung annehme.“ Einverstanden, sagte ich, wer von den hübschen Jungs soll’s denn sein? „Da kam heute einer, der die Bar übernimmt, schau ihn dir mal an.“ So bestellte sie an der Bar einen „Sex on the Beach“, ihren derzeitigen Lieblingsdrink, während ich Mojito bevorzugte, und wahrlich, der Bar-Mann sah überaus gut aus, glich aber ebenfalls eher einem Griechen als Türken, zudem war er blond, wenn auch Strähnchen getönt. Er stellte sich kurz vor, war aber total unter Stress, da ihm sein Vorgänger, nach fristloser Kündigung, ein einziges Chaos hinterlassen hatte. Beide verabredeten sich nach Feierabend. Er holte sie ab, indem er an unsere Terrasse kam und fröhlich pfiff. Na endlich, dachte ich, es wurde aber auch Zeit. Ich zog mich aus, duschte und hörte lautes Husten auf der Terrasse. Da war ein großer Mann, der gerade um die Ecke bog. Zwei Minuten später wiederholte sich das ganze. Genervt schrie ich in die Nacht, Ruhe bitte! Da sprang der Mann mit einem Satz bis vor die abgrenzende Balkon-Mauer, halb verdeckt durch einen Rosenstrauch, nahm ich nur seine Konturen wahr. Er fuchtelte ganz wild mit seinen Händen irgendetwas, das wohl Schlafen ausdrücken sollte. Ich ging zurück und schloss die Tür. Der Mann war hartnäckig und wiederholte sein Husten um so lauter. Das konnte nur ein Versehen sein, dachte ich, der sucht sicher Sophia, und deutete ihm, zum Eingang zu kommen, um ihm zu erklären, dass Sophia weggegangen wäre. Ich war so sicher, dass sein Werben nur ihr gelten konnte. Als ich die Türe aufmachte, überrumpelte er mich so heftig, dass ich mit einem gezielten Schups seines Oberkörpers auf meinem Bett landete. Über mir sah ich im Schein der Nachtischlampe den schönsten Mann der Welt. Ein Gesicht, wie man es nur unter exklusivsten Männer-Models findet. Ehe ich mich versah, war er schon in mir, als es kurz darauf abrupt an der Türe klopfte. Beide Ausflügler der Nacht standen davor. Sophia verabschiedete gerade ihren Galan und sie war ebenso perplex wie ich, als sie uns sah. „Was war los?“ fragte ich. „Ich glaube, der Mann hätte viel besser zu dir gepasst, jedenfalls sprach er am Strand die ganze Zeit nur von dir“, war ihre Antwort. Ich konnte das nicht glauben. „Was machen wir jetzt, ich bin müde?“, fragte sie mit Hinweis auf unseren neuen Mitbewohner. Der jedoch hatte die Lösung. „Hier meine Wohnung“, sagte dieser und deutete auf das unserem Appartement gegenüberliegende. Er verschwand, um bald darauf mit 3 Nescafé zu kommen, den wir vor lauter Schreck schnell austranken. Er sah so unglaublich gut aus, und bedrängte mich so sehr, dass ich, nach einem aufmunternden Klaps von Sophia, mit ihm in sein Gemach wechselte. Er hatte ein Doppelzimmer alleine und war aus Istanbul auf eine Woche Urlaub hierher gekommen. Er arbeitete als Werbeträger für Nescafé und zeigte mir diverse Bilder, die das untermauerten. Du lieber Gott, wie jung war er eigentlich? Die Frage war mir wohl ins Gesicht geschrieben, denn unvermittelt zerstreute er all meine Bedenken, indem er mich zärtlich und liebevoll verwöhnte. Was sind das bloß für Männer, dachte ich, die mit 26 Jahren eine Erfahrung aufweisen, wie sie bei uns keiner erlangt, auch im hohen Alter nicht. Mit einer Leichtigkeit händelte er seine in meine Wünsche um, und so erlebte ich eine Liebesnacht, die mich tags darauf wie in der Blütezeit meiner Jugend aussehen ließ - allerdings ziemlich zerrupft. Zwischen den Liebesakten steckte er mir eine Zigarette an, machte Komplimente, geleitete mich unter die Dusche, um mich einzuseifen und danach fürsorglich trockenzureiben, schenkte uns Cola ein und war einfach umwerfend.

      Tags darauf frühstückte er mit uns und fuhr dann, nach einigen gemeinsamen Fotos, ab nach Istanbul, nicht


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