Bucht der trügerischen Leidenschaft. Hannelore DiGuglielmo

Bucht der trügerischen Leidenschaft - Hannelore DiGuglielmo


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Abenteuerwoche wegsteckte. Ein altbewährtes Rezept fiel mir passender Weise ein: „Töte eine alte Liebe mit einer neuen.“ „Nescafé“ war also - ungewollt - nichts weiter als willkommener Anlass, mich zu trösten, ehe der Liebesschmerz nach Karim Oberhand nehmen konnte. Immer wieder redete ich mir ein, „höre auf dein Bauchgefühl“ und das sagte mir: Finger weg von Karim. Nun war es mir also gelungen. So leicht ist das, du musst nur tun, was du noch nie getan hast, und über deinen eigenen Schatten springen. Ich fand mich großartig. Sophia auch, sie profitierte von meiner guten Laune, die sie dringend brauchte, nach ihrem gestrigen Reinfall. „Du bist schon eine Nummer, das hätte ich dir gar nicht zugetraut und was machen wir eigentlich heute Abend?“ fragte sie „ich hätte Lust nach Bodrum zu fahren.“ „Einverstanden“, sagte ich. Zunächst gingen wir an den Strand, wo sie zufällig einen alten Bekannten aus Deutschland nebst Verlobten traf. Heute denke ich, ob das der Freund am Telefon war? Er lamentierte über sein 5-Sterne-Hotel, das keine 3-Sterne verdient hätte. Wir hingegen waren voll des Lobes über unser 3-Sterne-Hotel, das eine 4-Sterne-plus verdient hatte. So kann’s gehen. Später, Sophia machte sich gerade zu recht für unseren Ausgehabend, öffnete ich die Terrassentüre, um meinen nassen Bikini und den schönen Pareo aus Sri Lanka, der überall mit auf Reisen durfte, rauszuhängen. Da vernahm ich „unseren Song“. Zur Erklärung, in Marmaris hatte ich eine CD mit den neuesten türkischen Pop-Songs erstanden, die Karim rauf und runter spielte, wobei wir einen besonders melancholisch klingenden, als „unseren Lieblingssong“ erklärten. Übrigens war diese CD nicht in meinem Reisegepäck zu finden, er hatte sie behalten und mir nur die Hülle überlassen, was, wie sich später herausstellte, bezeichnender für ihn nicht hätte sein können. Aber zu dieser Zeit war ich noch ganz unbedarft. Die Musik jedenfalls verursachte einen plötzlichen Tränenausbruch, ob des aufkeimenden Verlusts meines Liebsten und der nie mehr wiederkehrenden schönen Zeit mit ihm. Dachte ich wirklich „meines Liebsten“? Soweit wollte ich es nicht kommen lassen, aber die Gefühle, die Sehnsucht nach ihm, waren stärker. Da war auch schon Sophia auf der Bildfläche, um das Häuflein Elend zu bestaunen. „Was rufst du auch nicht an, er wartet doch auf dich“, sie hatte die Situation sofort durchschaut. Tapfer entgegnete ich: Nein und nochmals nein, es ist zu Ende. Statt in Bodrum landeten wir in Gümbet, das zur Nacht-Zeit einem „Sündenpfuhl zu Babel“ glich. Erschreckend, was da vor und in den Bars, angeheizt durch einschlägige Animateure sowie auf den Trottoirs abging. Die Hemmungslosigkeit der westlichen Jugend im Umgang mit Sex und Drogen lag uns in einem noch nie gesehenen Ausmaß buchstäblich zu Füssen; Live-Sex-Spiele auf der Tanzfläche bildeten bei weitem nicht den Höhepunkt.

      Ich konnte mich beruhigen, mein kleiner Ausrutscher mit „Nescafé“ war dagegen harmloser Kinderkram. Leider, auch unsere zweite Urlaubswoche neigte sich dem Ende. Sophia aber ließ nicht locker. „Heute rufst du ihn an, meine Liebe, so geht das nicht, wie du das machst. Wir gehen jetzt zur Rezeption und rufen an.“ Ich war hin- und hergerissen, haderte mit meinem Gewissen. Letztendlich setzte sie sich durch und ich rief Karim an. „Wo seid ihr, ich warte schon ganze Woche, bitte heute kommen.“ Seine Stimme im Ohr ließ mich alle Bedenken vergessen – schlagartig wurde mir bewusst, wie sehr ich ihn vermisst habe. Er war in irgendeiner Bucht, dessen Namen ich mir von dem Mann an der Rezeption, einem Türken, aufschreiben ließ. Das war unsere Rettung. Wir mussten erst nach Bodrum und von dort in einen anderen Dolmusch umsteigen, die Route hatte er Sophia genau erklärt, sie protzte mit ihren Pseudo-Türkisch-Kenntnissen und fragte einen Busfahrer nach ??? Der sagte o. k. wir sprangen in den Bus und sofort ging die Fahrt los. Nach 1 ½ Stunden fragte ich sie besorgt, wo fahren wir denn hin? Das ist doch die falsche Richtung, wir kommen immer weiter in die Berge. Da sie das nicht zu interessieren schien, fragte ich einen Stewart an Bord, wo denn der nächste Halt wäre, und er sagte was von Milan. Daraufhin kramte ich den Zettel mit der Ortsbeschreibung vor und zeigte ihm diesen. Mir sagte das Gekrakel gar nichts. Er jedoch gab in schlechtem Englisch zu verstehen, dass wir in der Gegenrichtung unterwegs wären, aber erst nach einer halben Stunde den nächsten Stopp hätten. Ich verfiel in Panik, packte meine Tasche und wollte nur noch raus, aber keine Chance.

      In Milas, am Busbahnhof angekommen, standen da neben einer Unmenge an Bussen genau so viele Taksis. Bus, so mussten wir erfahren, fuhr heute keiner mehr zurück. Also blieb nur Taksi. Unsere Notlage war sofort von allen Taksifahrern erkannt und so verlangten sie horrende Preise. Einer von ihnen, ein alter, seriös wirkender Mann, schien mir geeignet, einen Deal einzugehen. Er kannte gottlob den Ort, wo wir hin mussten. Nach langem feilschen einigten wir uns auf 75 Euro. Als wir einsteigen wollten, bevorzugte er jedoch ein anderes Paar und fuhr damit fort. Bei offener Wagentüre gab er uns zu verstehen, bald wieder da zu sein. Meine Nerven waren am zerreißen. Die Zeit lief uns davon. Nur noch 1 Stunde bis zu unserem vereinbarten Termin und wir mussten noch so weit zurück. Der Chauffeur kam auch bald wieder und ich gab ihm zu verstehen, dass er jetzt auf die Tube drücken soll. Er nickte und nahm nicht die wunderbare Schnellstrasse, die wir gekommen sind, sondern eine Strasse durch die Berge, die angeblich nur noch er kennt; ich vertraute ihm. Sie war quasi menschenleer aber ungeteert, serpentinenhaft und gefährlich. Immer wieder deutete ich auf die Uhr, worauf er nickte und fuhr, was das Zeug hielt und sein alter Wagen hergab. Am Ziel stoppte er und forderte zum vereinbarten Preis auch noch Bakschisch. So ließ ich Zigaretten, Schokolade, einfach alles, was sich in der Tasche befand, da. Er schien leidlich zufrieden und wir waren froh, heil angekommen zu sein. In Richtung Bucht gehend, konnten wir jedoch kein vereinbartes Restaurant oder gar sein Boot ausfindig machen.

      Nach einem längeren Fußmarsch entlang der Küste tauchte plötzlich, nach einer Biegung, unser vereinbarter Treffpunkt auf. Karim saß an einem Tisch auf der Terrasse unter einer Pergola und wartete geduldig. Als ich, reichlich k.o., wie ein aufgescheuchtes Huhn loslegen wollte, stoppte er mich sanft und gab Sophia das Wort, die unsere Verspätung schildern durfte. Wieder dieses Gefühl des Einvernehmens zwischen den beiden. Er bestellte uns zu trinken und hörte sich ruhig den Grund unserer Verspätung an, wobei er zufrieden lachte. Sein Verhalten war mir unerklärlich, aber er war einfach nur glücklich, dass wir da waren. So sind sie, die Türken, Chaos sind sie gewöhnt, dachte ich. Mehr noch als Italiener können sie damit meisterhaft fertig werden, was mir imponierte.

      Wir brachen auf. Ein langer Fußmarsch über Eselspfade stand uns bevor. Er ging in solcher Eintracht neben mir, dass Sophia sie im Bild festhielt. Er erzählte mir, dass er schon am frühen Morgen losmarschiert wäre, in Erwartung, dass wir etwas früher kämen, um mich endlich wieder zu sehen. Kein Wort wegen der stundenlangen Wartezeit. Dafür ein fester Händedruck mit der Bemerkung „jetzt du da.“ Wieder war ich das kleine Mädchen, das endlich Schutz gefunden hatte. Auf einer Anhöhe angelangt, erblickten wir die darunter liegende, phantastische Bucht mit seinem Boot. Heimatgefühle taten sich auf und wir liefen so schnell wie möglich den Berg hinunter, wo wir bereits vom Rest der Crew erwartet und auf das herzlichste empfangen wurden. Meine neuen Schuhe, mit Widerhaken an den Gummisohlen, retteten mich vor einem Beinbruch und ich dankte still der Verkäuferin, die sie mir vor Urlaubsantritt aufdrängte. Es war jetzt eine andere Gruppe auf dem Boot, keineswegs so homogen wie unsere davor, wie auf den ersten Blick erkennbar. Wir setzten uns an den gedeckten Tisch der Crew und der Koch hatte uns zu Ehren seinen wunderbaren Kokoskuchen gebacken, der noch ganz warm duftete. Karim und ich brachten kaum einen Bissen runter, so sehr standen wir beide unter Strom, dennoch fütterte er mich brav, vor versammelter Mannschaft.

      Als alle beim Schwimmen waren, zog er mich in seine Kabine, die hinterher aussah, als hätten Wandalen gehaust. Jetzt waren auch wir satt. „Hier eine kleine Überraschung“, sagte ich und zog aus meiner Tasche ein schön verpacktes Feuerzeug, in silberner Hartschale, auf dem zwei Herzen rot blinkten, sobald man es bediente, und zudem eine Liebesmelodie erklang. „Aufmachen“, forderte ich ihn auf und er hob das purpurrote Samtkissen. „Was ist diese?“ fragte er. „Das sind 300 Euro, damit du nach Deutschland kannst, zu deiner Familie.“ „Du alles wissen“ flötete er salbungsvoll, „ich kommen, ich auch zu dir kommen.“ Es machte mich unglaublich glücklich, ihm eine Freude machen zu können.

      „Wehret den Anfängen, denn sie wissen nicht was sie tun.“ Nie war der Spruch zutreffender, denn jetzt. Sehr bald sollte ich wissen, was für einen fatalen Fehler ich damit begann.

      Sophia kam aus dem Wasser und sagte, dass wir noch heute, spätestens 24.00 Uhr, zurück müssten, da sie um 2.4o Uhr, und ich eine Stunde später, abgeholt werden


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