Der Bund roter Löwe (2). Fulcanelli II. Richard Kölldorfer

Der Bund roter Löwe (2). Fulcanelli II - Richard Kölldorfer


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doch sowieso ein stark saures Milieu. Es würde demnach wieder Goldchlorid entstehen.“

      „Dem stimme ich zu“, erwiderte ich. „Dessen ungeachtet: Was sollte dem Magen anderes übrig bleiben, als das Goldchlorid wieder auszuscheiden? Er kann es doch nicht verwerten.“

      „Woher wissen wir das?“, entgegnete Lilith. „Wir haben es doch nie probiert und die medizinische Literatur diesbezüglich lässt zu wünschen übrig.“

      „Da ist was dran“, pflichtete ihr Albert bei. „Ich schlage vor, als nächsten Schritt, probieren wir die plausibelsten Rezepte aus und verabreichen sie Versuchstieren. Wie wär´s mit Heuschrecken? Die leben etwas mehr als ein halbes Jahr, sind einfach zu handhaben und leicht verfügbar.“

      Dem hatte niemand etwas entgegen zu setzten.

      Es dauerte weitere Wochen bis wir brauchbare Arbeitsvorschriften aufweisen konnten, denn sie waren oft von alchemistischer Symbolik durchzogen. Viele waren in fremden Sprachen verfasst, wobei die Übersetzer an ihre Grenze stießen, etwa weil sie die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge nicht begriffen und dies wiederum in Rücksprache mit den Mitgliedern der Arbeitsgruppe leicht zu Missverständnissen führen konnte.

      Als wir endlich halbwegs brauchbare Rezepturen in unseren Händen hielten, arbeiteten wir in zwei Gruppen weiter. Hier taten sich weitere Probleme auf. Die Synthesen zogen sich über Wochen und inkludierten abstruse Ideen: Etwa den Mondzyklus. Abdul unterstützte die Übersetzer so gut es ging und organisierte beziehungsweise betreute die Heuschrecken.

      Es wurde uns bald klar, dass die Arbeitsabläufe nicht stringent verfasst wurden, denn es kam kein annähernd zufriedenstellendes Ergebnis zu Stande. Also gingen wir daran, alles noch einmal zu überarbeiten, worauf sich wieder kein Erfolg einstellte.

      „Ganz schön frustrierend, nicht?“, warf Albert in die Runde. „Wir können noch nicht mal ansatzweise ein positives Ergebnis vorweisen.“

      „Kann man wohl sagen“, antworte Irene.

      „Ich schlage vor, Lilith und Hilaire, ihr nehmt euch die restlichen Rezepturen, eine nach der anderen, vor. Abdul wird euch unterstützen. Irene und ich werden uns noch einmal über die fehlgeschlagenen Experimente den Kopf zerbrechen. Einverstanden?“

      „Es gibt keine Alternative, jedenfalls fällt mir im Moment keine ein und aufgeben werden wir klarerweise nicht“, antwortete ich etwas zu enthusiastisch, obgleich ich an den Minen meiner Kollegen erkennen konnte, dass sie dem Ausgang unserer Bemühungen nicht unbedingt positiv entgegenblickten.

      Nach weiteren Fehlschlägen war unsere Stimmung erst mal auf einem Tiefpunkt angelangt. Wir hatten mehr als eineinhalb Jahre fast täglich mindestens 10 Stunden in einem Labor verbracht und konnten nicht das geringste Ergebnis vorweisen. Etwas das nicht existiert, kann nicht generiert werden, dachte ich und weil ich die angeschlagene Moral meiner Freunde nicht weiter aushöhlen wollte, bat ich Albert um ein Vier-Augen-Gespräch.

      „Wenn ich mich nicht täusche, willst du deinen Unmut kund tun“, erriet Albert.

      „Richtig. Wir haben uns mit medizinischer Literatur aus jedem Kontinent beschäftigt und das Ergebnis war jedes Mal das Gleiche, nämlich kein Ergebnis.“

      „Ich verstehe deine Frustration“, betonte Albert. „Andererseits: Unser kleines Projekt ist nicht auf zwei oder drei Jahre anberaumt, sondern Jahrzehnte. Meinst du, wir sind die ersten, die das Mysterium bezüglich Aurum Potabile erkunden wollen?“

      „Wenn du schon fragst, nein“, antwortete ich kleinlaut.

      „Wir sind Pioniere einer neuen Zeit, die in Richtung Wissenschaftlichkeit abzielt. Wer weiß, wozu Medizin und die Naturwissenschaften eines Tages fähig sein werden. Dazu bedarf es vor allem Beharrlichkeit.“

      „Moment mal“, unterbrach ich Albert. „Es war nicht meine Absicht aufzugeben, sondern …“

      „Sondern?“

      „Vielleicht sollten wir unsere Methoden ändern.“

      „Was schlägst du vor?“, wollte Albert wissen.

      „Na ja, warum unternehmen wir nicht Reisen nach Indien, China oder sonst wohin, um uns vor Ort über die überlieferten Heilpraktiken kundig zu machen?“

      „Die Idee gefällt mir!“, entgegnete Albert, „Ich wollte ohnehin mit dir über etwas Wichtiges reden.“

      „Worüber denn?“, antwortete ich neugierig.

      „Die Kontakte des Weißen Feuers fallen dann und wann auf fruchtbaren Boden. In Lothringen existiert ein kaum bekannter Orden. Ich wurde darüber informiert, dass dort ein vielversprechendes Originaldokument von Johann Agricula gehortet wird. Es gibt nur eine Kopie, soviel ich weiß, und der Vatikan ist nicht unbedingt ein Territorium, in das uns Einlass gewährt wird. Es handelt sich um eine lateinische Arbeitsanleitung, die die Herstellung von Aurum Potabile zum Inhalt hat.“

      „Tatsächlich! Dann holen wir uns das alte Kochbuch.“

      „Würde ich gerne“, antwortete Albert. „Das Problem dabei ist nur, dass sie das Dokument nicht herausrücken wollen. Mein Vorschlag ist, dass du und Abdul ins Départemet Loiret reist und eine Abschrift davon anfertigt.“

      „Nach Loiret?“, staunte ich. „Das würden wir in zwei Tagesreisen erreichen. Wo genau soll sich das Original befinden?“

      „Der Ort heißt Boigny-sur-Bionne. 1154 wurde dem Lazarusorden von Ludwig VII. das Schloss Boigny übereignet.“

      „Na gut, das sollten wir finden. Aber wie kommst du auf Abdul“, stutzte ich. „Hältst du das für eine gute Idee? Er ist doch Moslem. Könnte es nicht sein, dass sie uns die Tür vor der Nase zuschlagen?“

      „Nein. Lilith oder Irene würden sie nicht über die Schwelle ihres Klosters treten lassen und ich bin anderwärtig beschäftigt. Außerdem hat Abdul etwas, dass der Orden begehrt. Es handelt sich um ein sagenumwobenes Buch arabischer Medizin genannt Zad al-Ma´ad. Verfasser ist ein gewisser Ibn Qayyim.“

      „Und es ist so wichtig, dass dieser Lazarusorden im Gegenzug eine seiner wertvollsten Schriften teilen wird?“, zweifelte ich.

      „Soweit ich meiner Korrespondenz mit dem Leiter des Ordens glauben kann, ist es das.“

      „Worum geht es in dem Buch?“, wollte ich wissen.

      „Um natürliche Heilmethoden, Heilpflanzen und mehr. Wie du weißt, war die arabische Medizin bereits gut entwickelt, als man bei uns noch nichts anderes als einen Aderlass anzubieten wusste. Das Beste an der Sache ist, dass Abdul unter Mithilfe eine französische Transkription angefertigt hat.“

      „Tatsächlich?“

      „Nun, was hältst du von der Sache?“, sagte Albert.

      „Ehrlich gesagt, ich würde nichts lieber tun, als nach Loiret zu reisen, wenngleich ich daran zweifle, dass uns dieses Dokument weiterbringt.“

      „Jedenfalls werden uns deine Zweifel auch nicht von Nutzen sein. Ich würde vorschlagen, dass ihr am Montag abreist.“

      „Gut. Ich muss es nur noch Lilith schonend beibringen. Die letzten Jahre waren wir unzertrennlich. Es ist sicher ein eigenartiges Gefühl, sie für einige Tage nicht um mich zu haben.“

      „Das kann ich gut verstehen“, antwortete Albert.

      „Dann werde ich gleich mal nachsehen, wo sich Abdul aufhält. Ich mag den Kerl, wenngleich er ein Ungläubiger ist“, scherzte ich.

      Es fiel mir nicht leicht, Lilith zu überzeugen. Freilich sicherte mir Irene ihre Hilfe zu, die für unsere Situation vollstes Verständnis aufbrachte. Sie versicherte mir, meine Frau nicht aus den Augen zu lassen und sich durchaus vorstellen zu können, ein paar Tage in unserer gemeinsamen Wohnung zu übernachten. Der Abschied fiel uns dessen ungeachtet genauso schwer, wie ich es vermutet hatte.

      „Dass du mir gesund und munter wieder zurückkommst“, flüsterte mir Lilith, mich umarmend, ins Ohr.


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