Der Bund roter Löwe (2). Fulcanelli II. Richard Kölldorfer

Der Bund roter Löwe (2). Fulcanelli II - Richard Kölldorfer


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Ehe sie reagieren konnten, traf Abdul den ersten Angreifer an der Schulter, währen ich ihm ein Stuhlbein in den Magen rammte, worauf dieser zu Boden ging. Unerwartet spürte ich einen dumpfen Schmerz in meinem linken Arm. Getroffen zuckte ich zusammen, worauf mich erneuert ein Schlag auf dem Kopf traf und ich umfiel wie ein gefällter Baum. Zwei Gestalten näherten sich Abdul, der unsicher zurückwich. Eilig schritten sie an mir vorbei. Ich trat einem gegen das Knie worauf dieser stolperte und gegen den anderen prallte. Plötzlich war es stockdunkel. Ein schmerzverzerrter Schrei ließ mich zusammenzucken. Abdul musste jemand getroffen haben. Und ich konnte Kampfgeräusche vernehmen.

      „Rückzug“, hörte ich jemanden sagen.

      Doch so einfach war die Sache nicht. In dem engen dunklen Gang konnten die Eindringlinge nicht so einfach abziehen. Als ich versuchte mich aufzurichten, spürte ich, dass jemand an mir vorbeihastete. Ich bekam ihn zu fassen, zerrte ihn zu Boden und ein wildes Handgemenge entstand. Besinnungslos schlug ich mit Händen und Füßen auf den Angreifer ein, der sich aus Leibeskräften wehrte. Unerwartet traf mich eine Faust hart auf der Nase, worauf ich zurückwich. Von rohen Flüchen Abduls begleitet, konnte ich nicht verhindern, dass die Bande flüchtete. Nach Luft japsend, blieben wir zurück.

      Es dauerte eine Weile, bis der Herbergswirt mitsamt seiner Gemahlin erschien und verdattert wissen wollte, was uns denn einfiele, die Nachtruhe so schändlich zu vernachlässigen.

      „Wir sind überfallen worden“, brummte ich.

      „Meine Güte“, seufzte die Wirtin. „Sie sind ja verletzt.“

      Aus einer Platzwunde rann Abdul das Blut in dicken Rinnsalen den Kopf hinunter und sein ehemals weißes Hemd war in Purpur gehalten.

      „Die haben dich übel zugerichtet“, sagte ich unter Scherzen. „Zeig mal deinen Kopf her.“

      „Du siehst auch nicht ganz taufrisch aus. Lass mal sehen, ob deine Nase gebrochen ist.“

      Erst jetzt merkte ich, dass mein Hemd ebenfalls in Blut getränkt war und meine Hand schmerzte erbärmlich.

      „Willst du zuerst die gute oder die schlechte Nachricht hören“, seufzte Abdul.

      „Mir doch egal“, jammerte ich. „Die gute.“

      „Also: Deine Nase ist in Ordnung. Andererseits sind zwei Finger gebrochen. Die müssen wir auf jeden Fall sofort schienen und verbinden.“

      „Na toll“, antwortete ich. „Schöner Ausflug.“

      „Moment, ich werde umgehend warmes Wasser, Tücher und alles weitere zum Verarzten holen“, meinte der Wirt. „Sehr merkwürdig. Noch nie hat es jemand gewagt, meine Gäste zu behelligen. Dafür muss ich mich wohl entschuldigen.“

      „Sie können nichts dafür“, meinte Abdul.

      „Seien sie gewiss, dass sie den Rest der Nacht unbeschadet überstehen werden. Ich selbst werde Wache halten“, entgegnete der Wirt.

      „Danke“, seufzte ich. „Jetzt muss ich mich aber empfehlen. Die Reise bedeutet für meine morschen Knochen eine Herausforderung und diese Schläger haben mir den Rest gegeben. Gute Nacht.“

      Nachdem wir einigermaßen verarztet waren fielen wir in unsere Betten und ich glitt in einen tiefen Schlaf aus dem mich nicht mal die Trompeten von Jericho hätten wecken können, geschweige denn Abduls Schnarchen.

      Die Fortsetzung der Reise gestaltete sich beschwerlich. Abdul kam nicht zur Ruhe. Er hatte die fixe Idee, der Überfall geschah nicht grundlos, wir waren keine zufälligen Opfer. Seine Argumente überzeugten mich nicht hundert prozentig und hinterließen bei mir einen üblen Nachgeschmack, der mir anhaltende Grübelei bescherte.

      Alle paar Stunden mussten wir ausgedehnte Pausen einlegen, es ging nicht anders. Unser Ziel näherte sich. Die Schatten wurden länger und länger als wir zu Fuß das Kopfsteinpflaster der Anhöhe zum Schloss Boigny hoch stiegen. Beiden sahen wird nicht gerade vorteilhaft aus. Müde von der Fahrt mit blauen Flecken im Gesicht und meinem verbundenen Arm mussten wir einen Furcht erregenden Eindruck abgeben, jedenfalls starrte uns der Mönch an der Pforte mit großen Augen an.

      „Gott zum Gruße. Das ist nur halb so schlimm wie es aussieht“, erklärte Abdul, nachdem der Kleriker die Blicke nicht abwandte.

      „Für uns Städter sind die buckligen Pflaster der Provinz nicht gerade einladend“, fügte ich ein wenig gekünstelt hinzu, um von unserem Äußeren abzulenken.

      Nachdem unsere Identität geklärt war, bedeutete der Mönch wortlos, ihm zu folgen. Der Abt des Obdachs hielt sich in der Schreibstube auf und unterrichtete seine Schüler in Altgriechisch. Schnurstracks kam er auf uns zu.

      „Endlich“, ächzte er. „Mein Name ist Oliver Gillard. Eure Namen kenne ich bereits. Es ist nicht schwer zu erraten, wer Abdul Adziz und wer Hilaire de Chardonnet ist.“

      „Immer zu Diensten“, entgegnete ich.

      „Salamaleikum“, grüßte Abdul, während ihn die Mönche ungläubig anstarrten.

      „Ich schlage vor, wir kommen gleich zum Geschäft“, meinte der Abt. „Hier lang.“

      „Sie sind jemand, der eindeutige Worte findet“, stimmte ich zu.

      In der Bibliothek öffnete Gillard mit einem Schlüssel, den er um den Hals trug, eine Art Tresor, aus dem er eine kleine vergilbte Mappe kramte, die er Abdul reichte. Dieser streifte seinen Umhang ab, legte ihn auf einen Tisch und begann innen eine Naht aufzutrennen.

      „Verstehe, Sicherheitsmaßnahmen“, bemerkte Gillard.

      „Tja, die Straßen sind voll von Gestalten, denen nicht über den Weg zu trauen ist“, seufzte Abdul. „Das kann ich aus eigener Erfahrung berichten.“

      „Das hätt ich euch auch sagen können“, meinte der Abt vorwurfsvoll. „Ihr hüllt euch in edle Stoffe, das zieht unedle Gemüter an.“

      Die beiden vertieften sich sofort in die Manuskripte, während ich untätig danebenstand. „Mhm, mhm“, gab Abdul des Öfteren von sich, während Oliver Gillard sich damit begnügte, beeindruckt zu nicken.

      „Ich möchte die Herren keinesfalls von etwas abhalten, aber ich denke, es ist an der Zeit, eine Übernachtungsmöglichkeit anzustreben, nicht Abdul“, unterbrach ich die beiden Forschenden.

      Geistesabwesend erhob Abdul sein Haupt und sah mich an, als hätte ich gerade Gälisch gesprochen.

      „Äh…, du hast Recht, Hilaire.“

      „Ihr werdet doch nicht annehmen, dass ich auch so schnell wieder abziehen lasse, wo ich doch so kundige Gäste im Hause habe. Ich schlage vor, ihr übernachtet in den Schlafstädten der Mönche“, lud das Oberhaupt des Klosters uns großzügig ein.

      „Geht das denn?“, wollte Abdul wissen.

      „Natürlich. Wir sind nicht so geheim wie unsere Kollegen, die Tempelritter, die nur Eingeweihte hinter die Kulisse aus vier Meter Steinmauern blicken lassen“ schmunzelte Gillard. „Herzlichen Dank“, entgegnete ich.

      „Gut, das wäre geklärt“, antwortete der Abt. „Ich schlage vor, wir widmen uns dem Abendmahl.“

      „Guter Gedanke“, stöhnte Abdul, während er sich über den Bauch strich. „In meinem Bauch grummelt es bereits wie von einem Seebeben.“

      Am selben Abend begannen wir unter der Mithilfe von Oliver Gillard, das schmale Manuskript zu übersetzen. Gemeinsam ging die Arbeit zügig voran. Gillard war Experte in Latein, Abdul konnte die Metaphern plausibel in Worte fassen und ich versuchte, das Augenmerk auf die Nachvollziehbarkeit der Arbeitsanleitung zu legen. Bis tief in die Nacht arbeiteten wir daran, um schließlich einen Rohentwurf in Händen zu halten, der Abdul und mich auf die praktische Umsetzung harren ließ.

      „Irgendwie hab ich ein gutes Gefühl“, grübelte Abdul. „Es scheint alles schlüssig.“

      „Zu klar, wenn du mich fragst“, meinte ich.

      „Wenn


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