Kalewala. Lönnrot Elias
Kam er an die lange Brücke
Auf die Fluren Kalewala’s,
An den Rand des Osmofeldes.
Sprach dort Worte solcher Weise,
Ließ sich selber so vernehmen:
„Friß, o Wolf, den Träumegucker,
Tödt, o Krankheit, jenen Lappen!
Sagte, daß ich nicht nach Hause
Nie so lang’ ich seh’ gelange,
Nimmermehr in diesem Leben,
Nie, solang das Mondlicht leuchtet,
Auf die Fluren von Wäinölä,
Auf die Flächen Kalewala’s.“
Fing der alte Wäinämöinen
Darauf kundig an zu singen,
Sang da eine schöne Fichte
Mit der Kron’ und goldnen Zweigen
Bis zum Himmel reicht der Wipfel,
Ragt gerade ins Gewölke,
In die Lüfte gehn die Zweige,
Dehnen sich bis an den Himmel.
Singet ferner zauberkundig,
Singet einen Mond zum Leuchten
In der Fichte goldnen Wipfel,
Singt den Bären in die Zweige.
Jagte lärmend drauf von dannen,
Grade nach der goldnen Heimath,
Schiefen Hauptes, trüben Sinnes,
Schief geschoben seine Mütze,
Da den Schmieder Ilmarinen,
Ihn, den ew’gen Schmiedekünstler,
Er als Lösung hat versprochen,
Um sein eigen Haupt zu retten,
Nach dem nimmerhellen Nordland,
Nach dem düstern Sariola.
Als sein Roß er angehalten
An dem neuen Felde Osmo’s,
Hob der alte Wäinämöinen
Rasch sich aus dem bunten Schlitten;
Aus der Schmiede hört man Klopfen,
In dem Kohlenhause hämmern.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Gehet selber nach der Schmiede,
Findet dort Schmied Ilmarinen,
Der gar unverdrossen hämmert,
Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„O du alter Wäinämöinen,
Wo hast du so lang’ gestecket,
Bist so lange du gewesen?“
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet selber diese Worte:
„Dort hab’ ich so lang’ gestecket,
Meine ganze Zeit verlebet,
In dem nimmerhellen Nordland,
In dem düstern Sariola,
Mich im Lappenland befunden,
Bei den Männern voller Zauber.“
Sprach der Schmieder Ilmarinen,
Redet Worte solcher Weise:
„O du alter Wäinämöinen,
Einzig ew’ger Zaubersprecher,
Was erzählst du von der Reise,
Von der Fahrt zum Heimathlande?“
Sprach der alte Wäinämöinen:
„Habe viel dir zu erzählen:
Eine Jungfrau ist im Nordland,
In dem kalten Dorf ein Mädchen,
Das sich keinem Freier füget,
Das den besten Mann verschmähet;
Wohl das halbe Nordland preiset
Sie als wunderschöne Jungfrau:
Von den Schläfen strahlet Mondlicht,
Von den Brüsten Licht der Sonne,
Von den Schultern Licht des Bären,
Von dem Rücken sieben Sterne.“
„Ilmarinen du, o Schmieder,
Du, der ew’ge Schmiedekünstler,
Geh die Jungfrau heimzuführen,
Geh die Flechte zu betrachten,
Wenn den Sampo du ihr schmiedest,
Du den bunten Deckel zierest,
So hast du zum Lohn das Mädchen,
Für das Werk die schöne Jungfrau.“
Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„O du alter Wäinämöinen,
Hast mich ja bereits versprochen
Nach dem nimmerhellen Nordland,
Um dein eignes Haupt zu lösen,
Um dich selber zu befreien!
Gehe nicht, so lang’ ich lebe,
Nicht, so lang’ das Mondlicht leuchtet,
Nach des Nordlands Wohnungsstätten,
Nach den Häusern Sariola’s,
Wo die Männer man verzehret
Und in’s Meer die Helden senket.“
Sprach der alte Wäinämöinen
Selber Worte solcher Weise:
„Giebt noch ein viel größres Wunder,
Eine Ficht’ mit Blüthenkrone,
Blüthenkron’ und goldnen Zweigen
An dem Rand des Osmofeldes,
In dem Wipfel leuchtet Mondlicht,
Und der Bär weilt auf den Zweigen.“
Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„Glaube nicht, daß dieses wahr sei,
Wenn ich’s selber nicht gesehen,
Mit den Augen nicht geschauet.“
Sprach der alte Wäinämöinen:
„Glaubst du es auf keine Weise,
Nun so komm und laß uns schauen,
Ob es wahr ist, ob gelogen!“
Gingen drauf um zuzuschauen
Dieser Fichte Blüthenkrone,
Erst der alte Wäinämöinen,
Dann der Schmieder Ilmarinen;
Als sie dahin angekommen,
An den Rand des Osmofeldes
Trat der Schmieder in die Nähe,
Um die Fichte zu bewundern,
Daß der Bär dort in den Zweigen,
In dem Wipfel Mondlicht weilet.
Sprach der alte Wäinämöinen
Selber Worte solcher Weise:
„Steig hinauf, o lieber Bruder,
Um den Mond herabzuholen,
Um den Bären herzubringen
Von der Fichte goldnem Wipfel!“
Ilmarinen, er, der Schmieder,
Klettert auf des Baumes Wipfel
Hoch empor zum Himmelsbogen
Um den Mond herabzuholen,