Marketing. Richard Kühn
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Teil I: Begriffe und konzeptionelle Grundlagen
Um die Probleme des Marketing zu verstehen und um Grundlagen für deren systematische Behandlung zu schaffen, ist es notwendig, den Marketingbegriff sowie weitere Grundbegriffe zu präzisieren und einen Gedankenrahmen zu entwickeln, der es erlaubt, das Marktgeschehen zu beschreiben und zu begreifen.
Zu diesem Zweck werden in Kapitel 1 zunächst Begriff, Wesen und Bedeutung des Marketing erläutert. In Kapitel 2 wird sodann der Systemansatz genutzt, um die komplexen Beziehungen zwischen den verschiedenen Marktteilnehmern strukturiert als „Marktsystem“ zu modellieren. Das vorgeschlagene einfache Modell erlaubt es zudem, die für das Verständnis des Marktgeschehens wichtigsten Fachausdrücke in einen umfassenden Gedankenrahmen einzuordnen.
1 Inhalt und Bedeutung des Ausdrucks Marketing
Kapitel 1 dient dazu, den Marketingbegriff zu präzisieren und die Grundideen des Marketing vorzustellen. Zu diesem Zweck wird zunächst in Abschnitt 1.1 auf gezeigt, dass der Ausdruck Marketing in drei verschiedenen Kontexten gebraucht wird und deshalb drei einander ergänzende Begriffsauffassungen zu unterscheiden sind. In den Abschnitten 1.2 bis 1.4 werden sodann Inhalt und Bedeutung der verschiedenen Interpretationen näher erläutert.
1.1 Anwendungsbereiche des Ausdrucks Marketing
Das anglosächsische Wort Marketing ist seit geraumer Zeit im deutschen Sprachbereich zu einem gängigen Ausdruck der Alltagssprache geworden. Es darf deshalb nicht erstaunen, dass mit Marketing unterschiedliche Begriffsinhalte verbunden werden. Dementsprechend beklagen auch verschiedene Autoren von Marketinglehrbüchern die Vielfalt und z.T. auch die Widersprüche der in der Fachliteratur und in der Unternehmenspraxis gebrauchten Marketingbegriffe.1 Diese Klagen sind jedoch nur teilweise berechtigt, denn sie übersehen, dass der Ausdruck Marketing in drei verschiedenen Zusammenhängen gebraucht wird, was naturgemäss zu unterschiedlichen Definitionen führt.
Marketing dient
zur Bezeichnung bestimmter im Unternehmen zu erledigender praktischer Aufgaben,
zur Spezifizierung der Grundeinstellung des Unternehmens bzw. der Mitarbeitenden eines Unternehmens gegenüber dem Markt, insbesondere gegenüber den Kunden und ihren Bedürfnissen und
zur Benennung einer Spezialdisziplin der Betriebswirtschaftslehre bzw. einer Wissenschaft.
Die drei Anwendungsarten des Ausdrucks Marketing stehen zueinander in einem komplementären Verhältnis.2 Wie die dick ausgezogenen Pfeile in Abbildung 1-1 andeuten, hängt die Art und Weise der Erfüllung der praktischen Marketingaufgaben einerseits von der Marketinggrundhaltung3 und andererseits von den Fähigkeiten zur Anwendung der Marketingmethoden ab, welche die Marketingwissenschaft bereitstellt. Die dünneren Pfeile bringen zum Ausdruck, dass Marketing als angewandte Wissenschaft sich inhaltlich an den Problemen der praktischen Marketingaufgaben und an den Überlegungen zur Marketinggrundhaltung orientiert.
1.2 Marketing als Aufgabe
Aus der Sicht des Unternehmens ist Marketing in erster Linie eine praktische Aufgabe,
die alle Entscheide und Aktivitäten der Mitarbeiter einer Unternehmung umfasst,
die dazu dienen, Absatzmärkte zu finden und durch Gestaltung entsprechender Angebote sowie weiterer Massnahmen zur Beeinflussung der Marktpartner
die Erreichung der Unternehmensziele sicherzustellen.
Abb. 1-1: Beziehungen zwischen den Anwendungsbereichen des Ausdrucks Marketing.
Marketing als praktische Aufgabe existiert in jedem Unternehmen, unabhängig davon, ob der Ausdruck im Unternehmen zur Bezeichnung bestimmter Stellen und Abteilungen oder gewisser Aufgaben gebraucht wird. Selbst wenn ein Unternehmen sich darauf beschränkt, bestimmte Produkte ohne Werbung und ohne aktiven Verkauf anzubieten, betreibt sie demgemäss Marketing, da sie zumindest durch die Gestaltung der Produkte, durch die Festlegung von Preisen und durch die Aufnahme von Kontakten mit potenziellen Käufern Massnahmen ergreift, die irgendwelche Nachfrager in ihren Kauf- und Gebrauchs- oder Verbrauchshandlungen beeinflussen. Marketing als praktische Aufgabe existiert somit in jedem Unternehmen, das materielle Produkte oder Dienstleistungen anbietet und in irgendeiner Weise an Nachfrager verkauft, die über eine gewisse Wahlfreiheit verfügen. Im Extremfall einer Monopolsituation mit einem einzigen marktbeherrschenden Anbieter kann sich die Wahlfreiheit darauf beschränken, zwischen dem Kauf der einzigen angebotenen Leistung und einem Kaufverzicht zu wählen.
Akzeptiert man die vorgeschlagene Interpretation von Marketing als Aufgabe, so wird die in der Praxis zuweilen geäusserte Aussage, ein bestimmtes Unternehmen betreibe kein Marketing, unsinnig. Marketing ist notwendiger Bestandteil jeder Marktwirtschaft. Die zentrale Frage aus praktischer Sicht lautet deshalb auch nicht: „Betreibt die Unternehmung X Marketing?“, sondern „Mit welcher Grundhaltung, mit welchen Fähigkeiten und mit welcher Intensität werden in der Unternehmung X die Marketingaufgaben wahrgenommen?“. Durch diese neutrale Umschreibung wird es möglich, das in einem Unternehmen praktizierte Marketing als mehr oder weniger zweckmässig zu qualifizieren.
Abbildung 1-2 vermittelt einen groben Überblick über die Vielfalt möglicher Marketingaufgaben. Folgende Aufgaben werden dabei unterschieden:
Aufgaben der Gestaltung und des Einsatzes der auf dem Markt wirksamen Instrumente des Marketingmix
Aufgaben der Gestaltung und des Einsatzes der Marketinginfrastruktur bzw. der dem Marketing zur Verfügung stehenden Führungsmittel, Führungsinstrumente und Potenzialfaktoren
Abb. 1-2: Marketingaufgaben4
Es ist zu betonen, dass die in Abbildung 1-2 zusammengestellten Marketingaufgaben keineswegs allein von Abteilungen bzw. Stellen wahrgenommen werden, die Worte wie Marketing, Absatz, Vertrieb oder Verkauf als Abteilungs- oder Stellenbezeichnung führen. Insbesondere wird die Geschäftsleitung häufig in die Gestaltung des Marketingmix und die Bereitstellung der Marketingführungsmittel eingreifen wollen bzw. eingreifen müssen. Des weiteren werden die Verantwortlichen der Produktion, der Forschung und Entwicklung und des Rechnungswesens je nach Branche und Unternehmenstyp z.B. die Gestaltung der Produkte, den Kundendienst oder auch die Preissetzung bestimmen oder wenigstens beeinflussen. Selbst die Telefonistin oder der Portier sind in gewissem Masse zumindest an der Durchführung von Marketingaufgaben beteiligt, wenn sie Kunden mehr oder weniger freundlich, mehr oder weniger kompetent begrüssen und an die zuständigen Stellen verweisen.
Als Marketingstellen werden in diesem Zusammenhang alle organisatorischen Einheiten bezeichnet, die gemäss