Marketing. Richard Kühn

Marketing - Richard Kühn


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sie beschreibt die Lagestruktur geografischer Parameter und verhilft so Personen, die eine Reise unternehmen möchten, zu einer besseren Orientierung bzw. zu einem besseren Problemverständnis. Die Landkarte ist dagegen kein Erklärungsmodell. Erklärungsmodelle umfassen mindestens eine abhängige und eine unabhängige Variable und bringen Ursachen-Wirkungsbeziehungen bzw. Abhängigkeiten zwischen diesen zum Ausdruck.

      Die Marketingwissenschaft befasst sich mit Beschreibungs- und mit Erklärungsmodellen. Ein einfaches Beschreibungsmodell ist etwa das Organigramm einer Marketingabteilung als Beschreibung der Unterabteilungen und Stellen des Marketingbereichs sowie ihrer hierarchischen Einordnung. Auch die Gewinn- und Verlustrechnung einer Unternehmung ist ein Beschreibungsmodell; sie beschreibt die in einer bestimmten Periode realisierten Erträge und Aufwendungen. Ein für das Marktverständnis wichtiges Erklärungsmodell stellt die der Mikroökonomie entliehene und in Abbildung 1-4 dargestellte „Preis-Absatz-Funktion“ bzw. „Nachfragefunktion“ dar. Diese zeigt den Zusammenhang zwischen dem Preis eines Gutes und der absetzbaren Menge. Aus Marketingsicht interessiert die Nachfragefunktion primär zur Erklärung und damit auch Prognose der Absatzmenge (als abhängige Variable) in Abhängigkeit von dem durch das Unternehmen festzusetzenden Preis (als unabhängige Variable).

      Abb. 1-4: Nachfragefunktion als Beispiel eines Erklärungsmodells

      Wissenschaftlich fundierte Erklärungsmodelle des Marketing beruhen auf theoretischen Erklärungsansätzen und auf empirischen Untersuchungen zur Bestätigung bzw. Widerlegung dieser Ansätze. Dies gilt auch für die „klassische“ Nachfragefunktion, die auf der mikroökonomischen Theorie der Nachfrage beruht und deren konkreter Verlauf durch empirische Daten zu realisierten Preisen und damit verbundenen Absatzmengen (z.B. mit Hilfe einer Regressionsanalyse) bestimmt wird. Die Entwicklung von auf verhaltenswissenschaftlichen (insbesondere psychologischen) Ansätzen beruhenden Modellen des Käuferverhaltens ist seit vielen Jahren einer der wichtigsten und fruchtbarsten Forschungsbereiche des Marketing.10

      Betriebswirtschaftliche Methoden sind letztlich systematische Anleitungen bzw. Vorgehensvorschläge zur Beschaffung bzw. Verarbeitung von Informationen im Hinblick auf die Lösung eines spezifischen Problems. Zur Unterstützung der Lösung praktischer Marketingprobleme wurden von der Marketingwissenschaft sehr viele verschiedenartige Methoden entwickelt. Im Vordergrund stehen

       Methoden der Marktforschung zur Beschaffung entscheidungsrelevanter Informationen über Produktverwender, Handelsunternehmen und Konkurrenten,

       Methoden zur Analyse und Prognose der Marktsituation, insbesondere der künftigen Marktentwicklung,

       Entscheidmethoden zur Bestimmung von spezifischen Massnahmen (z.B. des Preises eines Produktes), von Massnahmenpaketen (z.B. des Marketingmix) und von Systemen (z.B. von Anreizsystemen für Verkäufer),

       Implementierungsmethoden zur Sicherung der Umsetzung der Entscheidergebnisse (z.B. Sicherung der Umsetzung einer definierten Marketingstrategie) und

       Kontrollmethoden zur Überprüfung von Entwicklungen wichtiger Erfolgsdeterminanten (z.B. des Umsatzes oder des Marktanteils), die der Entdeckung von Gefahren oder Chancen dienen und Managementaktionen auslösen sollten.

      Die für die Marketingpraxis wichtigsten Modelle und Methoden werden in den weiteren Kapiteln dieses Buches vorgestellt. Dabei erweist es sich als nötig, der Definition der für die Modelle und Methoden relevanten Begriffe relativ grosse Aufmerksamkeit zu schenken. Klare Begriffe sind unumgängliche Voraussetzungen für eine fruchtbare Marketingforschung und für die Lösung praktischer Marketingprobleme. So können z.B. wissenschaftliche Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung erst sinnvoll angestellt werden, wenn Klarheit darüber besteht, was unter Kundenzufriedenheit und Kundenbindung zu verstehen ist. Und auch Praktiker, die über Massnahmen zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit diskutieren, können sich eher verständigen und brauchbare Massnahmenideen entwickeln, wenn sie die gleiche „Vorstellung“ von Kundenzufriedenheit haben bzw. den gleichen Begriff zugrunde legen.

      Wichtig ist es zu wissen, dass Begriffe nicht aufgrund wissenschaftlich begründeter Überlegungen als wahr oder falsch eingestuft werden können. Begriffe sind „nur“ als mehr oder weniger zweckmässig für Modellbildung, Methodenentwicklung oder auch für problemlösungsorientierte Diskussionen einzustufen. In Abhängigkeit vom Einsatzbereich und vom Anwendungszweck kommt man deshalb zu unterschiedlichen Begriffsumschreibungen. Dies trifft gerade auch für das Marketing zu, wo heute noch selbst für gewisse grundlegende Begriffe eine oft bedeutende Begriffsvielfalt beklagt wird. Dies hat damit zu tun, dass Marketing eine vergleichsweise junge Wissenschaft ist und „einheitliche“ Begriffe sich erst durchsetzen, wenn die Mehrheit der Wissenschaftler und auch die Anwendungspraxis sich über die Zweckmässigkeit eines bestimmten Begriffes einigen können. Letzteres ist in Wissenschaften, die sich mit menschlichem Verhalten beschäftigen, aus verschiedenen Gründen (z.B. wegen der Schwierigkeiten der Messung psychischer Variablen) schwieriger als in den Naturwissenschaften. Die Leser von Marketingtexten werden deshalb weiterhin die Begriffsvielfalt in Kauf nehmen und die Zweckmässigkeit der vorgeschlagenen Begriffe überprüfen müssen.

      Das Niveau und die Qualität der Erfüllung konkreter Aufgaben hängen nicht nur vom Wissen und Können der dafür verantwortlichen Personen, sondern auch von ihrer Grundeinstellung zur Aufgabe selbst ab. Dies gilt auch für die Erfüllung von Marketingaufgaben. In der Marketingpraxis und in der Marketingliteratur misst man diesem Aspekt eine besonders hohe Bedeutung zu und integriert eine bestimmte Ausprägung der Grundeinstellung, die Marktorientierung, in den Marketingbegriff. So schreibt z.B. Meffert in seinem grundlegenden Marketinglehrbuch: „Marketing ist die bewusst marktorientierte Führung des gesamten Unternehmens oder marktorientiertes Entscheidungsverhalten in der Unternehmung“.11 Marktorientierung in diesem Sinne beinhaltet die bewusste Ausrichtung des Entscheidens und Verhaltens auf die Kundenbedürfnisse (Kundenorientierung) unter Berücksichtigung der Wettbewerbssituation (Konkurrenzorientierung) und setzt eine bewusste positive Grundeinstellung gegenüber den Kunden und ihren Wünschen voraus.

      In der Realität existieren jedoch viele Unternehmen, die sich bei der Durchführung dieser Aufgaben weniger an den Kundenbedürfnissen als an den eigenen Fähigkeiten ausrichten. Da solche Unternehmen durchaus erfolgreich sein können, macht es Sinn, die Marketinggrundeinstellung zunächst allgemein zu definieren und dann die Frage nach der in einer bestimmten Situation zweckmässigen Grundeinstellung aufzuwerfen. Man kann dann auch wissenschaftlich untersuchen, wie bestimmte Ausprägungen der Marketinggrundeinstellung den Marketingerfolg beeinflussen.

      Die Marketinggrundeinstellung eines Unternehmens lässt sich in diesem Sinne definieren als

       die bei der Mehrheit der Mitarbeiter vorherrschenden Einstellungen zu den Kunden und ihren Bedürfnissen,

       die das Verhalten gegenüber den Kunden prägen und den Stellenwert des Marketing im Unternehmen bestimmen.

      Die Marketinggrundeinstellung kann in der Praxis sehr unterschiedliche Ausprägungen annehmen. Es geht deshalb im Folgenden zunächst darum, mögliche Grundeinstellungen im Sinne von idealtypischen, gegensätzlichen Positionen zu umschreiben.

      a) Produktorientiertes und bedürfnisorientiertes Marketing

      Produktorientiertes Marketing wird definiert als Orientierung der Marketingaktivitäten an vorhandenen, durch eigene Fähigkeiten und unternehmensinterne Überlegungen bestimmten Produkten.

      Marketing in diesem Sinne ist zu verstehen als eine auf existierende Produkte ausgerichtete „Leistungsverwertung“. Populär ausgedrückt bestimmen die Qualitätsvorstellungen der Techniker und nicht die Entwicklungen des Marktes, wie die zu erzeugenden Güter


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