Lehren und Lernen auf der Sekundarstufe II (E-Book). Группа авторов
Sommer 2005 beschlossen die politischen Behörden von Bund und Kantonen dann den Beginn der zweiten Evaluationsphase (EVAMAR II). In dieser Studie wurden weitere Aspekte der Maturitätsbildung untersucht. Der Fokus lag auf der objektiven Erfassung des Ausbildungsstandes der Schülerinnen und Schüler am Ende des Gymnasiums. Erforscht wurde somit die Qualität der gymnasialen Ausbildung und der Maturität. Durch die kompetente Leitung und die große Expertise von Prof. Dr. Franz Eberle konnten dank EVAMAR II bedeutende Erkenntnisse für Gesellschaft und Wirtschaft gewonnen werden.
Der Schlussbericht zur Phase II der EVAMAR-Studie mit mehreren Empfehlungen für das Gymnasium wurde 2008 publiziert (Eberle et al., 2008). Die bildungspolitischen Folgen sind zahlreich: Gymnasiale Bildungsziele konnten konkretisiert, die basalen Kompetenzen im Rahmenlehrplan berücksichtigt und Möglichkeiten zur Sicherung der Qualität der gymnasialen Bildung und des prüfungsfreien Zugangs zu universitären Hochschulen aufgezeigt werden. Der starke Einfluss von EVAMAR II auf die Bildungssteuerung äußert sich auch in der Tatsache, dass eine Fachgruppe der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) Ende 2008 aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Studie Empfehlungen zuhanden der politischen Behörden erarbeiten konnte. Die EDK und das damalige Staatssekretariat für Bildung und Forschung (SBF) haben sich ab 2009 mit diesen Empfehlungen auseinandergesetzt und das weitere Vorgehen diskutiert. Zwischen 2010 und 2012 wurde das Thema auch in verschiedenen Gremien diskutiert und in den Medien behandelt.
2.2Konkretisierung der gymnasialen Bildungsziele
Die Ergebnisse der Studie EVAMAR II erbrachten einen wichtigen Beitrag zur Konkretisierung der Ziele der gymnasialen Bildung (Art. 5 MAV). Sie lieferten Hinweise darauf, was universitäre Hochschulen unter dem Konstrukt «Hochschulreife» bzw. «Studierfähigkeit» verstehen. Die Studie EVAMAR II wies jedoch auch auf Lücken der Maturandinnen und Maturanden bei den basalen fachlichen Kompetenzen in der Erstsprache und in der Mathematik hin. Gleichzeitig bestätigte sie, dass genau diese Kompetenzen, die logisches und abstraktes Denken verlangen, entscheidend für die Erfolgschancen an der Universität sind. Diese Erkenntnisse fanden Eingang in die Schweizer Bildungsberichterstattung sowie 2011 und 2015 in die Erklärungen zu den gemeinsamen bildungspolitischen Zielen von Bund und Kantonen für den Bildungsraum Schweiz. Darin ist festgehalten, dass – gestützt auf vorliegende Erkenntnisse und Studien – Maßnahmen geprüft werden, welche die Studierfähigkeit der Maturandinnen und Maturanden und damit den prüfungsfreien Hochschulzugang mit gymnasialer Matur sicherstellen.
2.3Berücksichtigung der basalen Kompetenzen im Rahmenlehrplan und weitere Maßnahmen
Die EDK hat im März 2012 eine Untersuchung zu den Konsequenzen aus dem Bericht EVAMAR II in Auftrag gegeben. Das Gesamtprojekt besteht aus vier konkreten Teilprojekten zur gymnasialen Maturität. Der Bund unterstützt dieses Projekt und hat sich an der Finanzierung des ersten Teilprojekts zur Umsetzung der basalen fachlichen Kompetenzen für die allgemeine Studierfähigkeit in Mathematik und Erstsprache beteiligt.
Im Rahmen dieses Teilprojekts hat Prof. Dr. Franz Eberle in einer erweiterten Analyse («Basale fachliche Kompetenzen für allgemeine Studierfähigkeit in Mathematik und Erstsprache: Kurzbericht zuhanden der EDK») aufgezeigt, wie die Kenntnisse und Fähigkeiten in den basalen Kompetenzen der Inhaberinnen und Inhaber einer gymnasialen Maturität verbessert werden können. Unter den vorgeschlagenen Lösungen findet sich die folgende Empfehlung, die bereits ein Jahr später durch die Kantone umgesetzt worden ist: «Die Basalen Fachlichen Studierkompetenzen werden in den Rahmenlehrplan der EDK aufgenommen» (Eberle, Brüggenbrock, Rüede, Weber & Albrecht, 2015).
2.4Langfristige Auswirkungen der Studie EVAMAR II
Auf der Grundlage dieser Studie wurde beschlossen, basale fachliche Kompetenzen für die allgemeine Studierfähigkeit in Erstsprache und Mathematik in den Rahmenlehrplan für die Maturitätsschulen zu integrieren. Weitere Empfehlungen zur langfristigen Sicherung des prüfungsfreien Hochschulzugangs mit gymnasialer Maturität wurden erlassen und werden aktuell in den erwähnten Teilprojekten umgesetzt. So sollen die Unterstützung der Schulen beim gemeinsamen Prüfen sichergestellt, die Optimierung des Übergangs zwischen Gymnasium und Universität vorangetrieben und die Studien- und Laufbahnberatung am Gymnasium verbessert werden.
Die Forschungsergebnisse der zweiten Phase der Evaluation der Maturitätsreform 1995 (EVAMAR II) dienen dem Bund und den verschiedenen Partnern noch heute als Referenz. Die Studie von Prof. Dr. Franz Eberle ist breit anerkannt und wird als ein Grundstein auch für zukünftige Evaluationen zur Qualität der gymnasialen Bildung von großer Bedeutung bleiben.
3Leading House der Berufsbildungsforschung LINCA
3.1Ein neuer Schwerpunktbereich in der Berufsbildungsforschung
Im Sommer 2010 schrieb das SBFI (damals Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT) den Aufbau eines neuen Leading House für Berufsbildungsforschung aus. Bei den «Leading Houses» handelt es sich um ein Förderinstrument im Rahmen der Ressortforschung des Bundes zum Politikbereich Berufsbildung, bei welchem bestehende universitäre Lehrstühle finanziell unterstützt werden, um im Sinne eines Kompetenzzentrums in einem klar umrissenen, für die Berufsbildung relevanten Schwerpunktbereich Forschung zu betreiben und dabei mit anderen universitären Lehrstühlen oder Hochschulen zu kooperieren. Die Förderung der Leading-House-Forschung ist langfristig angelegt.
Bei der Ausschreibung setzte sich Prof. Dr. Franz Eberle mit seinem Antrag für das Leading House «Learning and Instruction for Commercial Apprentices» (LINCA) gegen seine Mitbewerber durch. Mit den drei innovativen Teilprojekten zu den Fragen, welche Unterrichtsmerkmale sich kompetenzförderlich auf Lernende auswirken und über welche professionelle Kompetenz Lehrpersonen verfügen sollten, um den Unterricht in diesem Sinne zu gestalten, betrat das Leading House LINCA Forschungsneuland in der Schweiz. Doch gerade in einem Land, in dem fast zwei Drittel der Bevölkerung durch eine Lehre in den Arbeitsmarkt gelangt und die kaufmännische Lehre zu den beliebtesten Ausbildungen zählt, war und ist entsprechendes, evidenzbasiertes Wissen sehr wichtig, um das Bildungssystem zielführend zu steuern und weiterzuentwickeln. Die Arbeiten im Rahmen des Leading House LINCA konnten unter der strategischen Leitung von Prof. Dr. Franz Eberle im Herbst 2011 aufgenommen werden.
3.2Drei Perspektiven zum Erwerb von Kompetenzen im kaufmännischen Bereich
Die Schweiz braucht gut ausgebildete Fachkräfte, die in der Lage sind, komplexe Arbeiten selbstständig zu erledigen. Eine gute und praxisnahe Ausbildung ist dabei grundlegend. Neben den eigentlichen Lerninhalten spielen aber auch die Lehrpersonen sowie die allgemeine Wahrnehmung des Unterrichts eine wichtige Rolle. Vor diesem Hintergrund nahmen Prof. Dr. Franz Eberle und sein Team mit Fokus auf den kaufmännischen Bereich das Zusammenspiel zwischen den Kompetenzen der Lernenden und der Lehrpersonen sowie deren Wahrnehmung des Unterrichts unter die Lupe. Sie erkannten, dass genau an dieser Schnittstelle deutlich wird, ob es den Lehrpersonen gelingt, ihre eigenen Kompetenzen und Kenntnisse den Lernenden erfolgreich zu vermitteln.
In Teilprojekt 1 befasste sich das Leading House LINCA mit der Modellierung und Messung der Kompetenz sowie der Entwicklung der Wirtschaftskompetenz von Lernenden während ihrer kaufmännischen Lehre. Zu diesem Zweck wurde auch der computerbasierte Test «simuLINCA» entwickelt. Es konnte gezeigt werden, dass Lernende während ihrer Ausbildung vor allem das domänenverbundene wirtschaftsbürgerliche sowie das kaufmännische Wissen und Können weiterentwickeln. Das wirtschaftsbürgerliche domänenspezifische Wissen und Können, das im Unterricht im Fach «Wirtschaft und Gesellschaft» eher nicht curricular verankert ist, stellt dabei allerdings eine Ausnahme dar.
Guter Unterricht ermöglicht es den Lernenden, Erfolgserlebnisse beim Lernen zu haben, was wiederum motivierend wirkt und ihr Interesse für die Unterrichtsinhalte weiter steigert. Es ist allerdings anzunehmen, dass die Wahrnehmung der Qualität des Unterrichts subjektiv ist. In Teilprojekt 2 wurde die Unterrichtswahrnehmung von Lernenden und ihren Lehrpersonen im Lernbereich «Wirtschaft und Gesellschaft» deshalb anhand von vier konzeptionell und empirisch trennbaren Basisdimensionen erhoben. Die Forschenden konnten u.a. aufzeigen, dass die Unterrichtsmerkmale der Dimensionen Klassenführung, Strukturiertheit und konstruktive Unterstützung von den Lernenden tendenziell positiver wahrgenommen werden als jene der kognitiven